Bürgerkrieg in Syrien: Ring um Aleppo gesprengt
Die Rebellen im Osten der Stadt haben ihren Erfolg der neu gefundenen Einheit zu verdanken. Darunter sind auch ehemalige Al-Qaida-Kämpfer.
Dabei schien es schier aussichtslos, dass es den Angreifern gelingen würde, die Blockade zu durchbrechen. Sie hatten nicht nur die syrischen Bodentruppen, sondern auch iranische Soldaten und schiitische Milizionäre aus dem Ausland sowie die russische Luftwaffe gegen sich. Wegen der Luftangriffe hatte es das Regime in den letzten Monaten geschafft, zuerst die Versorgungsroute von Ostaleppo zur türkischen Grenze und dann im Juli den verbliebenen Nachschubweg, die Castello-Straße, zu kappen.
Daraufhin starteten die Rebellen am Sonntag voriger Woche eine Gegenoffensive im Südwesten des einstigen Wirtschaftszentrums. Nach schweren Kämpfen brachten sie am Freitag überraschend Teile der großen Militärbasis im südwestlichen Stadtteil Ramusa unter ihre Kontrolle, von wo sie am Samstag in Richtung des von Aufständischen kontrollierten Teils von Aleppo vorstießen. Gleichzeitig griffen Rebellen von den eingekesselten Vierteln her an und nahmen die syrischen Truppen und ihre Verbündete in die Zange.
Den Erfolg haben die Aufständischen ihrer neuen Einheit zu verdanken. Den Angriff von Südwesten her führten vor allem Islamisten, wie das Bündnis Dschaisch al-Fatah oder die Salafisten-Gruppe Ahrar al-Scham an. Eine führende Rolle spielte auch die ehemalige Nusra-Front, der syrische Ableger von al-Qaida.
Nur ein Etikettenschwindel
Zwar hat sich die Nusra-Front kürzlich von al-Qaida losgesagt und nennt sich jetzt Dschabhat Fatah al-Scham (Front zur Eroberung der Levante). An ihrer ideologischen Ausrichtung hat sich dadurch aber nichts geändert. Experten bezeichnen die Umbenennung als einen Etikettenschwindel. Hochburg der Ex-Nusra-Front ist die Nachbarprovinz Idlib. In Aleppo selbst geben außer Islamisten vor allem Rebellengruppen den Ton an, die unter dem Dach der Freien Syrischen Armee operieren. Sie waren es offenbar, die den Angriff aus der Stadt heraus organisierten.
Für das Regime und seine Verbündeten ist der Sieg der Aufständischen eine herbe Niederlage. Er zeigt einmal mehr, wie schwach und ausgezehrt die syrische Armee nach fünf Jahren Bürgerkrieg ist. Und dies scheint zu bestätigten, dass sich das Regime nur noch dank der bedingungslosen Unterstützung Teherans und Moskaus an der Macht halten kann.
Die Frage ist nun, ob die Aufständischen das Gebiet halten können. Zahlreiche Kämpfer der libanesischen Hisbollah seien im Südwesten Aleppos eingetroffen, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Fars News am Sonntag. In dem westlich von Ramusa gelegenen Stadtteil lieferten sich syrische Soldaten und Rebellen heftige Gefechte.
Sollten die Aufständischen das Gebiet halten können, dürfte das weitreichende Folgen haben. Die Rebellen, darunter die ehemalige Nusra-Front, hätten erreicht, was die USA in Verhandlungen mit Moskau nicht geschafft hätten, schrieb der Aktivist Kenan Rahmani. Doch jetzt müssten Syrer mit einer neuen Tragödie umgehen: Unter den Rettern der Menschen von Aleppo seien Terrorgruppen. „Diese Terrorgruppen haben mehr getan, um den ausgehungerten Syrern in Aleppo zu helfen, als die gesamte internationale Gemeinschaft mit ihren Gesetzen und ihrer Diplomatie.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen