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Burka-Verbot in FrankreichHaftstrafen und Bürgerkunde

Die französische Nationalversammlung hat einem Gesetzesentwurf zugestimmt, der die Vermummung in der Öffentlichkeit generell verbietet - außer bei Kälte und Karneval.

Niqab tragende Frau in Marseille. Bild: ap

PARIS taz | Mit einer großen Mehrheit von 335 von insgesamt 577 Stimmen und nur einer Gegenstimme haben am Dienstag die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung die seit Wochen diskutierte und umstrittene Vorlage für ein Vermummungsverbot verabschiedet. Die Fraktionen der linken Oppositionsparteien hatten im Voraus angekündigt, dass sie nicht an der Abstimmung teilnehmen würden.

In diesem von der Regierung ausgearbeiteten Gesetzestext ist weder von Schleier, noch von Niqab oder Burka die Rede. Verboten soll es inskünftig sein, aus welchen Beweggründen auch immer, in der Öffentlichkeit das Antlitz total zu verhüllen. Ausgenommen davon sind Motorradhelm, Verkleidung bei Karnevalsanlässen, berufliche Schutzmaßnahmen oder Vorkehrungen bei außerordentlicher Kälte.

Bei Zuwiderhandlung drohen laut dem Gesetz 150 Euro Geldbuße. Dieses sieht aber auch vor, dass an Stelle dieser Sanktion ein Bürgerkunde-Kurs absolviert werden kann, in dem namentlich über die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau sowie über die Trennung von Religion und Staat in der französischen Republik informiert werden soll.

Viel härtere Strafen drohen den Männern, die beispielsweise ihre Gattin, Tochter oder Schwester zwingen, sich in der Öffentlichkeit völlig zu verschleiern. Falls diese Nötigung bewiesen werden kann, droht eine Höchststrafe von zwölf Monaten Haft und bis zu 30.000 Euro Geldstrafe. Falls es sich um minderjährige Mädchen handelt, die gegen ihren Willen einen Schleier tragen, kann die Strafe auf Antrags sogar verdoppelt werden.

Die Opposition hatte - gestützt auf zwei Gutachten des obersten Verwaltungsgerichts - Zweifel an der Vereinbarkeit mit der Verfassung geäußert. Um solche Bedenken auszuräumen hat der Fraktionschef der Regierungspartei versprochen, er werde das Gesetz nach seiner Verabschiedung von den Verfassungsrichtern überprüfen lassen.

Die Annahme in der Nationalversammlung stellt ohnehin nur die erste Hürde dar. Anschließend muss die Vorlage noch vom Senat debattiert werden. Nach Belgien wäre Frankreich dann das zweite Land in Europa, das mit einem gesetzlichen Verbot die dem Phänomen der integralen Verschleierung begegnen will.

Laut dem Innenministerium in Paris soll es rund 2.000 mit Niqab oder Burka verhüllte Musliminnen geben. Bereits vor dem „Burka-Gesetz“ hatte kürzlich bei Nantes eine Autofahrerin einen Strafzettel bekommen, weil sie nach Ansicht der Verkehrshüter von ihrem Schleier beim ungestörten Lenken des Fahrzeugs gehindert gewesen sei.

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22 Kommentare

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  • Z
    zombie1969

    Falls es diesen religiösen Extremisten nicht gefällt dass man sich in Europa gegenseitig in das Gesicht schaut, können sie jederzeit freiwillig und ohne jedes Hindernis in ein Land ausreisen die ihren kruden Gepflogenheiten Rechnung tragen. Sie müssen dann aber damit rechnen dass dort kein Sozialhilfegeld fliesst wie in F und die freie Meinungsäusserung - besonders für Frauen - massiv eingeschränkt ist. Somit dürfte man sich in F eher darauf einstellen dass diese Extremisten einem noch lange erhalten bleiben, inklusive der Kosten.

  • T
    TOM

    Nassauer: Wenn jemand mit nem Kartoffelsack laufen möchte, glaube ich ist seine Freiheit das zu dürfen höher zu bewerten als dein Asthetisches Empfinden. Nicht jeder möchte dir vielleicht gefallen im Rock und Top? Schonmal daran gedacht? Vielleicht gerade damit sie dir nicht gefallen diese Verschleierung? Nicht jede Frau möchte nunmal begafft und bewertet werden nach Ihrem äußeren. Davor sollte man auch Respekt haben. Gerade in einer Gesellschaft wo es nur noch um Äußerlichkeiten geht zumeist.

     

    Auf der Love Parade oben ohne rumrennen, als Müllmänner verkleidet hüpfen mit Wasserpistolen und in Buschkleidung ist wohl für viele auch super. Aber wehe jemand ist nicht freizügig, dann muss man die Person dazu zwingen

  • T
    TOM

    Eva: Hättest du dann was dagegen, wenn man dir das Kopftuch als nächstes verbietet und jemand dann sagt: Als nichtkopftuchtragende Muslima, habe ich nichts dagegen

     

    Man muss immer überlegen ob man nicht als nächster dran ist und ob dann andere für einen auch einstehen oder das sagen, was du leider sagst im Grunde:"Geht mich ja nix an"

     

    Mit dem wichtigeren hast du natürlich recht

  • N
    Nassauer

    Man muss auch mal Mut zur Intoleranz haben, wenn es um Dinge geht, die unserer freiheitlichen Werteordnung so diametral gegenüberstehen. Ich jedenfalls nehme es nicht als tolerierbare "kulturelle Eigenheit" hin, dass Frauen als wandelnde Säcke herumlaufen müssen. Und das Argument der Islam-Appeaser hier, dass die Frauen dann in den Häusern bleiben, erinnert mich an eine Geiselnahme: Nur alle Forderungen der Erpressers erfüllen, damit er den Geiseln (den Frauen) nicht noch Schlimmeres antut. Wer so argumentiert, betreibt das Spiel der Islamisten!

  • KB
    karin bryant

    ..dann werden Frauen das Haus nicht mehr verlassen...was fuer ein Unsinn. Denn das wuerde ja bedeuten dass der Mann dann den EInkaufen machen muss und das Eingekaufte nach Hause schleppen muss anstatt ,wie jetzt gesehen, die Frau den Packesel macht waehrend er voran geht mit seiner Gebetskette spielt.

     

    Diese Ganzkoeperverschleierung muss in ganz Europa verboten sein.

  • E
    Eva

    ALs kopftuchtragende Muslima habe ich nichts gegen ein Verbot der Verschleierung des Gesichtes. Es ist religiös nicht zwingend vorgeschrieben. Außerdem ist es doch immer eine peinliche Situation bei Behörden wenn Mitarbeiter die Identität einer Person nur durch Rätselraten feststellen können. Allerdings glaube ich auch, das es wichtigeres auf der politischen Agenda aller Länder gibt, als ein paar hundert Frauen und ihre Kleidung!

  • S
    Stella

    Auch ich empfinde dieses Gesetz als rein populistische anti-islamische Hetze. Von den wenigen europäischen Burka-Trägerinnen sind wahrscheinlich die Hälfte Touristinnen aus arabischen Ländern.

     

    Außerdem gibt es nicht in unserem Land schon ein Vermummungsverbot ? Also warum dann ein neues Gesetz ?

     

    Es werden immer neue Schikanen und Verordnungen gegen Muslime erlassen. Psychologisch gesehen wird dadurch deren Glaubensgemeinschaft eher geschwächt als gestärkt.

    Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man über so viel Dummheit der Politiker darüber lachen.

  • T
    TOM

    Hans Lotus: Freiheit für Frauen indem man Ihnen die Freiheit der eigenen Entscheidung nimmt und sie zwingt etwas abzulegen? Komische definition von Freiheit. Ich dachte sie betrifft einen selber und nicht denjenigen der damit nichts zu tun hat. Heißt übersetzt: Die Frau ist also freier, weil du freier von der Frau mit Burka dich fühlst? Nochmal kurz nachdenken über WESSEN Freiheit du eigentlich redest

  • HL
    Hans Lotus

    @brainfucker:

     

    ... und mit Aufklärung und Freiheit der geknechteten Frauen endet es.

  • S
    Sturm

    Der Gesetzentwurf ist meiner Ansicht nach voellig daneben.

     

    Es geht hauptsaechlich darum, sich als "aufgeklaert" und "fortschrittlich" zu inszenieren und klarzustellen dass die Einwanderer dies nicht sind.

     

    Von daher betrifft das Gesetz nicht nur die paar religioesen Eiferer, die glauben, dass der Koran dies vorschreibt.

  • C
    cma

    Ich frage mich immer wenn ich solche Menschen sehe was die eigentlich in Europa wollen. Wenn ich in ein Land auswandere würde ich versuche mich der Kultur anzunähern um alle Vorteile für mich nutzen zu können. Diese Leute haben keinerlei interesse sich in Europa einzubringen da dürfen sie sich nicht wundern wenn eine weitere ausgrenzung stattfindet.

    Wenn sie ihre Traditionen ausleben wollen dann doch bitte dort wo sie hergekommen sind.

  • N
    nbsdg

    burka und nikab sind erst seit ca 5 jahren im gespräch obwohl es schon seit längerem in deutschland zu sehen ist. aber is ja klar der moslem muss ja schliesslich auf allen ebenen dämonisiert werden!

     

    ein generelles verbot wird höchstwahrscheinlich zur folge haben, dass die einigen wenigen frauen die überhaupt eine burka tragen erst recht von der aussenwelt abgeschnitten, sozusagen desintergriert werden. da dieses gesetz im kern rassistisch bzw einseitig religionsdiskriminierend ist, wird es den extremistischen strömungen im islam noch mehr zuwachs geben. man kann jemanden nicht eines besser belehren wenn man ihn permanent kritisiert und sich bzw seine eigenen werte selbstherrlich als etwas besseres darstellt, obwohl eben diese mit einer perversen doppelmoral gelebt werden.

    durch solche massnahmen wird die muslemische glaubensgemeinschaft stärker zusammenrücken. zwecks bewahrung ihrer kulturellen und religiösen identität wird sich dann ein immer konservativerer islam durchsetzen und die vielen verschiedenen, teilweise sehr fortschrittlichen und kritischen, strömungen innerhalb des islam werden versiegen.

    das im großteil der moslemischen welt sowieso keine burka und nikba gertragen wird ist in westlichen medien auch keiner rede wert. natürlich gibt es immer ausnahmen aber die bestätigen bekanntlich die regel.

     

    an dieser stelle möchte ich nochmal sagen dass das wort islamismus das erste wort dieser art ist welches eine ganze religion pauschal als etwas gewalttätiges, schlechtes darstellt. oder wie wird es genannt wenn die ira kämpft oder in den usa christen milizen anschläge auf polizisten planen oder dörfer in afrika überfallen. oder jüdische siedler jagd auf palästinensische bürger machen. na wer weiß wie solche vorfälle bezeichnet werden? bedaurliche einzelfälle oder amoklauf oder zusammenstoß, etc. nur bei muslimen ist es immer terrorismus, immer!

     

    ausserdem frage ich mich wer hier die religiösen extremisten sind, wenn wir einem zutiefst christlichen land in einen 'kreuzzug gegen das böse' folgen um unsere werte zu verteidigen (welche eigentlich?) in einem krieg den wir begonnen haben. verteidigung ist etwas anderes...

  • E
    Ernst

    @Hunx ("Keine Toleranz der Intoleranz!"): Also auch gegenüber dir und deinen Sprüchen nicht?!

  • S
    Sebastian

    Hoffentlich wirds hier in Zukunft richtig heiß, wäre zu lustig wenn die ganzen Saunen umkippen würden^^

  • A
    atypixx

    Von Frankreich kann Deutschland nicht nur in Sachen Demonstrationskultur lernen. Aber "wir" haben ja eine ganz andere Leidensfähigkeit ;-)

  • PW
    Peter W.

    Der Ganzkörperschleier wurde von Mohammed, einem Mann, erfunden um Frauen mithilfe einer religiösen Vorschrift vom gesellschaftlichen Leben fernzuhalten.

     

    Warum also gibt es nicht mehr FeministInnen und AtheistInnen die dagegen protestieren?

  • C
    Celsus

    Das Thema ist stark emotional besetzt. Gleich kommen dann die starken Geschütze der Glaubensfreiheit und der allgemeinen Freiheiten. Und trotz allem sehe ich da, dass die Frauen andere Kleidungsvorschriften als die Männer haben, für die es eben nicht einmal eine Pflicht zur Verschleierung gibt. Allenfalls sollen die Männer ihren Körper nicht all zu unbedeckt in der Öffentlichkeit zeigen.

     

    Dahinter sehe ich dann weniger religiöse Gründe als ein Symbol der streng in Schach gehaltenen Frau. Unter anderem führt dies dazu, dass diese Frauen kaum jemals durch Straftaten auffallen - im Gegensatz zu den Männern. Aber leider werden die auch in ihrem Leben so leicht nicht glücklich. Mit dem Verschleierungsverbot fürchte ich, werden die sich jetzt noch weniger außer Hauses bewegen dürfen. Andererseits habe ich Verständnis, dass eine Verschleierung von der französischen Öffentlichkeit nicht gewünscht wird.

     

    Das Problem wird meines Erachtens aber eher durch aktive und hartnäckige Einbeziehung aller Moslems in das soziale Geschehen gelöst. In Frankreich freilich sind schon die meisten Moslems an sich gut integriert und denen sind dann tief verschleierte Frauen oft ebenfalls ein Dorn im Auge.

  • H
    Hunx

    Viva la France!

     

    Hoffentlich werden andere Länder bald folgen. Wer für Demokratie und Meinungsfreiheit ist, der muss Extremismus und seine Symbole bekämpfen.

     

    Keine Toleranz der Intoleranz!

  • P
    Paula

    Als würde es hier um die Frauen gehen!

    Im Gegenteil, das Leid der Frauen wird doch von Sarkozy und Co nur benutzt, um populistische rassistische Hetze zu betreiben. Was mit den Frauen passiert ist ihnen doch völlig egal! Und jeder der denkt, dass den Frauen damit geholfen wird, sollte sich gedanken machen, was die Folgen eines solchen Verbotes ist.

    Die Frauen werden einfach nicht mehr das Haus verlassen und völlig von der Gesellschaft isoliert! Ein Armutszeugnis für unsere Demokratie!

  • J
    Jottka

    Dieses Strohfeuerthema ist unerträglich. Fünf Minuten Internetrecherche reichen aus, dahinter zu kommen, dass es in Frankreich mit seiner größten musl. Gemeinde der EU laut Schätzungen des fr. Inlandsgeheimdienstes zwischen 350 und 2.000 Burqa/Niqab-Trägerinnen hat.

    Insgesamt beschäftigen sich also sicher mehr Personen mit diesem Gesetz zur Rettung der abendländischen „Kultur“ als es überhaupt Betroffene gibt.

  • B
    brainfucker

    mit einem burkaverbot fängt es an...

  • O
    Olaf

    Na dann verbietet doch einfach gleich sämtliche Religionen. Als hätten wir keine anderen Probleme.