Bundeswehr in der Türkei: „Zwei völlig verschiedene Kulturen“
Nach Zwischenfällen mit den in einer türkischen Kaserne stationierten Soldaten, melden sich nun Verteidigungsminister, Wehrbeauftragter und SPD-Vorsitzender zu Wort.
BERLIN afp | Der Bundeswehr-Einsatz in der Türkei wird nach Einschätzung des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) von Spannungen begleitet. Die Zusammenarbeit mit türkischen Soldaten werde von deutscher Seite „überwiegend als problematisch empfunden“, schrieb Königshaus in einem am Samstag bekannt gewordenen Bericht an den Verteidigungsausschuss des Bundestags. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bestätigte „gewisse Probleme“.
Königshaus hatte die seit gut einem Monat im osttürkischen Kahramanmaras stationierten Bundeswehreinheiten vom 22. bis zum 24. Februar besucht, die im Rahmen eines NATO-Einsatzes die Türkei vor einem möglichen Angriff aus Syrien schützen sollen. In seinem Bericht, der der Nachrichtenagentur AFP vorlag, bezeichnete er die Zusammenarbeit der beiden NATO-Partner als „problembehaftet“. Die Bundeswehrsoldaten empfänden die türkische Seite als „wenig hilfreich“.
Der Wehrbeauftragte beschreibt unter anderem einen Vorfall am Rande des Besuchs von de Maizière vor einer Woche, der seiner Auffassung nach „symptomatisch“ erscheint. Demnach stoppte eine deutsche Feldjägerin das Fahrzeug eines türkischen Generals, um die Durchfahrt der Ministerkolonne zu ermöglichen. Der General sei ausgestiegen und habe mehrere deutsche Soldaten beiseite geschubst, darunter die Feldjägerin. Sie habe anschließend über Prellungen geklagt.
Königshaus führt in seinem Bericht zahlreiche Missstände auf. So sehe die türkischen Armee den Kontakt zu deutschen Soldaten „offenbar ungern“. Türkische Soldaten, die dennoch Kontakt mit deutschen Soldaten aufnähmen, würden durch ihre Vorgesetzten „gemaßregelt“. Zudem habe die türkische Seite gefordert, in der Kaserne die deutsche Flagge und die deutschen Ortsschilder von Standorten der Heimatverbände zu entfernen.
Erhebliche Beanstandungen
Auch von mangelnden hygienischen Zuständen ist in dem Bericht des Wehrbeauftragten die Rede. Die Besichtigung eines Gebäudes, in dem Teile des Stabs untergebracht seien, habe „erhebliche Beanstandungen“ ergeben. Der Boden sei mit Schlamm verschmiert gewesen. Zudem seien die Toilettenschüsseln „außen wie innen mit Kot und Urin verdreckt“ gewesen. Die meisten Toiletten verfügten nicht über eine Wasserspülung.
„Natürlich habe auch ich bei meinem Besuch in der Türkei gewisse Probleme wahrgenommen, obwohl ich eher die Schokoladenseite gezeigt bekomme“, sagte de Maizière der Bild am Sonntag. Er hatte das Kontingent am Samstag vor einer Woche besucht. Es müsse aber beachtet werden, „dass die Traditionen unterschiedlich sind“, ergänzte de Maizière.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte am Samstag am Rande einer Veranstaltung in Berlin, die Zwischenfälle seien „nicht vertretbar“. Es gehe darum, die Vorfälle aufzuklären und die Bedingungen Schritt für Schritt zu verbessern. Gabriel hatte diese Woche die Bundeswehrsoldaten im osttürkischen Kahramanmaras besucht, die dort in einer Kaserne mit türkischen Soldaten untergebracht sind. „Da treffen zwei völlig verschiedene Kulturen aufeinander“, sagte Gabriel.
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