Bundestrainer Löw vor der Fußball-EM: Im Gleichgewicht zu scherzen bereit
Nichts, was ein Schuss Aggressivität nicht richten könnte: Bundestrainer Löw sieht der EM trotz dröger Testspiele freudig entgegen. Er sehnt den Wettbewerb herbei.
LEIPZIG taz | Jogi Löw war zu allem bereit, sogar ein Foto mit einer Junggesellen-Gang war drin. „Nu gomm, Jogi, ehn Foudo“, rief ein Glatzkopf in breitem Sächsisch. Und siehe da: Der Jogi stellte sich in Positur und lächelte gepflegt. Keine Frage, der Bundestrainer war gut drauf nach dem 2:0 gegen Israel im letzten Testspiel vor der Europameisterschaft.
Zuvor hatte er schon einen Scherz auf Kosten des etwas fülligen Pressechefs Stenger gemacht („Wo bleibt denn Harald, ist der schon zum Buffet abgebogen?“) und hatte die Pressekonferenz einfach selbst eröffnet. „Ich gehe entspannt und freudig in die (kommenden) Wettkämpfe“, sagte er.
„Wir hatten jetzt fast ein halbes Jahr nur Testspiele, das ist nicht im Sinne eines Trainers.“ Er will, dass es endlich ernst und emotional wird, er will den echten Belastungstest – und nicht so ein dröge zusammengegurktes Zweinull gegen ziemlich schwache Israelis, die nur allzu bereitwillig die Rolle des Aufbaugegners übernahmen.
Das Programm: Gelingt der deutschen Mannschaft der Triumph bei der Fußball-EM? Wie gut sind die neuen Italiener und Franzosen? Wozu sind die ambitionierten Polen und Ukrainer fähig? Bringt die EM einen Hauch Freiheit in die Ukraine oder werden wir ein Turnier unter der Knute erleben? Lesen Sie täglich Analysen, Reportagen, Kommentare und Glossen zur Europameisterschaft 2012 - in der EM-taz und auf taz.de.
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Trotzdem passte ihm dieser wenig aussagekräftige letzte Test in den Kram. Das sei eine „gute, ordentliche Abschlussprüfung“ gewesen, resümierte Löw. Nun könne man mit einer gewissen Sicherheit und einem guten Gefühl in die nächste Woche gehen, auch weil seine Mannschaft etwas munterer gespielt habe als beim 3:5 gegen die Schweiz. Die Laufbereitschaft und die Laufwege seien am Donnerstag ein bisschen besser gewesen, analysierte der Bundestrainer.
Nobel in „Oliwa“
Nach zwei freien Tagen am Wochenende reist der Tross des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am Montag nach Danzig. Etwa 30 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt bezieht er die Nobelherberge „Oliwa“. Am nächsten Samstag ist die deutsche Auswahl zum ersten Mal gefordert. Das erste EM-Vorrundenspiel gegen Portugal steht in Lemberg an. Vier Tage später kommt es im ukrainischen Charkiw zum Duell mit den Holländern. Am 17. Juni wird die Vorrunde mit einem Spiel gegen Dänemark abgeschlossen.
Die Nationalmannschaft fliegt jeweils von Danzig aus zu den Spielorten und kehrt nach Spielende gleich wieder zurück in ihre polnische Herberge an der Ostsee. Der DFB hat das Fünfsternehotel bis zum 1. Juli gebucht. An diesem Tag findet das EM-Finale in Kiew statt. So ziemlich alle Wettbüros, Fußballexperten und -fans zweifeln nicht daran, dass die deutsche Nationalmannschaft an diesem Endspiel teilnimmt.
Jogi Löw weiß natürlich, dass Portugal mehr als nur ein Sparringspartner sein wird. „Wir werden noch einen Schuss Aggressivität zulegen müssen“, sagte er. „Noch ist nicht die Frische da, das Spiel nächste Woche wird mit einem ganz anderen Tempo gespielt werden.“ Positiv sei allerdings, dass Portugal seinem Team mehr Räume lassen werde. So kommt sicherlich mehr Schwung in die Partie.
Noch nicht alles festzurren
Allerdings ist fraglich, ob das der deutschen Defensive recht sein kann. Denn man weiß nicht, was sie zu leisten imstande ist. Hält sie dicht oder ist sie so durchlässig wie die Grenzstation von zwei Schengen-Ländern? Löw fand das Auftreten der Verteidigung „strukturierter“, verteilte aber trotzdem nur die Note „zufriedenstellend“ an das Abwehrquartett, das sich diesmal aus Philipp Lahm (links), Per Mertesacker, Holger Badstuber (beide Innenverteidiger) und Jerome Boateng (rechts) zusammensetzte.
Da es sich um die EM-Generalprobe handelte, schielte natürlich jeder auf die erste Elf. Wird Löw gegen Portugal auch mit jener 4-2-3-1-Formation auflaufen, mit Mario Gomez in der Sturmspitze, im Mittelfeld mit Lukas Podolski (links), Mesut Özil (zentral) und Thomas Müller (rechts), mit den sehr offensiv agierenden Sechsern Sami Khedira und Toni Kroos sowie besagter Viererabwehrkette? „Es ging nicht darum, mit dem heutigen Spiel alles festzuzurren“, sagte Löw.
Vorstellbar ist, dass ein an der Wade genesener Bastian Schweinsteiger für Kroos hereinkommt, Miroslav Klose für Gomez stürmt oder Mats Hummels für Per Mertesacker verteidigt. Einen guten Eindruck hinterließ auch Andre Schürrle, der für Podolski eingewechselt wurde. Löw will sich erst nächste Woche entscheiden. Große Experimente wird er freilich nicht wagen, das ist nicht sein Ding.
Eines ist aber klar: Jogi Löw hat Lust auf diese EM, die seine Wettkampfinstinkte zu wecken scheint. Vor großen Turnieren sei er zwar nie völlig zufrieden, ließ er wissen, aber auch nicht in Sorge. „Ich bin im Gleichgewicht.“ Diese innere Harmonie muss er jetzt nur noch seinem Team vermitteln.
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