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Bundespräsident Steinmeier zu Demos„Weckruf an demokratische Mitte“

Frank-Walter Steinmeier appelliert an Bundesregierung und Opposition, Möglichkeiten zur Zusammenarbeit auszuloten, um den Rechtsextremismus entgegenzutreten.

Fordert, dass die demokratischen Parteien gegen die AfD zusammenstehen: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Foto: Ahit Perawongmetha/dpa

Berlin epd/afp | Vor dem Hintergrund der seit Tagen andauernden Demonstrationen gegen den Rechtsextremismus der AfD hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an Politik und Gesellschaft appelliert, Polarisierungstendenzen entgegenzutreten. Die Demonstrationen seien vielleicht ein „Weckruf an die demokratische Mitte“, an diejenigen, die friedlich und in Freiheit zusammenleben wollten, sagte Steinmeier am Mittwoch in einem Interview der ARD-„Tagesthemen“.

Es sei auch ein Weckruf, Zusammenarbeitsmöglichkeiten dort zu suchen, „wo sie in der Vergangenheit auch aufgerieben worden sind in der Debatte zwischen Regierung und Opposition“, sagte Steinmeier. Es gebe Felder, in denen es gemeinsame Interessen gebe, sagte er.

Daher könne er sich gut vorstellen, „dass die gegenwärtige Situation zum Nachdenken in Regierungs- und Oppositionsparteien führt“, sagte der Bundespräsident, der derzeit gemeinsam mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf einer Reise nach Vietnam und Thailand ist.Wenn man in andere Länder wie Frankreich, Italien und die USA schaue, erkenne man einen Trend zu einer stärkeren Polarisierung. Dem müsse entgegengewirkt werden.

Demos seien „glaubwürdige Gegenbotschaft“

Die Demonstrationen, zu denen sich in der vergangenen Woche Hunderttausende Menschen als Zeichen des Protests gegen Pläne rechtsextremer Netzwerke zur Vertreibung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte aus Deutschland versammelt hatten, nannte Steinmeier eine „glaubwürdige Gegenbotschaft“. „Die Demokraten in unserem Land sind aufgestanden und haben gemeinsam formuliert: Wir wollen Rechtsextremismus in unserem Land nicht haben, nicht dulden.“ Darauf könne man stolz sein.

Nötig sei auch ein anderer Ton untereinander, sagte der Bundespräsident weiter. „Wir sollten respektvoller miteinander umgehen und respektvoller mit den demokratischen Institutionen in unserem Land.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview eingeräumt, selbst mitverantwortlich für das schlechte Erscheinungsbild der Regierung zu sein. „Als Bundeskanzler trage ich die Verantwortung für die Regierung – Punkt“, sagte Scholz der Wochenzeitung „Die Zeit“. Auf die Frage, ob dies eine Form der Selbstkritik sei, antwortete Scholz: „Ja.“

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5 Kommentare

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  • Dieser Bundespräsident bedarf eines Weckrufs! Er ist der Betroffenheitsweltmeister und sollte bitteschön bei nächst- möglicher Gelegenheit abdanken.



    Mir ist egal wer da gegen den braunen Dreck auf die Straße geht, Hauptsache es sind viele Menschen die zeigen, daß sie verstanden haben dass das was sich Alternative nennt, keine Alternative ist.



    Gülle bleibt Gülle auch wenn sie uns in Schanpusflaschen verkauft wird.

  • Sicherlich ist es wichtig und gut, dass jetzt viele Leute auf die Straßen gehen, aber ist das wirklich mehr als ein Garant für dringend benötigte Bilder, um eine bessere Außenwirkung zu erzielen? Fakt ist doch, dass die "demokratische Mitte" in Deutschland längst "demokratische Rechte" heißen müsste. Was inzwischen von Politiker:innen öffentlich sagbar ist, bestätigt doch nur wie sehr der politische Diskurs bereits nach rechts verschoben ist. Wer sich im Laufe der letzten Jahre auch nur ein bischen über rechtsextreme und rechtspopulistische Bewegungen informiert hat, kann sich über das jetzt viel beschriene "Geheimtreffen" nicht mehr wundern, das ist doch nichts neues. Wenn jetzt viele Leute für Demokratie und Antifaschismus demonstrieren ist das toll, aber es wird die gesellschaftliche Entwicklung und Radikalisierung nach rechts nicht rückgängig machen. Eine Entwicklung die seit Jahren stattfindet, Meinungen die längst gefestigt sind. Es wird die ersten Afd-Regierungen auf Landesebene nicht mehr verhindern können. Es ist jetzt leicht für die etablierten Parteien sich öffentlich über die Afd und co zu empören, aber den Boden und Raum für das Erstarken rechtsextremer und antidemokratischer Parteien haben sie selbst zu verantworten. Es braucht endlich eine gute Analyse und entsprechende Debatten über die Gründe für das gesellschaftliche Klima. So es die "MItte" noch gibt, sollte sie schleunigst damit anfangen endlich über die ungerechte Verteilung von Wohlstand und Privilegien zu sprechen, die deutsche Teilung aufarbeiten und sich mit den ausgegrenzten (migrantisch und nichtmigrantisch) solidarisieren, statt sich am nach unten treten und gegeneinader ausspielen der Schwächsten zu beteiligen.

    • @M.Ascha:

      "Es ist jetzt leicht für die etablierten Parteien sich öffentlich über die Afd und co zu empören, aber den Boden und Raum für das Erstarken rechtsextremer und antidemokratischer Parteien haben sie selbst zu verantworten."

      Vor ein paar Monaten gab es in der taz einen Beitrag unter dem Titel "Die Mitte wankt". Im Beitrag selbst war dann (leider) auch wieder pauschal von einem Rechtsruck die Rede. Aus meiner Sicht war/ist der Titel (bislang noch) sehr viel treffender. Die Mitte wankt, weil sie sich gegen Versuche wehrt, sie vom bevorzugten Weg abzubringen. Und je stärker von einer Seite an ihr gezerrt wird, desto mehr neigt sie sich zur anderen, um sich dagegen stemmen zu können.

      " Es braucht endlich eine gute Analyse und entsprechende Debatten über die Gründe für das gesellschaftliche Klima."

      Vor allen Dingen braucht es eine objektive Analyse, auch wenn die "unbequeme" Erkenntnisse liefert.

      "So es die "MItte" noch gibt, sollte sie schleunigst damit anfangen endlich über die ungerechte Verteilung von Wohlstand und Privilegien zu sprechen (...)"

      Dann wäre sie ja links - jedenfalls, wenn sie das in dem Umfang tun würde, wie es hier offensichtlich erwartet wird.

  • "Punkt." Das ist genau das Gegenteil von Einsicht. Das ist die Beendigung der Diskussion mittels pauschaler Entschuldigung. Obendrein noch mit Einbeziehung seiner Koalitionspartner, die sich vielleicht ja gar nicht entschuldigen möchten. Großer Stil also mal wieder, genau wie beim Abschieben auf dem Spiegel- Titel. Merz ruft ja jetzt auch zum Kampf gegen den Rechtsextremismus auf. Ist doch prima, oder? Wahrscheinlich meint er aber nur den organisierten Rechtsextremismus, die AFD also. Die Bösen. Und für Sprüche über Sozialtourismus, überlastete Schulen durch Migrantenkinder und volle Zahnarztpraxen muss man diese Braunen ja auch wirklich nicht wählen. Die Sprüche gibt's auch bei der CDU. Es scheint, dass sowohl Scholz als auch Merz die von der AFD vertretenen Meinungen ja gar nicht so schlecht finden, sie finden es nur blöd, dass die AFD damit so erfolgreich ist. Oder finden sie es vielleicht undemokratisch, wenn man sich als Politiker einfach den Luxus eigener Meinungen leistet? So gesehen haben sie jetzt Glück, dass sie nach den Rechten jetzt endlich den antifaschistischen Bürgern aufs Maul schauen dürfen. So soll es sein: das Volk befreit seine Politiker aus der Schockstarre und die dürfen endlich meinen, was sie immer schon wollten.

  • Burgfrieden?

    Zitat: „Die Demonstrationen seien vielleicht ein „Weckruf an die demokratische Mitte“, an diejenigen, die friedlich und in Freiheit zusammenleben wollten, sagte Steinmeier am Mittwoch in einem Interview der ARD-„Tagesthemen“.



    Es sei auch ein Weckruf, Zusammenarbeitsmöglichkeiten dort zu suchen, „wo sie in der Vergangenheit auch aufgerieben worden sind in der Debatte zwischen Regierung und Opposition“,

    Mit anderen Worten: Ich kenn keine Parteien mehr, sondern nur noch die demokratische Mitte…