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Bundeswehr in Afghanistan"Wir können sie nur verdrängen"

Der deutsche Kommandeur in Kundus spricht über die Aufständischen, militärische Erfolge und Einsatzperspektiven. Sein Hauptanliegen ist die Nachhaltigkeit.

Deutsche Truppenpräsenz am Hindukusch. Bild: dpa
Interview von Eric Chauvistre

taz: Herr Kuhn, in Berlin wird Ihre Truppe "Ausbildungs- und Schutzbataillon" genannt. Hier in Afghanistan hört man nur den Namen "Task Force Kunduz". Was gilt denn nun?

Lutz Kuhn: "Ausbildungs- und Schutzbataillon" ist die deutsche Bezeichnung, wir nutzen hier tatsächlich immer den englischen Begriff. Natürlich bilden wir auch aus. Und wir schützen auch. Aber wir machen auch noch viele andere Dinge, die sind in dem Namen nicht drin. "Task Force Kunduz" passt einfach besser.

Dann bleiben wir bei Task Force. Seit Juli 2011 sind Sie ihr Kommandeur. Was hat sich seitdem verändert?

Es gibt keine umwälzenden Veränderungen, aber es gibt kleine Schritte, die für mich den Erfolg zeigen. Wir haben im südlichen Chahar Darreh die Raumverantwortung an die afghanische Nationalarmee übergeben. Wir unterstützen sie noch weiter, aber immerhin ist es ein Fortschritt.

Lutz Kuhn

42, ist Oberstleutnant und seit Juli 2011 Kommandeur der Task Force Kunduz mit 650 Soldaten. Er befehligt ein Bataillon im niedersächsischen Munster.

Wird dieser von Ihnen gesehene Erfolg von Dauer sein?

Das ist in der Tat die Frage, an der wir alles messen müssen. Natürlich übergibt man jetzt die Raumverantwortung und die Verantwortung für die Sicherheit in diesem Raum an Afghanen. Aber wenn man mich jetzt fragt, ist das hundertprozentig nachhaltig, dann könnte ich nie Ja sagen. Aber es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es nachhaltig ist.

Welche Rolle spielen die sogenannten Local Security Forces, die bewaffneten Milizen außerhalb von Polizei oder Armee?

Sie spielen natürlich eine große Rolle. Allein schon aufgrund der Menge, die da ist, sind sie ein Faktor im Raum. Wenn Sie mich jetzt fragen, ob sie dieselbe Qualität haben wie die afghanischen Sicherheitskräfte, die schon länger ausgebildet sind, dann muss ich natürlich sagen: Nein, haben sie nicht. Sie haben oft noch ein mangelhaftes Verständnis von Recht und Ordnung. Das muss man noch ausbilden, ohne Frage. Sie sind ein Sicherheitsfaktor in der Region, der - ich sage es einmal so - stärkerer Dienstaufsicht bedarf, um sie in die richtige Richtung zu lenken.

Direkter Beschuss ist hier seltener geworden, aber die Sprengfallen, die sogenannten improvised explosive devices oder die IEDs, gibt es weiterhin. Wie hat sich die Gefährdung Ihrer Truppe verändert?

In der Tat, die Gefährdung der eigenen Truppe besteht größtenteils durch IEDs. Die Isaf-Truppen sind mittlerweile so gut ausgerüstet und können so gut auftreten, dass ein offener Kampf gegen unsere Kräfte nicht zweckmäßig ist für die Insurgenten. Deshalb bekämpfen sie uns mit IEDs, das kann man aus dem Hintergrund machen. Es ist ein perfider Kampf. Aber wir haben unsere Einsatzgrundsätze darauf ausgerichtet, die IEDs zu finden. Damit haben wir einigen Erfolg.

Die Stärke der Isaf-Truppen in der Luft hat hier in Kundus in zwei Jahren deutlich zugenommen - durch unbemannte Drohnen, durch Helikopter und durch US-Kampfflugzeuge …

Das spielt eine ganz große Rolle. Das ist eine unserer großen Stärken, die wir haben als Isaf. Bei jeder Operation, die wir planen, ist eine Unterstützung aus der Luft selbstverständlich.

Ist diese Dominanz in der Luft nicht eher der Grund für die Ausweitung des kontrollierten Gebiets als die Zusammenarbeit mit der afghanischen Armee?

Man kann nicht sagen, das eine ist mehr dafür verantwortlich als das andere. Sie müssen boots on the ground haben, also Kräfte, die auf dem Boden sind. Und Sie müssen natürlich auch die Kräfte in der Luft haben, die die Truppen am Boden unterstützen können. Das Ganze müssen Sie sich als System vorstellen, das ineinanderwirkt. Aber: Nur am Boden reicht nicht, Unterstützung aus der Luft ist absolut notwendig.

Ihre Zeit hier geht bald zu Ende. Welche Perspektive sehen Sie für den Einsatz?

Das ist sehr schwer. Man soll ja auch immer nur über seinen eigenen Bereich reden. Für meinen kleinen Bereich, den ich habe, kann ich sagen, das die afghanischen Sicherheitskräfte zusammen mit der Isaf ihre Einflussmöglichkeit immer weiter ausdehnen, dass die Insurgenz eigentlich im Rückzug ist. Das heißt aber nicht, dass die Aufständischen bedeutend reduziert werden. Es kann auch sein, dass wir sie nur hinausdrängen aus diesem Distrikt und dass sie dann in einem anderen Distrikt wirksam werden. Dann hätte ich das Problem bei mir gelöst, aber vielleicht ein Problem woanders geschaffen.

Und es könnte auch sein, dass sie zurückkommen?

Es könnte auch sein, dass sie zurückkommen, keine Frage. Deshalb ist es so wichtig, dass man auch den Aufständischen eine Perspektive bietet. Dieses Reintegrationsprogramm darf man in seiner Wichtigkeit wirklich nicht unterschätzen. Man muss auch Taliban eine Möglichkeit bieten, wieder in die Gesellschaft reinzukommen. Nur so wird man diese Form des Aufstands, diese Untergrundbewegung, auf Dauer bekämpfen können. Und nur so wird der Kampf nachhaltig sein.

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4 Kommentare

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  • J
    Johanna

    Apropos Fremdbestimmung: Ich habe das (gute) Interview zwei Mal gelesen, und habe festgstellt, dass aus dem Satz "Es kann auch sein, dass wir sie nur hinausdrängen aus diesem Distrikt..." den Überschrift "Wir können sie nur verdrängen" fantasiert wurde.

    Das fand der Oberstleutnant Lutz Kuhn bestimmt ganz toll, aber ich dachte zuerst, dass ich das ganze Interview vielleicht nicht verstanden habe.

  • CC
    Chris Casar

    @Josef Riga:

    Das hat nichts mit irgendeiner Dominanz zu tun.

     

    Bestimmte Begriffe sind innerhalb der NATO standardisiert, damit sich Kameraden jeder Partnernation untereinander austauschen und verständigen können.

     

    Die international gängigste Sprache ist nunmal Englisch. Daher ist das durchaus Logisch, wenn auch diese Begriffe in dieser Sprache benutzt werden.

     

    Im Einsatz zählt die einfache Verständigung, denn daran (und an der guten Ausbildung) hängen Leben!

  • C
    Chris

    @Josef Riga Was hat der Mann denn nicht verstanden? Ich lese hier ein durchaus ehrliches Interview mit einem Militär, der nun einmal im multinationalen Umfeld operiert und es gewohnt ist, eine standardtisierte Sprache zu benutzen. Ob er jetzt die Viehlzahl von Gewaltakteuren als Insurgenten, Aufständische oder sonst wie bezeichnet hat sicher keine Auswirkungen auf den Mann. Gerade in den letzten Absätzen zeigt er, wie viel er verstanden hat. Wer unsere Armee im Einsatz mit all ihren Caveats als Fremdbestimmung bezeichnet der hat erstens, die letzten Jahrzehnte der Westbindung und Mitwirkung in der Nato verschlafen und zweitens vermutlich einfach nur ein Problem mit Amerika, oder?

  • JR
    Josef Riga

    "Boots on the ground" - "Insurgents" - "Task Force" -

    wer so redet, so d e n k t, zeigt bereits im Ansatz, dass er nichts begriffen hat: Folge der Fremdbestimmung der eigenen Interessen durch die angelsächsische Dominanz.

     

    Beispiel: die Verwendung der Begriffe "Rebellion" und "Insurgency" (Aufstand). Im amerik. Englisch wird "Rebellion" positiv gesehen ( wegen der nordamerik. Rebellen gegen King George!), im Deutschen ist es negativ!!!

    "Insurgency - Aufstand" hingegen ist in Amerika negativ besetzt, im Deutschen aber p o s i t i v :

    z. B. 20.Juli - der Aufstand des Gewissens!

    So reden und denken Deutsche und Westeuropäer aneinander vorbei; und das ist moch das harmloseste, was in dieser NATO passiert!