Bundesliga Spitzenspiel: Lebkuchen für den Tabellenführer
Mit Realismus, Ruhe und Leidenschaft hat es Augsburg zum Überraschungsdritten geschafft. Nun kommt Bayern München. Eine klare Sache wird das nicht.
AUGSBURG taz | Es ist alles wie immer um diese Jahreszeit in Augsburg. Auf dem Rathausplatz werden Engelslebkuchen verkauft und der berühmte Glühwein aus der ältesten Glühweinkellerei Deutschlands ausgeschenkt. Viele Touristen drängeln sich um die Buden vor dem Perlachturm. Und doch ist auch alles ein bisschen anders als sonst. Denn nicht nur der Weihnachtsmarkt ist in diesen Tagen die große Attraktion der Stadt, sondern der Fußballklub.
Der FC Augsburg steht auf dem dritten Tabellenplatz der Bundesliga, und die Begegnung mit dem FC Bayern München an diesem Samstag ist das Spitzenspiel des Wochenendes.
Anfang der Woche war sogar die Reporterin einer großen Zeitung aus Estland nach Augsburg gekommen, um den Lesern in Tallinn von diesem Fußballwunder zu berichten. Sie hatte dazu auch in München recherchiert, bei dem Klub, der in Estland etwas bekannter ist.
Von Bayern-Trainer Pep Guardiola wollte sie wissen, wie er denn Augsburg einschätze und seine Spieler vorbereite, aber der Spanier konnte keine Auskunft geben: Er war erst einmal mit Moskau, dem letzten Champions-League-Gegner, beschäftigt. Die Reporterin erkundigte sich dann im Umfeld, ob dieser FC Augsburg bald auch in der Champions League spiele.
Erfolgsgeheimnis Realismus
Beim FC Augsburg werden sie darüber herzhaft gelacht haben, denn sie sind Realisten, und das ist eines der Erfolgsgeheimnisse. Trainer Markus Weinzierl weiß, die derzeitige Tabellensituation ist eine Momentaufnahme, eine sehr schöne allerdings.
Das liegt auch daran, dass die Konkurrenz schwächer ist als in den vergangenen Runden. Vor einem Jahr hatte Borussia Dortmund vor dem 15. Spieltag als Dritter sieben Punkte mehr auf dem Konto als derzeit Augsburg. Weinzierl macht sich vor dem Duell mit dem übermächtigen Nachbarn aus München in der eigenen Arena nichts vor. „Für ein Unentschieden oder einen Sieg gegen Bayern braucht man auch das notwendige Glück.“ Seinen Spielern rät er: „Die Mannschaft soll so auftreten, wie sie immer aufgetreten ist. Mit viel Herz, Leidenschaft und Willen, aber auch mit Zweikampfstärke.“
Als die Schwaben 2011 aufgestiegen sind, konnte sich damals niemand vorstellen, dass das Abenteuer mit dem niedrigsten Etat der Bundesliga länger als eine Saison dauern würde. Aber die Augsburger hielten die Klasse. Trainer Jos Luhukay ging, Markus Weinzierl kam, der hatte gerade Jahn Regensburg in die Zweite Liga geführt, schien nun in Augsburg jedoch an Grenzen zu stoßen. Am Ende der Hinrunde hatten die Schwaben gerade mal neun Punkte.
Der Verein trennte sich aber nicht vom Trainer, sondern wechselte den Manager. Stefan Reuter folgte dem erst im September verpflichteten Jürgen Rollmann. Und der Weltmeister von 1990 hielt an Weinzierl fest, obwohl noch nie zuvor eine Mannschaft mit nur neun Punkten nach der Hinrunde noch die Klasse hielt. „Keine Sau setzt mehr auf uns, gehen wir raus und probieren es“, sagte Weinzierl damals.
Geld für Stars gibt es nicht
Nun ist der FC Augsburg fast schon etabliert. In der vergangenen Saison verpassten die Schwaben nur knapp die Europa-League-Qualifikation. Geld für Stars gibt es nicht, also müssen sie ein Kollektiv zusammenstellen. „Keiner in der Mannschaft tanzt aus der Reihe und denkt, er ist etwas Besonderes“, sagt Halil Altintop. Der türkische Exnationalspieler und frühere Schalker ist der Namhafteste im Kader.
Für Weinzierl ist neben dem Realismus und der Bodenständigkeit, „das Vertrauen und der Wille, Spiele zu gewinnen oder zu drehen“, die Basis des Erfolgs. Und noch etwas zeichnet den FCA aus: Niemand macht ein Ballyhoo um irgendwas. Als neulich Präsident Walther Seinsch seinen Rückzug erklärte, entstand keine Führungskrise. Der Nachfolger stand bereit, der Wechsel geschah geräuschlos. Wie der sportliche Aufstieg zu einer – zumindest im Moment – international beachteten Mannschaft.
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