Bundeswehr sucht Anerkennung: Ein Kampf mit Symbolen
Gelöbnis, Ehrenmal und Orden - die Bundeswehr ringt um Identität und Anerkennung. Eine "Öffnung" zur zivilen Gesellschaft aber geht anders.
BERLIN taz Drei aktuelle Nachrichten von der Bundeswehr: 1.) Die Bundeswehr wird am Sonntag ihre neuen Rekruten nicht auf dem Hof des Ministeriums, sondern auf der Wiese vorm Reichstag vereidigen. 2.) Die Bundeswehr wird ihren Gefallenen auf dem Ministeriums-Hof ein Ehrenmal bauen. 3.) Die Bundeswehr wird einen neuen Tapferkeitsorden einführen.
Einen Kampf mit Symbolen führt die Bundeswehr - um Anerkennung bei der Zivilgesellschaft. Bundespräsident Horst Köhler attestiert der Bundesbevölkerung ein - allerdings bedauerliches - "freundliches Desinteresse" an ihrer Wehr, doch für viele Soldaten ist das noch Beschönigung: Dass der Afghanistaneinsatz vom Wahlvolk abgelehnt wird, nehmen sie persönlich. "Man kann da machen was man will, hier hauen alle immer nur drauf", sagt ein Unteroffizier, der gerade in Afghanistan war.
"Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen."
So bekennen sich wehrpflichtige Soldaten in der Bundeswehr zu ihrer Grundpflicht als Soldat. Das Feierliche Gelöbnis ist durch das Soldatengesetz geregelt und findet während der Grundausbildung statt. Eine Pflichtveranstaltung ist es nicht; weigert sich ein Wehrpflichtiger,wird er lediglich von zukünftigen Beförderungen ausgeschlossen. Wenn in der Bundeswehr der Eid in öffentlichen Zeremonien abgelegt wird, ruft das regelmäßig Demonstranten auf den Plan. Bei dem berühmtesten öffentlichen Gelöbnis im Bremer Weserstadion am 6. Mai 1980 schlugen die Proteste in schwere Krawalle mit 260 Verletzen um.
Nach tagelangem Streit hat das Berzirksamt Berlin-Mitte dieser Tage das Gelöbnis am 20. Juli vor dem Reichstag genehmigt. Normalerweise findet die Zeremonie, die regelmäßig von mehreren tausend Gästen besucht wird, am Bendlerblock statt. Dort wurden nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 die Verschwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg hingerichtet. In diesem Jahr steht da aber eine Baustelle, weswegen der Reichstag als Ort für das Gelöbnis ins Gespräch kam. Obwohl auch hier Proteste aus der Bevölkerung laut wurden, erlaubte das Bezirksamt die Bundeswehr-Zeremonie vor symbolträchtiger Kulisse schließlich doch.
Die Politiker fast aller Parlamentsparteien steuern gegen: Wenn schon keinen Jubel, so gibts demnächst doch wenigstens neue Orden. Das Datum 20. Juli für das öffentliche Gelöbnis betont schon seit 1999, dass die Bundeswehr sich in die Tradition der Hitler-Attentäter stellt. Das Gelöbnis nun vorm Reichstag soll die Nähe zu Parlament und Volk unterstreichen - hat freilich auch den Hintergrund, dass auf dem Hof des Bendlerblocks schon eine Baustelle präpariert wird - für das Ehrenmal.
"Die Bundeswehr sucht nach einer neuen Identität", erklärt der Freiburger Militärhistoriker Wolfram Wette, "und sie sucht sie in Traditionen und Zeremoniell." Gelöbnisse auf dem Reichstagsrasen, Denkmäler und Orden seien jedoch ein ganz falsches Mittel, das Verhältnis zur Gesellschaft neu zu definieren. Die proklamierte Öffnung zur zivilen Gesellschaft hin sei dabei nur ein Versuch, die "neue Normalität" der Auslandseinsätze seit den 1990er Jahren zu legitimieren, ohne die neue Militarisierung beim Namen zu nennen.
"Man klaut beim Pazifismus das Vokabular", sagt Wette - Stichworte "Friedenseinsätze" und "Friedenssicherung". Doch werde so nur verschleiert, dass es einen Widerspruch gebe zwischen der Friedwilligkeit, zu der die Deutschen seit 1945 erzogen wurden, und dem Willen der Bundesregierungen seit 1990, die alte Politik der Zurückhaltung aufzugeben. Statt einer offenen Diskussion über die "Gefahren, die im Übergang von eher polizeilichen Aufgaben zu veritablen Kriegseinsätzen drohen", böten Bundeswehr und Regierung nun "bloß rückwärtsgewandte Symbolik".
So harsch sieht es der Verteidigungsexperte der Grünen, Winfried Nachtwei, nicht. Es gebe "echte Tendenzen zur Öffnung" der Bundeswehr zur Zivilgesellschaft, sagt Nachtwei. Die Offiziere zeigten ein größeres Interesse an ziviler Krisenprävention, an Zusammenarbeit mit Welthungerhilfe und Co, als mancher Beamter aus dem Auswärtigen Amt.
Und doch stellt auch Nachtwei "Anhaltspunkte" dafür fest, dass die Bundeswehr zwar einen Tapferkeitsorden will, Zivilcourage intern jedoch nicht billigt. Die "Bürger in Uniform", die am Sonntag vorm Parlament stehen, würden für Bürgertugenden eher bestraft. So habe es mehrere Fälle gegeben, in denen Afghanistan-Rückkehrer nicht auf Diskussionspodien auftreten durften: "Maulkorb", sagt Nachtwei.
Er verweist auch auf den Fall vor einem Jahr, als der Chefredakteur des Bundeswehrmagazins "aktuell" in einem Editorial den Papst kritisiert hatte und prompt seinen Posten verlor. Nicht zuletzt weise der jährliche Bericht des Wehrbeauftragten Reinhold Robbe ein steigende Zahl anonymer Eingaben auf. Der Wehrbeauftragte selbst moniert im Bericht, dass Vorgesetzte verlangten, Soldaten sollten ihre Eingaben zunächst mit ihnen besprechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus