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Bundessozialgericht urteiltKein Kleidergeld für Hartz-IV-Kinder

Wachstumsschübe bei Kindern sind kein Härtefall, entschied am Dienstag das Bundessozialgericht in Kassel und wies damit die Klage einer Familie ab.

Bitte nicht gießen – sonst passen die Kleider nicht mehr. Bild: juttaschnecke/photocase

Hartz-IV-Familien können keine Extragelder beantragen, wenn ihre Kinder neue Kleidung benötigen, weil die alte zu klein geworden ist. Dies entschied am Dienstag das Bundessozialgericht (BSG). Wachstumsschübe von Kindern seien üblich und kein Härtefall, so das BSG.

Geklagt hatte eine Familie aus Nordrhein-Westfalen, die seit 2005 von Hartz-IV-Leistungen lebt. Im Sommer 2006 beantragten die Eltern für ihre beiden Kinder eine einmalige Beihilfe für neue Kinderkleidung. Das dreijährige Mädchen und der vierjährige Junge benötigten neue Hosen, Pullis, Unterwäsche und Schuhe im Wert von insgesamt 448 Euro.

Die Behörde und 2008 auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen lehnten den Antrag ab. Der Kleidungsbedarf von Kindern müsse aus der normalen Hartz-IV-Regelleistung, den das Paar für sich und die Kinder erhält, bezahlt werden.

"Das Wachstum von Kindern ist eine allgemein bekannte Tatsache", heißt es im damaligen Urteil: "Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber dies übersehen haben sollte."

Anders als früher bei der Sozialhilfe decke der Hartz-IV-Satz im Wesentlichen den gesamten Lebensbedarf ab und lasse keinen Raum mehr für die Beantragung einzelner Kleidungsstücke und Schuhe.

Die Kläger hatten sich auf einen Passus im Sozialgesetzbuch II berufen, wonach die "Erstausstattung für Bekleidung" von Kindern nicht im Regelsatz enthalten sei. Die Essener Landessozialrichter entschieden jedoch, dass damit nur die Erstausstattung mit Babywäsche nach der Geburt gemeint sei, nicht aber die Anschaffung von Kleidung nach jedem Wachstumsschub. Allenfalls die Neuanschaffung nach einem Totalverlust der Kleidung, etwa nach einem Wohnungsbrand, komme in Betracht. Im Übrigen müsse der Kauf von Kinderkleidung aus dem Hartz-IV-Satz, derzeit 215 Euro monatlich für Kleinkinder, finanziert werden.

Gegen dieses Urteil ging die Familie in Revision zum Bundessozialgericht nach Kassel. Sie berief sich dabei auch auf das neue Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerG) in Karlsruhe vom Februar. Das BVerG hatte darin entschieden, dass die Hartz-IV-Leistungen für Kinder verfassungswidrig sind, weil sei nur prozentual aus den Sätzen für Erwachsene abgeleitet wurden. Stattdessen müsse der spezifische Bedarf von Kindern in einem transparenten Verfahren festgestellt werden. Dabei müsse auch der erhöhte Kleidungsbedarf von wachsenden Kindern berücksichtigt werden, argumentierten die Kläger.

Doch damit hatten sie beim BSG (noch) keinen Erfolg. Weil Karlsruhe dem Gesetzgeber für die Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze eine Frist bis Jahresende eingeräumt hat, gälten solange die alten Regelsätze weiter.

Auch die vom Verfassungsgericht ab sofort eingeführte Härtefallregelung hielten die Kasseler Richter für unpassend. Als Härtefall gelte nur eine außergewöhnliche Belastung. "Der von den Klägern geltend gemachte Bekleidungsbedarf fällt jedoch regelmäßig bei allen Kleinkindern an und stellt deshalb keine besondere Härte dar", argumentierte der Vorsitzende BSG-Richter Peter Udsching.

In einem zweiten Urteil entschied das BSG gestern, dass es separate Beihilfen für die Kosten von schulischen Tagesausflügen von Kindern geben kann - wenn diese der Vorbereitung auf eine größere Klassenfahrt dienen.

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21 Kommentare

 / 
  • T
    TOM

    An Waltaka: Deswegen sprach ich davon das du es UNBEWUSST machst. Wollte dich nur darauf aufmerksam machen

  • A
    asd

    **an die redaktion***

    ***an alle***

     

    das problem ist doch etwas GANZ anderes!!

    der artikel sollte nicht um irgenteine "härtefallentscheidung gehen", sondern darum das familien die harz4 beziehen ÜBERHAUPTKEIN kindergeld bekommen.

    zw. sie bekommen es zwar, aber es wird von den übrigen leistungen ABGEZOGEN, so das an es auch gleich weglassen könnte.

     

    die frage die man sich nun stellen muss ist doch wiesodüerfen die armen kein uSÄTZLICHES geld für die kindererziehung bekommen, diejenigen die ohnehin schon mehr als genug für ihre lebenssicherung verdienen jedoch schon.

    jede wohlhabende familie bekommt indergeld egal ob sie es braucht oder nicht. aber hier regt man sich darüber auf das harz 4ler überhaupt kindergelt bekommen.

     

    das ist ganz plumpe propaganda und meinungsmache der medien und die unterschicht und die mittelschicht miteinander zu beschäftigen.

  • W
    WaltaKa

    @TOM. Pssssst, Tom, unter uns, Text nochmal lesen, ich kritisiere beides. Nix für Ungut.

  • T
    TOM

    An grifter: Das ist kein Klientel, das sind Menschen über die du sprichst. Mit der Sprache fängt es an!

     

    Ansonsten finde ich es interessant wie manche denken hier. Härtefallregelungen sind wohl die Skiurlaube vom Nachwuchs unserer EU Abgeordneten die von dir grifter übernommen werden.

     

    An Waltaka: Schonmal daran gedacht das ein Niedriglohner nicht aufgehetzt werden sollte gegen Menschen die noch weniger erhalten? Unbewusst machst du dasselbe Spielchen. Frag dich lieber WARUM wir so einen Niedriglohnsektor inzwischen haben und da kannst du Gift drauf nehmen das die Hartzbezieher keine Schuld daran haben was in den letzten Jahren bei uns so exorbitant eingeführt wurde. Also warum kann man nicht beides kritisieren und warum musst du es gegenüberstellen?

  • VS
    verzweifelte Schwäbin

    Jetzt lasst mal die Kirche im Dorf :

    auch unser Kinder tragen gebrauchte Klamotten und Schuhe von der Kinderartikelbörse oder von Freunden auf. Der jüngere Sohn trägt selbverständlich Pullis und Hosen seines großen Bruders.

    Unser Kleider tragen wieder die Kinder von Freundinnen und Verwandten auf , hier ( auf dem Land ) geniert sich niemand wegen Second- Hand -Kleidern.

     

    Wieso kann ein dreijähriges Mädchen nicht teilweise die Kleider seines Bruders tragen ?

    Für diese Altersklasse gibt es haufenweise gute , teiweise fast neuwertige Kinderkleider gebraucht zu kaufen .

    Bei so kleinen Kindern habe ich kein Verständnis für diese Art der Anspruchshaltung . Anders sieht es bei Pubertisten aus....

     

    Was den Regelsatz an und für sich angeht- der gehört nachgebessert.

     

    Viele Grüße die

    Schwäbin und nicht Hartz IV- Empfängerin

  • A
    Amos

    Eine außergewöhnliche Belastung ist die gesamte Regierung, die gemeinsam mit einem Vorbestraften

    Hartz IV zu verantworten hat. Also hätte man die Forderung der Familie anerkennen müssen.

  • P
    pEt

    was das verfassungsgericht erkannt hat gilt halt noch lange nicht für die unteren ebenen, besonders wenn es noch fristen gibt, dann kann ja noch gespart werden,

    und kinder müssen sich auslachen lassen weil ihre kleider zu klein sind, spätestens in der schule kommt das bewußtsein für kleidung wenn andere sich lustig machen.

    es macht ja nichts wenn die winterklamaotten vom letzten jahr nicht mehr passen, gibt ja auf ebay genug davon.

     

    in diesem staat braucht man sich nicht zu wundern wenn menschen extrem werden.

    die dummen/idioten halt rechts und die intelligenteren links

  • W
    WaltaKa

    Hartz4 ist eine Unverschämtheit, die ganze Agenda 2010 ist eine Unverschämtheit.

    Allerdings, man muß schon auch sehen, dass der Familie (nach Berichten) monatlich 1400,-€ bleiben, netto, auf die Hand. Die Wohnung ist dabei schon vom Amt bezahlt.

    So, und welchem (in einem Niedrigstlohnsektor) arbeitenden Familienvater bleibt soviel? Der muß auch die Miete selber bezahlen!

    Also, Hartz4 verbessern, gern. Mir fehlt in diesem Lande aber der Sturm der Entrüstung über diese Niedrigstlöhne für Menschen, die Vollzeit arbeiten, nur um aufs Amt betteln zu gehen, damit sie überleben können.

    Placebos, wie sie die SchröderianerPD aus der Opposition heraus vorschlägt, sind keine Lösung. Die Richtung Agenda 2010 macht die Menschen arm!

  • F
    Fawkrin

    Über die Beiträge von "Kleidergeld", "Micha" und "Rheinelbe" kann ich nur erbost sein.

    Anscheinend kennen diese Mitmenschen keine kinderreiche "Hartz-IV"-Familie persönlich.

    Anscheinend haben sich diese Mitmenschen nie Gedanken darüber gemacht, wie es ist, als Alleinerziehende®zwei bis drei Kinder groß zu ziehen. Was ist, wenn eines dieser Kinder auch noch psychisch auffällig ist, ADHS z. B.?

    Ich arbeite seit Jahren mit Familien aus dem Hartz-V-Bereich. Meist alleinerziehende Mütter und auch Väter mit auffällig gewordenen Kindern.

    Da ist das Gerede von der sozialen Hängematte für mich nur ein Indiz von der Realitätsferne diverser Zeitgenossen, die von den echten Problem keine Ahnung haben und nur dummdreist Vorurteile reproduzieren.

  • JF
    J. Fra

    Einigen Leuten scheint wohl nicht klar zu sein, dass auch ein paar Euro am Ende des Monats hilfreich sein können, um zum Beispiel was zum Essen zu kaufen. Wenn man pro Person von 26€ pro Woche lebt, wo soll man dann auch nur 6€ für Kleidung her nehmen?! Ach und plötzlich geht die Waschmaschine kaputt, man sperrt sich aus... Schlüsseldienst? Unbezahlbar! Das soll ein Leben in der sozialen Hängematte sein?

    Und selbst wenn es so genannte Sozialschmarotzer gibt, muss man sich doch einfach mal fragen: Warum gibt es diese? Was ist falsch gelaufen? Kein Mensch kommt mit so einer Gesinnung auf die Welt und niemand erträumt sich so ein Leben, was ist passiert, dass ein Mensch dazu bereit ist sich selbst so zu erniedrigen?

  • T
    Tom

    zu von wozu Kleidergeld:

     

    Hallo ich bin n Harzi und kaufe bei KIK,und leider bin ich durch Krankheit nicht erwerbsfähig. Die EU-Rente ist schon beantragt und ich sage euch das Geld reicht zum existieren aber nicht zum Leben.Darum hoffe ich auf eine allgemeine harz-erhöhung.

     

    schönes Leben dann noch,wenn ich könnte würde ich arbeiten!!!

  • G
    grifter

    Bei dieser Hartz IV Familie handelt es sich nicht um

    Arbeitslose, die auf Grund ihres Alters keine Job mehr

    bekommen. Eine junge Familie, die schon 5(!) Jahre

    Hartz IV bezieht, die will gar nicht arbeiten.

    Das Urteil ist völlig OK. Es gibt gebrauchte Kleidung

    in sehr guten Zustand bei diversen Hilfsorganisationen.

    Aber sicher nicht die gewünschten Markenklamotten. Es

    gibt genug Hilfsangebote, aber bitte nicht noch mehr

    Bargeld für diese Klientel.

  • D
    Dinki

    auch im TAZ-blog ist der Faschismus wieder salonfähig.

    Pfui - ekelhaft !!

  • R
    romeikat

    >>Für die Banken sind SIE fix für die Kinder tun sie niks>Härtefallergelung des BVG vom 9.2.2010 gehört

  • TS
    Thomas St.

    @ wozu Kleidergeld

     

    Ähm, gehts noch mit deinen Behauptungen? Harzies, wie Du ALG2-Empfänger nennst, ruhen sich also nur aus. Ist ja toll Dein eindimensionales Weltbild.

    Mein Vater ist auch in ALG2 gefangen und kommt da wahrscheinlich bis zu seiner Rente nicht mehr raus. Und er ruht sich nicht aus, sondern schiebt Wachdienst für einen verbrecherisch niedrigen Lohn. Und ja, Du kannst annehmen, dass die meisten ALG2-Empfänger in etwa genauso handeln.

    Anstatt die anzugreifen, die sich eh nicht wehren können, solltest Du mal bei denen protestieren, die Dir die ganzen Abgaben auferlegt haben. Aber es ist ja usus in Deutschland, immer nach unten zu treten...Wenn Du jetzt immer noch nicht weißt, was ich meine, kann ich Dir auch nicht helfen.

  • JK
    Juergen K

    Nachdem nach heutigen Börsenberichten die WestLB (Nordrhen-Wetfalen) 80 Mrd in eine BadBank ausgelagert hat,

     

    empfehle ich Kinder ebenfalls dahin auszulagern;

    oder besser Bundessozialgerichte.

  • C
    claudia

    >>Die Bekleidungskosten für schnell wachsende Kinder seien bereits mit der Regelleistung abgedeckt.

  • AK
    Adam Kaulborg

    Interessant welch Bilderwald aus den Köpfen einiger "Leistungsträger" sprießt. Wes Geistes Kind? Das ist kein Geheimnis.

  • WK
    wozu Kleidergeld

    Wieso kaufen Harzies nicht bei KIK? Wie wäre es wenn Harzies es sich nicht in dieser sozialen Hängematte bequem machen würden und endlich arbeiten gehen?

     

    @rheinelbe-sehr gute Idee, besonders das mit der Werbung. Aber sieht das nicht bescheuert aus-Bier inner Hand auf der Parkbank und dann Feinkost Albrecht Werbung?

  • R
    rheinelbe

    Die Lösung ist

    Kinderkleidung für den Hartz IV-Nachwuchs aus Latex.

    Da können sie dann nicht mehr herauswachsen. Das schlabbert zuerst und spannt dann später.

    Natürlich mit Werbeaufdruck (ALDI, Lidl, kik), um die Ausgaben in Grenzen zu halten.

  • M
    Micha

    Als mittelprächtig verdienender Nicht-Hart-IV-Empfänger ersteigere ich hin und wieder Kinderklamotten (Markenware) für ein paar Euro bei e-bay oder kauf diese auf dem Basar. Auch Aldi ist eine günstige Adresse, die auch von Eltern aus der Mittelschicht gerne genutzt wird. Aber einige Hartz-IV Empfänger brauchen ja unbedingt nagelneue (Marken?-)Klamotten und halten die Hand bei den Steuerzahlern auf, die sich das aufgrund hoher Abgaben nicht mehr leisten.