Bürgerversammlung in Dresden: „Lügenpresse“ im Dialog
Journalisten stellen sich in der Pegida-Hochburg der Diskussion. Die Differenzen zu einem Teil des Publikums sind dabei nicht zu übersehen.
Löbbers räumte ein: „Wir machen nicht alles richtig.“ Doch, so betonte er, seit den lautstarken Protesten der fremdenfeindlichen „Pegida“-Bewegung habe sich „Misstrauen eingeschlichen“ – auch in Bürgerkreise, die sonst den Medien gegenüber aufgeschlossen seien.
Sachsen-Korrespondent Stefan Locke von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte: „Ich nehme den Vorwurf ‚Lügenpresse‘ nicht an“. Es würde nichts bringen, bewusst die Unwahrheit zu berichten. „Es kommt eh alles ans Licht – von Straftaten durch Asylbewerber wie in Köln bis zu denen von Lutz Bachmann“, sagte er.
Das Vertrauen in die Medien sei angeschlagen, stellte der Dresdner Kommunikationswissenschaftler Lutz Hagen fest. Sie würden aber nicht bewusst falsch berichten. Der Begriff „Lügenpresse“ sei daher „absolut falsch und nicht die Regel“, sagte Hagen. „Journalisten waren noch nie fehlerfrei und werden es auch nicht sein“. Studien hätten jedoch auch ergeben, dass die Qualität des Journalismus abgenommen hat. Hagen verwies unter anderem auf einen „enormen Zeitdruck“, unter dem Journalisten stehen.
Nazikeule und Retourkutschen
Die Mehrheit der Teilnehmer betonte auf der Veranstaltung ihrem Unmut gegenüber den Medien. Sie fühlten sich ungerecht behandelt, hieß es von einigen Rednern. Es gebe nur eine Linie: Hacken auf „Pegida“, Hacken auf Dresden. Der „Pegida“-Mitbegründer und mittlerweile aus der Bewegung ausgestiegene Rene Jahn warf der Presse vor: „Die Medien sind hauptverantwortlich, dass ‚Pegida‘ so stark geworden ist.“ Zunächst hätten sie gar nicht über die Bewegung berichtet und dann falsch. Zudem wäre „mit der ‚Nazikeule‘ auf jeden draufgehauen“ worden.
Löbbers entgegnete, dass der Begriff „Nazikeule“ gern von der „Pegida“-Bewegung benutzt werde, „um sich in einer Opferrolle zu sehen“. Seine Zeitung habe nie berichtet, dass in der Bewegung alle Neonazis sind. Es seien aber Rechtsextreme und Hooligans dabei.
Locke betonte: Die „Pegida“-Spitze habe anfangs im Herbst 2014 den Medien keine Kommentare gegeben und auch die Mitläufer belehrt, nicht mit Journalisten zu sprechen. „Wir konnten uns nur an das halten, was von der Bühne gesagt wurde“, sagte Locke. Bei den „Pegida“-Veranstaltungen seien mehrfach rassistische und hetzerische Reden geschwungen worden. So sei das Bild geprägt worden. Zudem betonte Locke: „Wer hingeht, unterstützt, was gesagt wird.“
Zur nächsten Bürgerveranstaltung am 9. Juni zum Thema „Partizipation“ wird Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) erwartet. Danach soll eine Sommerpause bei den Bürgerversammlungen eingelegt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen