Bundestag beschließt Grundrente: Von den Niederlanden weit entfernt
Der Bundestag hat die Grundrente beschlossen. Die Sozialdemokraten freuen sich, die anderen Parteien hadern.
Die SPD ist zufrieden mit sich selbst. Zu Beginn der überraschungsarm verlaufenden Debatte über das Konjunkturpaket hatte Olaf Scholz die Grundrente als Beispiel gelobt. Man werde den Sozialstaat in der Krise „nicht antasten, sondern ausbauen“.
Bei der Grundrente hat sich die SPD zwar nicht mit ihrem Entwurf durchgesetzt. Der hätte rund 6 Milliarden Euro gekostet und wäre 3 Millionen BürgerInnen zugute gekommen. Nun liegen die Kosten bei 1,5 Milliarden Euro, und 1,3 Millionen EmpfängerInnen werden im Schnitt wohl 75 Euro mehr im Monat bekommen. Gleichwohl, so der Rentenexperte der Linkspartei, Matthias Birkwald, habe die SPD die Totalblockade der Union aufgesprengt. „Chapeau, Herr Minister“, rief Birkwald fröhlich Richtung Regierungsbank, „Sie haben sich gegen den Wirtschaftsflügel der Union durchgesetzt.“
Die Linkspartei hat bei der Grundrente keinen einfachen Part. Sie kann als Partei, die mantraartig Rentenerhöhungen fordert, schlecht Nein sagen, Ja aber auch nicht. Deshalb enthielt sie sich. Das wirkt oft lau. Birkwald überspielte dies mit einer schwungvollen Rede, lobte einerseits, dass die Grundrente vor allem Frauen im Osten zugute komme, kritisierte anderseits, dass sich die Union bei der Einkommensprüfung durchgesetzt hatte. Das Gesetz schaffe nun „ein bürokratisches Monstrum“. Und sei von einer echten Grundrente wie in den Niederlanden, wo man 1.250 Euro bekommt, weit entfernt.
Der FDP-Rentenexperte Johannes Vogel klang passagen- und überraschenderweise ähnlich wie der Linksparteimann. Er wies auf einen Defekt der Grundrente hin: Die Altenpflegerin, die 32 Jahre Rente angerechnet bekommt, bekommt nichts. Denn Voraussetzung für den Bezug der neuen Rente sind 33 Anrechnungsjahre. Das ist ungerecht. „Die Armen gehen leer aus“, rief Vogel und traf einen richtigen Punkt: Gegen Altersarmut hilft die Grundrente nur sehr punktuell. Die FDP ist in der Rolle des Robin Hood der armen RentnerInnen aber noch gewöhnungsbedürftig.
Markus Kurth, grüner Rentenfachmann, vermutet massenhafte Enttäuschung über die Grundrente, die eben viele nicht bekommen werden. Wenn Reinigungskraft Holtkotte arbeitslos werde und keine 33 Jahre in die Rente einzahle, bekomme sie nichts. Gleiches gelte für Leute mit Erwerbsminderungsrente. In dem Modell der Grünen reichen 30 Jahre. Wenn man erst regiere, so Kurth, werden man die Grundrente in diese Richtung verändern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr