Bundesregierung duldet Terrorchef: Ruandas Miliz-Führer in Deutschland
Die Bundesregierung lässt zu, dass die als Terrororganisation verfolgte ruandische Miliz FDLR von Deutschland aus geführt wird. "Ich habe gewonnen", sagt ihr Präsident.
Militärische Ehren, Empfang durch den Bundespräsidenten, Gespräche mit Wirtschaftsvertretern markieren den Deutschlandbesuch von Ruandas Präsident Paul Kagame, der gestern begann und bis Freitag andauern soll. Ruanda, einst Inbegriff für Massaker, sieht sich heute als Land des ökonomischen Fortschritts, das sich rasant von seiner düsteren Vergangenheit löst.
Mit Deutschland besucht Kagame ein Land, in dem das Umfeld der Täter des Völkermords von 1994 geduldet wird. Ignace Murwanashyaka, Präsident der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), lebt trotz internationaler Sanktionen als freier Mann in Deutschland. Erst gestern kritisierte er in einem "Offenen Brief" an Bundespräsident Köhler die Einladung des "Faschisten" Kagame, der "das Volk seines Landes und das der Nachbarländer ausgerottet" habe.
In der Führung der FDLR, die 2000 im Kongo als Organisation ruandischer Hutu-Exilkämpfer entstand, sitzen nach Recherchen der Menschenrechtsorganisation African Rights zahlreiche führende Täter des ruandischen Völkermordes von 1994. Murwanashyaka, sagt der führende internationale Experte für die FDLR, Hans Romkema, "ist der Präsident einer terroristischen Organisation, die im Kongo und in Ruanda zahlreiche dokumentierte Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat".
Die FDLR steht auf der Terrorliste des US-Außenministeriums. Murwanashyaka sowie sein ebenfalls in Deutschland lebender Stellvertreter Straton Musoni sind seit 2005 mit Reise- und Finanzsanktionen des UN-Sicherheitsrats belegt, die auch von der EU übernommen wurden.
"Als Mandela im Gefängnis war, hat der ANC weiter Aktivitäten durchgeführt", minimiert Murwanashyaka gegenüber der taz die Sanktionen. "Sie würden Wirkung haben, wenn die FDLR von mir gegründet worden wäre." Er sei ja "nur der Präsident".
Bis 2006 genoss Murwanashyaka in Deutschland politisches Asyl. Er war an Ruandas Völkermord nicht beteiligt, sondern lebte als Student in Deutschland; inzwischen hat er mit einer Deutschen eine Familie gegründet. Im April 2006 wurde er in Mannheim festgenommen, als er von seiner bislang letzten Kongo-Reise zurückkehrte. Er landete in Abschiebehaft, sein Asyl- und Aufenthaltsstatus wurde ihm entzogen. Die Bundesanwaltschaft erklärte am 26. Mai 2006, sie habe gegen Murwanashyaka ein Ermittlungsverfahren unter dem "Anfangsverdacht wegen Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Demokratischen Republik Kongo" eingeleitet - das erste und einzige Verfahren unter dem Völkerstrafgesetzbuch, das der deutschen Justiz die Verfolgung von Kriegsverbrechen weltweit ermöglicht.
Doch Murwanashyaka hat all dies überstanden. Was den Entzugs seiner Aufenthaltserlaubnis angeht, sagt er der taz: "Ich habe den Prozess gewonnen, die Regierung hat Berufung eingelegt. Bis heute, nach dreizehn Monaten, hat das Gericht nicht entschieden, ob es die Berufung annimmt." Zu den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft sagt er: "Welche Vorwürfe könnte man mir machen? Seit über einem Jahr ist das Verfahren eingestellt. Ich habe im Juli 2007 einen Brief gekriegt, wo das drinsteht." Der Sprecher der Bundesanwaltschaft bestätigte gestern die Einstellung des Verfahrens.
Beamte, die mit dem Fall vertraut sind, kritisieren Deutschlands Haltung - und keiner von ihnen will namentlich zitiert werden. "Man hat immer gesagt: Der hat doch Familie hier", sagt einer. Ein anderer sagt, die Anwesenheit des FDLR-Chefs sehe er persönlich "als großes Problem", aber "ich werde belehrt, dass sich das aus deutscher Perspektive anders darstellt". Und: "Er steht unter der Auflage, sich politisch nicht zu bestätigen. Da wäre mal eine Ordnungsstrafe fällig."
Frankreich, während des Völkermords in Ruanda engster Verbündeter des verantwortlichen Regimes, hat inzwischen weniger Bedenken als Deutschland. Gegen FDLR-Exekutivsekretär Callixte Mbarushimana, der in Paris lebt, wurde am 1. April dieses Jahres ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Eine deutsche Parlamentariergruppe, die vergangene Woche den Kongo bereiste, musste sich daher von einem UN-Verantwortlichen über den Umgang mit Kriegsverbrechern belehren lassen. Sie erwägen nun parlamentarische Initiativen. "Die UN-Beschlüsse, was die Finanzströme und politische Unterstützung für solche Gruppen angeht, müssen wirksam umgesetzt werden", sagt Winfried Nachtwei von den Grünen, der an der Reise beteiligt war.
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