Bundeswehr setzt auf Tierexperimente: Versuche mit der Maus
Immer mehr Forscher:innen verzichten auf Tierversuche – nicht jedoch die Bundeswehr. Ein Verein von Ärzten will geplante Experimente stoppen.
Ziel: ein möglicher Ersatz für Blutkonserven. Dieser soll an 245 Mäusen getestet werden. Weitere 798 Mäusen sollen für „experimentelle Stammzell-Therapien zum Gewebeersatz bei schweren Verletzungen der Haut“ genutzt werden. Hier werden den Tieren Hautverletzungen zugefügt, an denen dann geforscht werden soll. Einsatz könne das später etwa bei Hautverbrennungen finden, sagte der Sprecher. Die zwei Forschungsvorhaben sind bereits genehmigt, werden momentan von der Bundeswehr vorbereitet und sollen im dritten Quartal oder gegen Ende dieses Jahres an externe Forschungsnehmer beauftragt werden. Wen sie beauftragen, will die Bundeswehr zunächst nicht verraten.
„Tierversuche zur Entwicklung oder Erprobung von Waffen, Munition und dazugehörigem Gerät sind verboten“, heißt es im Tierschutzgesetz. Als Zweck für die Versuchsreihen gibt die Bundeswehr „Vorbeugen, Erkennen oder Behandeln von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder körperlichen Beschwerden“ an. Der Schweregrad der Versuche wird als „mittel“ beziehungsweise „mittel bis schwer“ eingestuft.
Der Verein Ärzte gegen Tierversuche will diese Versuche mit einer nun angelaufenen Kampagne noch stoppen. „Tierversuche sind wissenschaftlich und ethisch sinnlos“, kritisiert Julia Radzwill, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Vereins. 90 Prozent der Medikamente, die bei Tieren funktionieren, würden dann nicht für den Menschen zugelassen. „Das ist eine sehr schlechte Quote“, sagt Radzwill.
Unnötiges Leid
Auch das Immunsystem und die Beschaffenheit der Haut sei bei Nagern völlig anders als beim Menschen. Letztlich könne das auch eine Gefahr für den Menschen sein: „Es ist fahrlässig, an Tieren zu forschen und dann Rückschlüsse auf den Menschen zu ziehen, da die Ergebnisse so unsicher sind.“ Humanbasierte Methoden seien die bessere Alternative. Aber die seien oft noch nicht so weitläufig in der Anwendung. Abläufe in den Laboren zu ändern, koste Zeit. Bei der Pharmaindustrie sieht Radzwill ein wenig mehr Willen umzudenken.
Tierversuche würden nur durchgeführt, wenn es für die Ausbildung und/oder Forschung absolut unvermeidlich sei, so der Sprecher des Verteidigungsministeriums: „Um unseren Soldatinnen und Soldaten – aber auch der Zivilbevölkerung – im In- und Ausland größtmöglichen Schutz zukommen zu lassen“, werde in der Bundeswehr Forschung betrieben. Außerdem seien die Bundeswehrkrankenhäuser in die regionale Gesundheitsversorgung der Zivilbevölkerung integriert. Der Sanitätsdienst diene dem Schutz, Erhalt und der Wiederherstellung der Gesundheit der Soldat*innen und ziviler Patient*innen. Die Bundeswehr erbringe alle dazu notwendigen medizinischen, zahn- und veterinärmedizinischen, pharmazeutischen und lebensmittelchemischen Maßnahmen sowie Leistungen, sagte der Sprecher. Führt die Bundeswehr Tierversuche intern durch, läuft die Genehmigung über die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium, bei extern in Auftrag gegebenen Versuchen über die zuständigen Behörden der Länder.
Mehr als 7.500 Tierversuche
Zwar seien in den letzten 20 Jahren die Tierversuche bei der Bundeswehr reduziert worden, so Radzwill, es würden jedoch nur interne Versuchstiere genau erfasst. „Aufträge, die von der Bundeswehr an externe Forschungseinrichtungen gegeben werden, werden nicht der Bundeswehr zugerechnet, sondern dem Bundesland“, kritisiert sie die Intransparenz.
Dank einer kleinen Anfrage der Linken an die Bundesregierung von Anfang des Jahres liegen nun Zahlen vor. Aus der Antwort der Bundesregierung geht hervor, dass die Bundeswehr in den letzten 20 Jahren mehr als 7.500 Tiere in internen Versuchen verwendete. Der Großteil waren Ratten und Mäuse. Darunter auch 144 Hunde, 630 Meerschweinchen sowie mehr als 300 Großtiere wie Schafe, Ziegen und Pferde. Externe Einrichtungen verbrauchten im Auftrag der Bundeswehr weitere mehrere Tausend Tiere. Der Schweregrad dieser Tierversuche reicht dabei von geringgradig – etwa Blutabnahme oder Erste Hilfe Übungen bei Diensthunden – bis hin zum Tod – etwa bei Vergiftung der Tiere durch Nervenkampfstoff.
Neben der Forschung an Tieren wird im Auftrag der Bundeswehr jährlich auch das sogenannte Life Tissue Training durchgeführt: In Lehrgänge wird an Schweinen die „Einsatzchirurgie“ geübt. Radzwill findet dies „völlig überflüssig“. Es gebe lebensechte humane Simulationsmodelle und speziell perfundierte und aufbereitete Leichen, an denen Amputationen und Operationen realistisch geübt werden könnten, sagt sie. Diese Modelle könnten über Geräte mit künstlichem Blut durchströmt und die Atmung simuliert werden. „Tiere in Narkose zu legen, an ihnen herumzuschneiden und anschließend zu töten ist nicht nur ethisch inakzeptabel, sondern kann auch gefährlich sein“, kritisiert sie. „Die menschliche Anatomie unterscheidet sich von der tierischen. In Notfallsituationen kommt es aber darauf an, bestimmte anatomische humane Orientierungspunkte sehr schnell zu erkennen – fatal, wenn in einem falschen System gelernt wurde.“
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