Bunte Bilder aus der Szene

Schwule gucken zwar viel fern, aber trotzdem scheiterte jeder Versuch für eine eigene Sendung. Nun soll es eine geben  ■ Von Jakob Michelsen

Lang ist es her, daß der Bieder- Schwule Carsten Flöter alias Georg Uecker in der „Lindenstraße“ mit einem Männerkuß für Aufregung auf den LeserInnenbriefseiten sorgte. Die ARD gestattete fortan nur noch dezent angedeutete Zärtlichkeiten, was dem Trend zum Quoten-Homo aber keinen Abbruch tat. Jede bessere Soap hält sich ihr Homopaar, und bei Bärbel Schäfer oder Hans Meiser exhibitionierten sich auch problembeladene Ledertucken und lesbische Mütter. Homos sind immer noch exotisch genug, um Interesse zu wecken, aber abschreckend auf Normalo-ZuschauerInnen wirken sie kaum noch.

Da lag es nahe, daß die Firma CenterTV, die eine Lizenz für ein Kulturfenster bei RTL hat, das sie bislang mit Boulevard-Magazinen wie „Money Trend“ oder „Natur Trend“ oder „Snow Trend“ bestückte, auf Schwule kam, als sie nach neuen Themen suchte. Es traf sich, daß bei Alfred Bioleks Produktionsfirma „Pro“ seit fünf Jahren ein passendes Projekt auf Eis lag. Am 22. Februar um 23 Uhr soll die Pilotsendung des ersten bundesweiten Schwulenmagazins „Anders Trend“ ausgestrahlt werden, vergangene Woche wurde sie vorgestellt. Moderieren wird „Lindenstraßen“-Carsten Georg Uecker.

Redaktionsleiter ist David Wilms, der bereits 1991 zusammen mit Rosa von Praunheim „Schrill, Schräg, Schwul“ initiierte, das erste deutsche schwule Fernsehmagazin überhaupt – im Berliner Minisender FAB. Rezept: ein bißchen Kultur, Show, Szene-Tips, Safer-Sex-Hinweise und anschließend Talk mit Praunheim. Der Titel wurde bald in das bravere „Andersrum“ geändert. RTL guckte interessiert zu und verhandelte mit Wilms und Praunheim über eine bundesweite Ausstrahlung. Die Gespräche platzten, als der Filmemacher öffentlich ankündigte, gleich in der ersten Sendung schwule Politiker outen zu wollen, und dem Kölner Sender nachsagte, dieser würde auch ein Neonazi- Programm akzeptieren, wenn es sich rechnete.

„Andersrum“ wurde eine der erfolgreichsten FAB-Sendungen. Dennoch war dem Sender immer etwas mulmig. Erst verbannte er die Homos auf spätabendliche Sendeplätze, 1993 wurde die Show ganz eingestellt. Schwules Fernsehen gibt es seither nur noch von Hobby-Fernsehmachern in diversen offenen Kanälen.

David Wilms und „Pro“ gingen jahrelang mit dem Magazin-Konzept bei Sendern hausieren. Alle winkten ab. Wilms: „Die Öffentlich-Rechtlichen sind konservativer, als man denkt, und den Privaten erschien ein ,Minderheitenprogramm‘ nicht quoten- und werbeträchtig genug.“ „Max und Moritz“, einem ähnlichen Projekt der Produktionsfirma SchwarzkopffTV, erging es ebenso.

Inzwischen sind jedoch die Zeiten vorbei, wo das Zeigen von Schwulen und Lesben als solches bereits ein Wagnis war. Homosexualität hat längst ihren festen Platz unter den Human-touch- und Lifestyle-Themen. Und so dürfen nun Uecker und Wilms im RTL- Fenster „Schwules aus schwuler Sicht“ zeigen. Die Einbeziehung von Lesbenthemen wurde diskutiert. Aber laut Wilms fand man es „zu schwierig, in einer halbstündigen Sendung alle gleich stark zu präsentieren“.

Doch als alleinige Zielgruppe wäre die Homo-Gemeinde nicht lukrativ. So rechnet CenterTV- Chef André Zalbertus „fest auch mit der Neugier der Heterosexuellen“. Denn wenn auch der RTL- Platz nicht direkt an Quoten gebunden ist, da ein Teil der RTL- Werbegelder automatisch CenterTV zufließt, entscheiden letztlich doch ZuschauerInnenzahlen, ob „Anders Trend“, wie die MacherInnen hoffen, einmal als Wochenmagazin in Serie geht. So wundert nicht, daß man nicht allzu provokativ sein will. Vor allem, sagt Wilms, wolle er „die ganze Bandbreite schwulen Lebens“ zeigen, „ohne sie zu bewerten“, und auch gern emotionalisierend sein.

Die Pilotsendung ist denn auch risikoarm konzipiert: Die meisten Themen sind bereits kreuz und quer durch hetero- und homosexuelle Medien gegangen. Coming- out (Uecker erzählt von dem seinigen), schwule Sportvereine (wir sehen die „Heavy Teddies“ beim Bowlen) oder Homosexuelle in den Medien (Biolek bekennt sich wieder). Die Ausschnitte, die man vergangene Woche vorzeigte, waren nicht sehr aussagekräftig.

Wollte man wirklich schwule Themen ins Magazinfernsehen bringen, müßte man aber Aspekte jenseits einer aus vielen bunten Smarties bestehenden gay community zeigend, welche am Ende doch erstaunlich homogen aussieht. Doch in Zeiten, da das unverbindliche Multikulti-Weltbild der „Lindenstraße“ dominiert, ist Schwulsein für sich genommen längst nichts Politisches mehr.