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Bürgerversammlung in Dresden„Lügenpresse“ im Dialog

Journalisten stellen sich in der Pegida-Hochburg der Diskussion. Die Differenzen zu einem Teil des Publikums sind dabei nicht zu übersehen.

Ein besorgter Pressekritiker Foto: dpa

Dresden epd | Dresdner Journalisten haben sich gegen den von „Pegida“-Anhängern vorgebrachten Vorwurf der „Lügenpresse“ gewehrt. „Der Vorwurf, wir würden bewusst etwas verschweigen, der ist falsch“, sagte Heinrich Löbbers, Mitglied der Chefredaktion der Sächsischen Zeitung am Dienstagabend in Dresden. Dort versammelten sich in der Kreuzkirche mehrere Hundert Teilnehmer unter dem Thema „Medien – zwischen Wahrheit und Lüge“ zur 5. Bürgerveranstaltung.

Löbbers räumte ein: „Wir machen nicht alles richtig.“ Doch, so betonte er, seit den lautstarken Protesten der fremdenfeindlichen „Pegida“-Bewegung habe sich „Misstrauen eingeschlichen“ – auch in Bürgerkreise, die sonst den Medien gegenüber aufgeschlossen seien.

Sachsen-Korrespondent Stefan Locke von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte: „Ich nehme den Vorwurf ‚Lügenpresse‘ nicht an“. Es würde nichts bringen, bewusst die Unwahrheit zu berichten. „Es kommt eh alles ans Licht – von Straftaten durch Asylbewerber wie in Köln bis zu denen von Lutz Bachmann“, sagte er.

Das Vertrauen in die Medien sei angeschlagen, stellte der Dresdner Kommunikationswissenschaftler Lutz Hagen fest. Sie würden aber nicht bewusst falsch berichten. Der Begriff „Lügenpresse“ sei daher „absolut falsch und nicht die Regel“, sagte Hagen. „Journalisten waren noch nie fehlerfrei und werden es auch nicht sein“. Studien hätten jedoch auch ergeben, dass die Qualität des Journalismus abgenommen hat. Hagen verwies unter anderem auf einen „enormen Zeitdruck“, unter dem Journalisten stehen.

Nazikeule und Retourkutschen

Die Mehrheit der Teilnehmer betonte auf der Veranstaltung ihrem Unmut gegenüber den Medien. Sie fühlten sich ungerecht behandelt, hieß es von einigen Rednern. Es gebe nur eine Linie: Hacken auf „Pegida“, Hacken auf Dresden. Der „Pegida“-Mitbegründer und mittlerweile aus der Bewegung ausgestiegene Rene Jahn warf der Presse vor: „Die Medien sind hauptverantwortlich, dass ‚Pegida‘ so stark geworden ist.“ Zunächst hätten sie gar nicht über die Bewegung berichtet und dann falsch. Zudem wäre „mit der ‚Nazikeule‘ auf jeden draufgehauen“ worden.

Löbbers entgegnete, dass der Begriff „Nazikeule“ gern von der „Pegida“-Bewegung benutzt werde, „um sich in einer Opferrolle zu sehen“. Seine Zeitung habe nie berichtet, dass in der Bewegung alle Neonazis sind. Es seien aber Rechtsextreme und Hooligans dabei.

Locke betonte: Die „Pegida“-Spitze habe anfangs im Herbst 2014 den Medien keine Kommentare gegeben und auch die Mitläufer belehrt, nicht mit Journalisten zu sprechen. „Wir konnten uns nur an das halten, was von der Bühne gesagt wurde“, sagte Locke. Bei den „Pegida“-Veranstaltungen seien mehrfach rassistische und hetzerische Reden geschwungen worden. So sei das Bild geprägt worden. Zudem betonte Locke: „Wer hingeht, unterstützt, was gesagt wird.“

Zur nächsten Bürgerveranstaltung am 9. Juni zum Thema „Partizipation“ wird Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) erwartet. Danach soll eine Sommerpause bei den Bürgerversammlungen eingelegt werden.

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5 Kommentare

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  • WIESO Journalisten Interviews geben? Ein Journalist der Süddeutschen Zeitung veröffentlichte bereits drei Stunden VOR Beginn der 200. Montagsdemonstration gegen Stuttgart21 (das ist jetzt schon länger her, wir sind bei ca. #325) online einen Bericht in welchem er, völlig falsch, angeblich Charakter und Stimmung der Demonstration beschrieb: "Auf dem Abstellgleis"; "Melancholische Stimmung". usw.

     

    Seine Beschreibung prae factum war völlig abwegig denn die Stimmung war großartig und kämpferisch; trotzdem hat er es, im Qualitätskäseblatt SZ, geschafft die Demonstration bundesweit in ein falsches Licht zu stellen und die Arbeit von 1000en von Menschen zu vernichten, mit Geschmiere.

     

    Journalisten haben, in der Mehrheit, leider keine Ahnung von dem was sie tun. Die Blattlinie ergreifen sie willig, ansonsten kreisen sie vor allem um sich selber.

  • Gut, dass sich Journalisten dem Dialog stellen, Einblicke in ihre Arbeitsweise geben und aufzeigen, dass auch sie (wie jeder andere auch) Fehler machen.

     

    Auch wenn es traurig ist: In der Medienlandschaft gibt es allerdings Bereiche, in denen bewusst gelogen wird, auch um Einschaltqoten etc. zu steigern. Solche Praktiken zeigt die Initiative fair radio im Hörfunk auf http://www.der-freigeber.de/wider-den-beschiss-ethisches-radio-waere-so-einfach/

     

    Ich persönlich kann den Leichtsinn die eigene Glaubwürdigkeit zu untergraben nicht nachvollziehen. In jeder Branche gibt es leider schwarze Schafe, die mit ihrem Verhalten allen schaden.

  • 2G
    27741 (Profil gelöscht)

    Woran kann es liegen, wir lassen mal die AFD außen vor, dass viele Menschen das Vertrauen in die Medien verloren haben.

    Kann es vielleicht daran liegen, dass viele Medien nach der Finanzkrise ob der ausbleibenden Werbeeinnahmen darüber gestöhnt haben, dass nun ihre Existenz gefährdet sei. Bei jedem Politiker, bei dem die Presse einen Interessenkonflikt vermutet, wird direkt groß berichtet. Bei sich aber wird ein Interessenkonflikt kategorisch ausgeschlossen. Wenn selbst in der taz schon Formulierungen wie "viele Prominente sind dafür" gebraucht werden, eben jene Prominenten, welche sich durch Werbung für die Wirtschaft ein fürstliches Zubrot verdienen, dann ist ein Hinterfragen dringend angesagt.

  • Was soll denn Pegida&Co anderes sein als eine neofaschistische Bewegung - Und warum soll diese nicht auch von der Presse so genannt werden dürfen?

    • @amigo:

      Ich denk auch. Anfänglich wurde noch von "Sorgen der Bürger, die man erhören müsse" gesprochen - aber was jetzt noch übrig ist, ist nichts als braune Masse.