Bundeskongress Politische Bildung: Gute Nachricht in schlimmen Zeiten
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) verspricht, die Bildungsarbeit weniger stark zu kürzen. Die Haushaltsverhandlungen stehen aber noch bevor.
Möglich sei dies, weil das Bundesinnenministerium (BMI) noch vorhandenes Geld aus den Vorjahren nutzen könne, so Faeser. Zudem würden Mittel behördenintern umgeschichtet. Die Kürzungspläne der Ampel bei der politischen Bildung waren auf breite Kritik gestoßen – auch innerhalb der SPD. Im August hatte das BMI daraufhin Nachbesserungen angekündigt. Allerdings sind die Haushaltsverhandlungen noch nicht abgeschlossen. Mitte November wird eine Entscheidung erwartet.
Die Politikwissenschaftlerin Sabine Achour von der Freien Universität Berlin begrüßt die Kehrtwende. Gegenüber der taz sagt sie, dass in den aktuellen Zeiten keine andere politische Reaktion glaubhaft sei als eine vollständige Rücknahme der Kürzungen. Achour fordert, dass Mittel künftig noch umfassender und verlässlicher bereitgestellt werden: „Wo zu wenig investiert wurde, sehen wir leider gerade deutlich.“
Seit dem brutalen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober sind judenfeindliche Vorfälle in Deutschland sprunghaft angestiegen. Allein in der ersten Woche verzeichnete der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) über 200 Vorfälle. In Weimar betonte Faeser, dass Hass auf Jüdinnen und Juden in Deutschland keinen Platz habe. „Wir werden hier in Deutschland Antisemitismus nicht tolerieren“, sagte Faeser. Einen wichtigen Beitrag dazu leiste die politische Bildung.
Diskurs als Kampagne
Faeser dankte der Bundeszentrale für politische Bildung, dass sie zum Nahostkonflikt aktuell eine Vielzahl von digitalen Projekten anbiete. Gleichzeitig warnte die Ministerin vor den Gefahren für unsere Demokratie. Neben dem „alten und neuen Antisemitismus“ sorge sie die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft durch Propaganda und Desinformationskampagnen aus dem Ausland sowie die wachsende politisch motivierte Gewalt von rechts. „Gerade hier in Weimar müssen wir uns daran erinnern, dass Demokratien auch scheitern können“.
Ähnlich äußerte sich der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass die öffentlichen Diskursräume zunehmend einer Kampagnenlogik folgten und sich somit verengten. Das sei eine große Herausforderung für die politische Bildung. Neben der Pandemie und dem Ukrainekrieg verwies auch Krüger auf den neu entflammten Nahostkonflikt.
„Wir sind gefordert, mit den Mitteln der politischen Bildung dazu beizutragen, dass diese innergesellschaftlichen Spannungen produktiv diskutiert werden“, so Krüger. Der Bundeskongress habe sein Programm angepasst, um auf die aktuellen Ereignisse in Israel und dem Gazastreifen einzugehen.
Bis Samstagnachmittag finden in Weimar dutzende Veranstaltungen und über 70 Workshops zu Themen der politischen Bildung statt. Das Motto des 15. Bundeskongress Politische Bildung lautet „Gegegenwartsdeutungen – Zukunftserzählungen. Politische Bildung in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier