Bundestrainerin über deutsche Tennisfrauen: "Talent für die Disziplin"
Tennis-Bundestrainerin Barbara Rittner über die jüngsten Erfolge deutscher Frauen, deren Chancen in Wimbledon und wie sehr es Tennisväter braucht.
taz: Frau Rittner, das deutsche Frauentennis ist mit Andrea Petkovic, Julia Görges und Sabine Lisicki auf einmal ganz nah dran an der Weltspitze. Wie ist es dazu gekommen?
Barbara Rittner: Ich begleite die drei, seit sie 15, 16 Jahre alt sind und habe immer an sie geglaubt. Der Vorteil dieser Generation ist, dass sie sich alle aus der Jugend kennen. Es ist ein gesunder Konkurrenzkampf zwischen den Frauen entstanden. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sabine Lisicki wieder dahin kommt, wo sie einmal stand (2009 war sie Weltranglisten-22., d. Red.), und ich glaube daran, dass wir bald drei Spielerinnen unter den besten 20 der Welt haben.
Welcher dieser drei Spielerinnen trauen Sie in Wimbledon am meisten zu?
Barbara Rittner, 38, Bundestrainerin und Chefin des deutschen Fed-Cup-Teams, spielte von 1989 bis 2005 professionell Tennis und gewann zwei Titel auf der WTA-Tour. Ihren größten Erfolg feierte sie in Wimbledon. 1991 gewann sie dort den Juniorinnentitel.
Petkovic und Görges haben den Riesenvorteil, dass sie unter den ersten 16 gesetzt sind. Ich glaube aber, dass alle drei weit kommen können.
Vor allem die Formkurve von Sabine Lisicki zeigt im Moment steil nach oben.
Sabine hat in Birmingham gespielt wie die Feuerwehr. Sie hat Daniela Hantuchova im Finale in zwei Sätzen geschlagen. Sabine muss man erst einmal besiegen. Ich bin sicher, dass die gesetzten Spielerinnen froh sind, wenn sie nicht gleich auf Sabine treffen.
Sabine Lisicki war oft verletzt. Woran lag das, und was muss sie machen, um einmal eine längere Zeit unverletzt zu überstehen?
Man hat bei ihr erst kürzlich eine Glutenunverträglichkeit diagnostiziert. Zusätzlich haben sich immer wieder kleine Verletzungen eingeschlichen. Das hat sie immer wieder zurückgeworfen. Man ist dann nie sicher vor erneuten Verletzungen, agiert einfach unbewusst vorsichtiger. Nun sind die Weichen aber gestellt, und wenn Sabine dann komplett austrainiert ist, wird es für ihre Konkurrentinnen sehr gefährlich. (lacht)
Wie kann Deutschland langfristig eine ernstzunehmende Nation im Tennis bleiben?
Im Gegensatz zu den Grand-Slam-Nationen ist die finanzielle Situation im Deutschen Tennisbund ziemlich abhängig vom aktuellen Erfolg der Spieler. Das Interesse der Medien und die damit verbundenen Einnahmen unterliegen einfach Schwankungen. Deshalb sind wir aktuell überhaupt erst in der Lage, über neue Sponsoren die Mittel für eine bessere Nachwuchsarbeit bereit zu stellen. Wie langfristig das ist, wird sehr vom anhaltenden Erfolg abhängen.
Was muss man mitbringen, um im Tennis in der Weltspitze mitspielen zu können?
Im Gegensatz zu früheren Zeiten muss man sich heute ziemlich früh für diesen Weg entscheiden, im Alter von 10, 11 Jahren - dazu gehört ein gewisses Talent. Unter Talent verstehe ich hier nicht nur das spielerische Talent, sondern auch das Talent für die Disziplin. Man muss bereit sein, hart zu arbeiten, sich zu quälen und an seine Grenzen zu gehen - und hin und wieder auch darüber hinaus.
Wie viel Zeit muss ein Mädchen dafür investieren?
Sehr viel. Es geht praktisch die komplette Freizeit drauf. Man muss lernen, zu verzichten, und gleichzeitig versuchen Freundschaften zu pflegen und sein soziales Umfeld zu halten. Das größte Problem in Deutschland ist die schulische Verpflichtung. Man reist schon in jungen Jahren viel in der Weltgeschichte herum, verpasst viele Schulstunden - wenn man denn verständnisvolle Lehrer hat - und muss auch hier mit Disziplin entsprechend nacharbeiten. Es ist ja nicht so, dass man bei einem 14-jährigen Mädchen sicher vorhersagen kann: Die schafft es.
Braucht es die ehrgeizigen Tennisväter?
Es gibt natürlich solche und solche. Für die Väter, die sehr streng sind wie etwa Papa Graf oder Papa Capriati - spricht natürlich der Erfolg. Wichtig ist aber, dass man eine gesunde Art pflegt, um die Spielerin zu trainieren, und sie nicht drillt. Eines ist klar: Alles, was die Eltern tun, machen sie vermeintlich zum Wohle ihres Kindes.
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