Bundestagswahl: Wählerbewegung in Berlin: Die Mauer bröckelt
Die Linke gewinnt im Westen dazu, die CDU in den Ostbezirken. Im Zentrum sind die Grünen stark. Die schrittweise Angleichung geht auf Kosten der SPD.
Die Stände im Westen haben sich gelohnt: Die "Linke" ist nicht mehr nur im Osten zuhause. In Westberlin bekam die Partei laut vorläufigem amtlichen Endergebnis 10,8 Prozent der Stimmen. Bei der Bundestagswahl 2005 waren es nur 7,2 Prozent.
Die Hochburg der Linkspartei bleibt aber weiterhin Ostberlin. Hier wählten 33,8 Prozent die Linke, hier wurde außer Gysi, Lötzsch und Pau diesmal sogar ein vierter Kandidat direkt gewählt: Stefan Liebich eroberte Pankow, der Bezirk ging der SPD verloren. Aber auch im Westen konnten die Linken bei ehemaliger SPD-Klientel punkten. Das Landesamt für Statistik Berlin-Brandenburg hat errechnet, dass besonders viele für die Linken gestimmt haben, wo im Westen eine überdurchschnittliche Zahl an Arbeitslosengeld-II-Beziehern wohnt. Ebenso konnte sie dort punkten, wo viele Menschen mit Migrationshintergrund wohnen. Und: Die Partei ist hier attraktiv für junge Wähler. Je jünger das Viertel, desto mehr linke Stimmen. Im Osten dagegen wird die Partei auffällig oft von Menschen gewählt, die älter als 60 Jahre und seit mindestens fünf Jahren nicht mehr umgezogen sind.
Gewinner der Wahl ist auch die CDU. Sie legte in Berlin leicht zu und erzielte 22,8 Prozent, hinkt damit aber trotzdem dem Bundesergebnis von 33,8 Prozent hinterher. Abgeräumt haben die Konservativen bei den Direktmandaten. Während 2005 nur Karl-Georg Wellmann in Steglitz-Zehlendorf direkt in den Bundestag einzog, haben das diesmal neben ihm auch die Kandidaten in Reinickendorf, in Spandau, Tempelhof-Schöneberg und in Neukölln geschafft - alles ehemalige Direktmandate der SPD. Dazu kommt: Die Konservativen konnten auch im Osten Boden gutmachen: In Pankow, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick gewann die CDU jeweils mehr als 3 Prozentpunkte dazu.
Die Misere der Sozialdemokraten zeigt sich auch in absoluten Stimmen berlinweit: Während 2005 noch 637.674 Menschen ihr Kreuz bei den Sozialdemokraten gemacht haben, bekamen sie am Sonntag nur noch 347.751 Stimmen. Und: Verloren haben sie nicht nur in Gebieten mit hohem Hartz-IV-Anteil, sondern auch bei den Jungwählern.
Eine weitere Erkenntnis des Landesamts für Statistik: Berlins Zentrum ist grün. Landesweit waren es 17,4 Prozent, in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg errang die Partei die meisten Zweitstimmen: 22,1 und 29,2 Prozent, damit liegen die Grünen hier auf Platz eins. Die Partei kann laut den Statistikern zwar auch noch in jungen Vierteln gewinnen, jedoch mittlerweile stärker in den Gebieten, in denen Menschen zwischen 30 und 60 Jahren leben - und besonders dort, wo viele Menschen zuziehen und wo wenig ALG-II-Empfänger leben. In Ostberlin hat die Partei weiterhin eine Basis bei Menschen, die konfessionell gebunden sind.
Das Ergebnis der Piratenpartei war den Statistikern eine eigene Analyse wert: Je jünger der Altersdurchschnitt eines Wahlbereichs, desto mehr Stimmen für die Piraten. Positiv für die Partei sei auch eine hohe Anzahl an Ausländern im Gebiet. In Ostberlin kam die Partei auf 4,1 Prozent, in Friedrichshain-Kreuzberg erreichten die Piraten sogar 6 Prozent.
Die Partei der Nichtwähler konnte ebenfalls einen Rekord verbuchen: 39,1 Prozent. Der statistische Zusammenhang zwischen der ALG-II-Quote eines Bezirks und verwaisten Wahllokalen ist für das Landesamt "sensationell hoch". Andererseits sind dies auch die Gebiete, in denen die Linke besonders gut abgeschnitten hat. Die Standorte der Wahlstände für 2011 können die Parteistrategen also schon planen.
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