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Bußakt der katholischen KircheWenn Bischöfe niederknien

Die Bischöfe der katholischen Kirche haben sich in Paderborn wegen des Kindesmissbrauchs zu einer Geste der Demut durchgerungen. Den Opfern reicht das aber nicht.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch in Paderborn als Büßer. Bild: dpa

PADERBORN taz | Im Hohen Dom zu Paderborn entfaltet die katholische Kirche noch einmal alle Pracht, die sie zu zeigen vermag: Im Violett der Fastenzeit gekleidet schreiten 66 Bischöfe und Weihbischöfe der Bundesrepublik unter Orgelklängen in das imposante Gotteshaus, vorweg der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch.

Der Freiburger Erzbischof trägt ein Bußkreuz aus dem 14. Jahrhundert und kniet wie seine Mitbrüder vor dem Altar nieder. "Wir empfinden tiefe Scham. Männer der Kirche haben jungen Menschen, die ihnen anvertraut waren, missbraucht und ihrem Leben schweren Schaden zugefügt. Allzu oft haben die Verantwortlichen weggeschaut", sagt Zollitsch.

Es waren die Kernsätze eines viertelstündigen Bußaktes, mit dem die Oberhirten am Montagabend erstmals öffentlich, gemeinsam und in liturgischer Form eines Skandals gedachten, der die katholische Kirche der Bundesrepublik mit ihren 25 Millionen Menschen in die tiefste Krise ihrer Geschichte gestürzt hat. Auf der traditionellen Frühjahrsversammlung der Bischöfe fanden die obersten Geistlichen der ältesten Glaubensgemeinschaft des Landes endlich zu einer Geste der Demut, die so lange von ihnen erwartet worden war.

Mehrere Tausend junge Menschen, meist Jungen, waren in den vergangenen Jahrzehnten Opfer sexualisierter Gewalt durch Priester oder Kirchenmitarbeiter geworden. Erst vor wenigen Wochen hatten sich die katholischen Bischöfe dazu durchgerungen, ihnen 5.000 Euro als Entschädigung für ihr Leid anzubieten.

"So schäbig könnt Ihr Euch nicht freikaufen"

Draußen vor dem Hohen Dom standen vier Gruppen, die gegen die Bischöfe und ihre bisherige Aufarbeitung des Skandals protestierten. Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" war mit etwa einem Dutzend Menschen angerückt - ihr ging es vor allem um mehr Dialog zwischen der Kirchenhierarchie und der Kirchenbasis. Ehemalige Heimkinder demonstrierten neben ihnen, genauso wie eine Vereinigung von Lesben und Schwulen in der Kirche. Am auffälligsten aber waren die Mitglieder des "Eckigen Tisches", die viele Plakate mitgebracht hatten. Auf einem stand: "So schäbig könnt Ihr Euch nicht freikaufen."

Der Sprecher des Eckigen Tisches, Matthias Katsch, wollte die Frage der Entschädigung nicht in den Vordergrund stellen, beklagte aber, dass es keinen Grund gebe, warum die Kirche da so knauserig agiere. Angemessen wäre ein "deutlicher fünfstelliger Betrag" pro Opfer - so wie etwa die Opfer in Irland und Österreich ihn erhalten haben. "Es ist eine Stilfrage." Die Kirche müsse auf die Missbrauchsopfer zugehen.

Das passierte am Montagabend in Paderborn nicht: Weder vor noch nach dem Gottesdienst ließ sich ein Oberhirte bei den Demonstranten blicken.

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20 Kommentare

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  • N
    Nuel-Ireneus

    das im hohen Dom zu Paderporn – insgesamt ein nahezu lautloses, hilfloses, nicht ganz hinreichendes, wortreiches und so aber auch selbstredendes Bekenntnis/Geständnis vor noch namenloserem, geduldetem, vertuschtem, verharmlostem, und meistenorts nur selten entschieden aufgearbeitetem Verbrechen und Leid. Genau hier her hätten auch die Worte des allgemeinen Schuldbekenntnisses gehört, welches weiß Gott wie oft – schon morgens – einer zum Gottesdienst versammelten Gemeinde von Brüdern und Schwestern im glauben zu sprechen zugetraut und zugemutet wird; nur hier eben in "wir": 'Wir bekennen, Gott dem allmächtigen, und allen Brüdern und Schwestern, dass wir Gutes unterlassen und Böses getan haben. Wir haben gesündigt in Gedanken, Worten und Werken. durch unsere Schuld, durch unsere größte [lat.: 'maxima‘] Schuld. Darum bitten wir die selige Jungfrau [und Mutter] Maria, alle Engel und heiligen und euch [jungen und alten] Brüder und Schwestern, für uns zu beten bei Gott unserem Herrn.' – bereits durch diese Worte ist der einzelne Mann der Kirche, aber auch das unsäglich hilflos lassende und latent gestützte, nonchanante System des Verharmlosens und Vertuschens und Verschleppens etc. pp in dieser Misere angesprochen, selbst angeklagt und zur Reue, Umkehr, Buße und Erneuerung gerufen und gemeint.

  • S
    samuelsons

    @nihi.list:

     

    ich stimme Ihnen zu. Missbrauch gibt es in allen gesellschaftlichen Bereichen. Allerdings formuliert die "Heilige" katholische Kirche einen besonderen moralischen Anspruch - für sich und ihre Beter. Ich habe etwas dagegen, wenn der Versuch unternommen wird Schuld zu relativieren.

    Die Kirche ist schuldig - ohne wenn und aber. Diese Institution hat sich in kurzen Geschichte an vielen Frauen und Männern vergangen und somit unendliches Leid über Menschen gebracht. Warum darf eine Glaubensgemeinschaft weiter existieren, die in ihren Reihen Vergewaltiger duldet?

  • N
    nihi.list

    @samuelsons

     

    Bei diesem Thema ist mir nicht zum Spaßen zumute.

     

    Ich hätte aber der Deutlichkeit halber den Satz erweitern sollen um:

    "...dem nun aber auch weitere Schritte und ernsthafte Konsequenzen folgen müssen."

     

    Im übrigen stimme ich ihnen zu, dass der Verbleib überführter Prister ein Skandal ist.

     

    Aber fällt es Ihnen nicht auch auf, dass sich das Thema Kindesmißbrauch aktuell auf das Umfeld der Kirche konzentriert? Glauben Sie, nur dort sei dieses vorgekommen? Wieviele Kinder beispielsweise sind im Rahmen einer "alternativen Lebensführung" mißhandelt worden? Niemanden scheint das wirklich zu interessieren. Es drängt sich mir daher der Verdacht auf, dass es in der Diskussion gar nicht um die Kinder an sich und deren Traumata geht. Das Denken einiger Zeitgenossen scheint vielmehr zu sein:

    "Kindesmißbrauch durch Kirchenmenschen ist böse.

    Kindesmißbrauch durch eher alternativ-grün angehauchte Menschen ist eine unbeabsichtigte Begleiterscheinung der damaligen Umstände".

     

    Nein, samuelsons. Wem es beim Thema Kindesmißbrauch ernst ist, der schaut nicht nur auf die Kirche, sondern in alle gesellschaftlichen Bereiche, insbesondere auch in die Vergangenheit der Grünen.

  • ET
    Erika Tkocz

    Solange die katholische Kirche ihre Vorstellung von Buße demonstriert bzw. zur Show darstellt, wird es lediglich eine Selbstinszenierung bleiben, denn die Opfer werden nicht gefragt was sie wollen. Über so viel Narzissmus müsste man sich eigentlich wundern, aber dann auch wieder nicht, weil die Kirche nun mal nicht Jesus ist, der sich ganz sicher im Grabe umdrehen würde. Die Bilder der Buße befremden mich oder ich schreibe es mal deutlicher, mir wird übel-speiübel.

     

    Erika Tkocz, ehemaliges Heimkind

  • S
    samuelsons

    Antwort an: von nihi.list:

    "...Auch wenn solch ein Bußakt die Leiden der Opfer nicht mindern kann, so ist es wenigstens ein erster kleiner Schritt..."

     

    Das haben Sie doch als kleinen, witzigen Einwand hier geschrieben oder?

  • S
    samuelsons

    In der "Heiligen" katholischen Kirche werden Priester die des Missbrauchs überführt sind im Amt belassen. Das ist ein Skandal im Skandal - kein Journalist schreibt etwas darüber - kritischer Journalismus sieht anders aus

  • G
    gyanda

    Ich hab neulich gedacht, wenn ich jetzt Papst wäre, würde ich diese Institution ganz auflösen, die Katholische Kirche und einen Neuanfang wagen mit einem anderen Namen und einer völlig anderen Struktur. Ich könnte nicht mit der Schuld leben, die dieser Laden auf sich geladen hat, und einfach so weiter machen. Dass die Kirchenoberen das können und sich nicht schämen, das finde ich mehr als bedenklich!

     

    Jesus würde sich im Grab rumdrehen, wenn er sähe, was aus seinen Werken gemacht wurde in "seiner" Kirche.

  • A
    Adrian

    Man kann nicht allen Ernstes kritisieren, dass Kirchen Geld vom Steuerzahler bekommen!

    Kirchen brauchen Zuwendungen; sie sind keine Unternehmen. Zu fordern, dass sie sich bitte selbst tragen sollen, ist der letzte Schritt einer umsichgreifenden Ökonomisierung. Frei nach dem Motto: Was nichts erwirtschaftet, muss sterben. Wie unmenschlich!

     

    A.

  • J
    JaneO.

    Eigentlich muss man nur diesen Link hier kennen

     

    http://www.youtube.com/watch?v=v-stYCny3dM&feature=player_embedded

  • F
    FAXENDICKE

    Wussten Sie, dass die Bundesrepublik Deutschland jedes Jahr Subventionen von ca. 14,9 Milliarden Euro an die Kirchen bezahlt?

     

    http://www.stop-kirchensubventionen.de/

  • MD
    maria daubenbuechel

    die demut,die diese kirche immer von ihren gläubigen fordert,vermisse nich bei den kirchenoberen.da wird ein theaterauftritt inzeniert mit dem man denkt, genug getan zu haben.das ist einfach zu wenig,denn eine zerstörte kindheit kann man auf diese weise nicht wiedergutmachen .wenn jemand sich einer straftat schuldig macht,dann kann er seine strafe auch nicht selbst bestimmen.hier gibt es aber menschen,die gewußt und vertuscht haben,auch das ist eine straftat.da muß ein öffentliches gericht die urteile sprechen,so geht das jedenfalls nicht.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Knien allein reicht nicht

    Das Niederknien der Bischöfe im Hoohen Dom zu Paderborn,im Bezug auf die Missbrauchfälle ,die in der Katholischen kirche begangen worden,reicht bei weitem nicht aus. Es ist eine Geste,medienwirksam inzeniert.

    Reue und Buße sieht anders aus.

    Mit 5000 Euro sollen Missbrauchopfer von der Katholischen Kirche entschädigt werden,dies ist ein Hohn ein Schlag ins Gesicht der Gedemütigten,Erniedrigten,Gequälten.

    Menschen,die in der Kirche tätig waren und sind haben große Schuld auf sich geladen,die nicht

    mit Worten der Entschuldigung und Niederknien beziehungsweise vor dem Altarstufen sich flach hin zu legen getilgt sind ,was die Opfer,die Kirchenglieder und GOTT anbetrifft.

  • S
    Supi

    Mach ich jetzt auch. Ich versau hunderten Menschen ihr Leben und dann renn ich mit nem dämlich aussehenden Laken und nem blöden Stock durch die Gegend und sag es tut mir soooo Leid.

    Ein mittelalterlicher verlogener Laden ist das.

  • N
    nihi.list

    Auch wenn solch ein Bußakt die Leiden der Opfer nicht mindern kann, so ist es wenigstens ein erster kleiner Schritt.

     

    Und nun erwarte ich entsprechende Aktionen von Vertretern der Odenwaldschule; ebenso von den Grünen, die bekanntermaßen eine Straffreiheit bei Sex mit Kindern gefordert hatten. Von eben jenen Grünen, die in ihrer Mitte nach wie vor solch zweifelhaften Leute wie Volker Beck und Daniel Cohn-Bendit dulden.

    Und sagt nicht, dass das alles ja schon so lange her ist und nicht ernstgemeint oder deren Aussagen aus dem Kontext gerissen seien. Solche Beschwichtigungsversuche sind typisch für Kinderschänder aller Couleur.

  • P
    Peter

    Eine wohlfeile Geste der Demut und Buße, kostet ja nix und auf den Knien rutschen sie ohnehin ständig rum.

     

    Weh tut es denen nur wenns ums Geld geht!

     

    Aber solange keine breite gesellschaftliche Diskussion über Sinn und Nutzen (und vor allem auch Kosten) von Religionsgemeinschaften stattfindet, wird alles so weitergehen wie bisher.

  • I
    immlerju

    Bitte nicht so dramatisch! Bei aller schrecklichen Konsequenz aus einer Aufweichung der Moral, die zu diesen Missbrauchsfällen im kirchlichen Bereich geführt haben, kann doch bei weitem nicht von der "tiefste[n] Krise ihrer Geschichte" gesprochen werden. Ich erinnere an die frühe Christenverfolgung im Römischen Reich oder auf Deutschland bezogen an die unsägliche Reformation, ausgelöst durch den eitlen Martin Luther.

    Und die unglaubliche Masse an Demonstrationen von WiSiKi ist nun wirklich keine Erwähnung wert. Diese Personen sollten wie viele andere nicht ständig die veralteten Forderungen wiederholen, die sowieso niemand mehr Ernst nimmt, sondern sich selbstkritisch eine Antwort der seligen Mutter Teresa zu Herzen nehmen: Auf die Frage, was sich an der Kirche ändern müsse, antwortete sie: Sie und ich.

  • W
    willy

    Passt doch zu den Pfaffen: Heucheln, bis die Soutane platzt!

    Es wird nicht mit den Opfern geredet sondern über sie, mit Geld, welches im Einzelfall helfen könnte, wird gegeizt, obwohl`s letzten Endes doch vom Steuerzahler käme.

    Damit werden dann lieber pompöse "Altersruhesitze" hergerichtet, für "Kirchenfürsten", die ihr ganzes Leben damit zugebracht haben, gläubigen Menschen Angst einzujagen, ihnen Geld aus der Tasche zu ziehen und gelegentlich einen Ministranten ums Taufbecken zu jagen.

    Meine Großmutter hatte recht: "Wenn die Pfaffen Geld brauchen, sollen sie arbeiten!"

  • T
    TheOrbitter

    Was wird denn da von der Katholischen Kirche erwartet? Soll ich's nochmal sagen: von der Katholischen Kirche? Wie sagt Hagen Rether so schön und so wahr:"Die Kirche ist ein einziger feuchter Männertraum. Von Männern, für Männer! [...] ... ein hohler, im Ritual verhafteter, gepuderter Tuntenhaufen."

    Wer ohne sich dabei lachend auf den Boden zu wälzen hinnimmt, daß Papst Ratzinger mal eben so die Vorhölle abschaffen kann - ja, das hat der gemacht! Vorhölle? Haben wir nicht mehr. Die ist abgeschafft. - der kann auch keine Scham von Kinder-schändenden Pfaffen erwarten. "In den Psychiatrien sitzen Leute für weniger." Das war nochmal Hagen Rether.

  • HR
    H. R

    Komisch dass diese Buße gerade jetzt kommt, wo das doch vor lauer Schreckensmeldungen aus Japan und Libyen niemand so recht mitbekommt. Hm... bestimmt nur ein Zufall, so berechnend ist doch die grundanständigen Menschen der katholischen Kirche nicht!

  • JP
    jean paul moreau

    Bußakt, das gute alte ß hat viel mehr charme, außerdem ist es hier völlig deplatziert, raubt dem Wort förmlich seinen Klang