■ Bundesbankchef Tietmeyer wird gehen müssen: Sein letztes Stabilitätsopfer
Hans Tietmeyer hat seinen Opfergang selbst inszeniert. Der Chef der Bundesbank wird sein Amt aufgeben müssen, um größeren Schaden von der Bundesbank abzuwenden. Ein Bundesbankchef, der in einer so fundamentalen Frage wie der Neubewertung der Goldreserven von der Regierung vor vollendete Tatsachen gestellt wird, kann nicht mehr als Garant der Unabhängigkeit der Währungshüter funktionieren.
Doch wie konnte es so weit kommen? Ganz einfach. Tietmeyer steht nicht einfach Theo Waigel im Weg, sondern Helmut Kohl. Der Konflikt, der jetzt über die Bewertung des Goldschatzes der Bundesbank ausgebrochen ist, ist der große Konflikt um das Primat der Politik. Der Kanzler, den Wirtschaftspolitik herzlich wenig interessiert, sieht den Euro als einen wichtigen Schritt zur politischen Einigung Europas. Und diese Einheit Europas hat für ihn absolute Priorität vor den Zweifeln vorsichtiger Geldpolitiker.
Lange Zeit ließen sich die beiden Anliegen – konservative Geldpolitik der Bundesbank und die politische Einigung Europas durch den Euro – gemeinsam verfolgen. Die EU-Regierungen konnten auf eine deutsche Wirtschaftspolitik eingeschworen werden. Doch seit einigen Monaten ist klar, daß entweder die politische Union Vorrang hat und die Haushaltssanierung zweitrangig ist oder bei einer strengeren Haushalts- und Währungspolitik für den Euro nur ein Kerneuropa übrig bleibt.
Kohl hat sich für die große Europavariante und gegen Haushaltsdiziplin um jeden Preis entschieden. Das entspricht seiner Neigung. Die Wahlsiege der Linken in Großbritannien und Frankreich werden ihn darin nur bestärkt haben. Auch innenpolitisch gab es für den Kanzler keine Alternative. Tietmeyer zu folgen hätte Steuererhöhungen für das Jahr 1997 bedeutet. Das wäre das Ende der Koalition gewesen.
Das wird kaum jemand besser gewußt haben als Hans Tietmeyer selbst. Immerhin war er 1982 als Beamter im Wirtschaftsministerium an der Inthronisierung Kohls beteiligt. Versprochen wurde damals, den Gürtel enger zu schnallen. Doch erst mal machte Kohl mehr Schulden. Auch 1990, als Helmut Kohl gegen den Willen des damaligen Bundesbankchefs Helmut Pöhl die Wirtschafts- und Währungsunion durchsetzte, stand Tietmeyer Pate. Damals mußte Pöhl gehen, um das Ansehen der Bundesbank als Hort der geldpolitischen Stabilität zu bewahren. Jetzt opfert sich Tietmeyer selbst. Hermann-Josef Tenhagen
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