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■ Bundesregierung genehmigt Testpanzer-Lieferung an TürkeiDoppelt falsches Signal

Der Kanzler hat sich durchgesetzt. Joschka Fischer und Heidemarie Wieczorek-Zeul hatten Einwände gegen die Lieferung eines Test-Leopard II erhoben – wegen der Verletzung der Menschenrechte in der Türkei. Doch ihre Argumente zählten weniger als jene der Verteidigungs- und Wirtschaftsminister Scharping und Müller. Ein Aufschub der Entscheidung wäre, wegen der Fristen aus Ankara, dem Verzicht auf den Deal gleichgekommen. Und dabei geht es um viele Milliarden Mark, um einige tausend Arbeitsplätze, offenbar auch um das Prestige, sich gegen Konkurrenz aus den USA zu behaupten.

Dass es in der Türkei mit der Einhaltung der Menschenrechte nicht zum Besten steht, ist kaum zu bestreiten. Anfang der 90er hat die Bundesrepublik Rüstungsmaterial aus Ex-NVA-Beständen geliefert. Die türkische Armee hat, wie hinreichend belegt ist, diese Waffen in Anatolien eingesetzt. Die Befürworter des Panzerdeals waren denn auch schnell mit dem Argument bei der Hand, dass der Leopard II sich operativ nicht für einen Einsatz gegen die kurdische Bevölkerung eigne. Moralische Bedenken gegen die Lieferung seien deshalb unbegründet.

Doch Rüstungsexporte sind nicht davon abhängig zu machen, ob die konkret gelieferten Waffen bei der Verletzung von Menschenrechten benutzt werden, sondern davon, ob im Empfängerland Menschenrechte verletzt werden oder nicht. Es gilt auch zu berücksichtigen, dass im Nachgang der Verabschiedung des Verhaltenskodex der EU in Bezug auf Rüstungsexporte 1998 die Bundesregierung – bislang ohne Ergebnis – die Überarbeitung der „Politischen Grundsätze“ begonnen hat. Ziel: Rüstungsexporte sollen verbindlicher als bisher unter den Vorbehalt der Einhaltung der Menschenrechte gestellt werden.

Die gestrige Entscheidung ist insofern in doppelter Hinsicht ein falsches Signal. Erstens impliziert die Bereitschaft, einen Testpanzer zu liefern, den politischen Willen, das spätere Geschäft ohne Vorbedingungen auch durchzuführen. Damit gibt die Bundesregierung die Chance politischer Einflussnahme auf Ankara preis. Zweitens schafft der Deal ein Präjudiz für jene „Politischen Grundsätze“. Der Spielraum für striktere Kriterien wird durch diese Entscheidung deutlich geringer. Kurzfristiges Kalkül ersetzt das Bewusstsein für die Folgen des eigenen Handelns nicht. Solange dies nicht begriffen wird, bleibt der moralische Anspruch, die Menschenrechte hüten zu wollen, auf der Strecke. Hans J. Gießmann

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