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Bürgerkrieg in SyrienLibanon warnt syrische Deserteure

Nach der jüngsten Eskalation der Gewalt flüchten wieder mehr Syrer in die Türkei. Im Nachbarland Libanon werden bewaffnete Oppositionelle verhaftet.

In Beirut ist die Polizei aufmarschiert, um zu verhindern, dass Pro- und Anti-Assad-Demonstranten übereinander herfallen. Bild: dapd

ISTANBUL/BEIRIUT dpa/afp | Der Libanon will keine bewaffneten syrischen Deserteure auf seinem Staatsgebiet dulden. Der Kommandeur der Streitkräfte, General Jean Kahwadschi, sagte dem libanesischen Magazin Al-Afkar, jeder, der in Beirut um Bewegungsfreiheit für syrische Rebellen bitte, „klopft an der falschen Tür an“. In der vergangenen Woche hatten die libanesischen Behörden bewaffnete Oppositionelle verhaftet, die aus Syrien über die Grenze gekommen waren.

Der Libanon hat derzeit eine Regierung unter Beteiligung der schiitischen Hisbollah-Bewegung, die mit dem syrischen Regime von Präsident Baschar al-Assad kooperiert. Sie erlaubt, anders als Jordanien und die Türkei, lediglich Zivilisten aus Syrien die Einreise.

Die US-Botschafterin in Beirut, Maura Conelly, hatte kürzlich in einer Besprechung mit Innenminister Marwan Charbel gefordert, der Libanon solle alle Syrer schützen, auch die Angehörigen der Freien Syrischen Armee.

Der Libanon hatte auch bei den Debatten in der Arabischen Liga stets versucht, sich schützend vor die syrische Führung zu stellen.

Freitags-Proteste

In Syrien haben sich am Freitag landesweit wieder zehntausende Menschen an den Protesten gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad beteiligt. In der Stadt Aleppo im Norden sei es die größte Mobilisierung seit dem Beginn der Proteste vor einem Jahr gewesen, teilte die Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London mit.

Die Sicherheitskräfte hätten in Aleppo auf die demonstrierende Menge geschossen, sagte der Oppositionelle Mohammed Halabi. Es habe in der Stadt 15 Treffpunkte der Demonstranten gegeben.

Die Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London sprach am Mittag von mindestens 19 getöteten Zivilisten am Freitag. Darunter seien acht Tote in der Stadt Homs, die seit Wochen von den syrischen Streitkräften bombardiert wird. Nach den Freitagsgebeten gibt es seit dem Beginn der Proteste gegen Assad vor einem Jahr häufig große Kundgebungen.

An diesem Freitag wurden derartige Proteste unter anderem aus der Hauptstadt Damaskus, aus Daraa, Homs, Hama, Idlib und Lattakia gemeldet. Allein in der Stadt Dael in der Provinz Daraa beteiligten sich laut der Beobachtungsstelle mehr als 10.000 Menschen an einer Kundgebung.

Flüchtlinge in der Türkei

Die jüngste Eskalation der Gewalt in Syrien hat die Zahl der syrischen Flüchtlinge in der Türkei wieder stark ansteigen lassen. Derzeit würden knapp 12.000 Syrer in Auffanglagern im Süden der Türkei beherbergt, verlautete aus türkischen Diplomatenkreisen.

Nach einer ersten Flüchtlingswelle im vergangenen Sommer war die Zahl der Flüchtlinge im Herbst zurückgegangen und hatte sich bei etwa 7.000 stabilisiert. Nun kommen den Angaben zufolge aber wieder täglich rund hundert Syrer über die Grenze.

Um auf einen weiter ansteigenden Flüchtlingsstrom vorbereitet zu sein, baut die Türkei bei Kilis an der syrischen Grenze eine neue Container-Siedlung, wie Diplomaten mitteilten. Nach Fertigstellung sollen bis zu 10.000 syrische Flüchtlinge aus den Auffanglagern in der Provinz Hatay nach Kilis transferiert werden.

Die Türkei bleibe bei ihrer „Politik der offenen Tür“ für alle Syrer, die dem Druck des Regimes von Präsident Baschar al-Assad entfliehen wollten, betonte ein Diplomat: „Wir werden so viele Flüchtlinge aufnehmen, wie wir können.“

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6 Kommentare

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  • A
    Ant-iPod

    @Neukunde:

     

    Ist ja besonders helle, unsere Demokratie in Zweifel zu ziehen, nur weil sie mit anachronistischen Monarchien zusammenarbeitet.

    Oder die nach Demokratie strebenden Araber im Stich zu lassen, nur weil eine rückständige Monarchie beschlossen hat, sie zu unterstützen.

     

    Kein Mensch hat die Zustände in den Golfmonarchien verteidigt. Niemand hat gesagt, dass deren Staatsform korrekt oder deren Motive altruistisch sind.

     

    Darum geht es aber nicht. Diese Monarchien haben sich einstweilige Ruhe mit viel Geld erkauft. Assad hat dies mit Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst ebenfalls versucht - hat aber einerseits mehr Einwohner und andererseits weniger Geld - und vor allem will er seinen persönlichen Reichtum nicht schmälern, den er aus Syrien ausgesaugt hat.

     

    Wollen wir nun Demokratie verteufeln, unsere Werte über Bord werfen?

    Ist das "besonders helle"?

     

    Die Tatsache, dass SA auf der Seite des Volkes und nicht des Regimes in Syrien steht, macht dessen Widerstand gegen einen undemokratischen und Menschen verachtenden Diktator nicht weniger richtig.

     

    Oder finden Sie, die US-Amerikaner hätten 1773-1776 nicht gegen England kämpfen dürfen, nur weil die Franzosen (damals eine absolute Monarchie) sie unterstützt haben?

    War das auch falsch?

  • N
    Neukunde

    @Ant-iPod

     

    Stichwort Demokratie:

    Ist ja besonders helle mit Saudi-Arabien und den Diktaturen (Golf-Kooperationrat) im Bunde von Demokratie zu fabulieren. Aber im Eifer des Gefechts kann man schon mal die Seiten verwecheln.

  • A
    Ant-iPod

    Hier treffen sie sich wieder.. die "Kritiker" und ach so Wissenden, welche das "Spiel der westlichen Propaganda durchschaut" haben:

    Mit ihrer persönlichen Ansicht geben uns HALLELL und HARI SELDON tiefe "Einblicke in die Wahrheit" über Syrien.

     

    Ihr bringt keinen Beweis dafür, dass Assad und seine Schergen nicht für die Massaker verantwortlich sind. Ihr bringt auch keinen Beweis dafür, dass die Opposition in der Masse gewalttätig ist und das die Menschen in Uniform, die Ihr gesehen habt, etwas anderes tun, als sich gegen die Gewalt des Regimes zur Wehr zu setzen.

    137 Nationen haben Syrien in den VN verurteilt und Ihr stellt es so dar, dass die alle doof sind und nichts von der Wirklichkeit in Syrien wissen.

    Zudem sagt Ihr nichts dazu, dass Assad weder Demokrat ist, noch die Demokratie anstrebt, wie es bsw. auch die "neue syrische Verfassung" eindrucksvoll darlegt - was Ihr natürlich nur wissen könnt, wenn Ihr sie gelesen habt.

    Die Unlogik eines äußeren Eingriffs in Syrien auf diese Art und Weise könnt Ihr nicht entkräften, oder habt es zumindest nicht getan, denn wenn es wirklich ein Wirken von außen wäre, wie stümüerhaft wäre dies denn?

    Über ein Jahr geplänkel hier, geplänkel da, tausende Tote und kein Ergebnis - im Gegenteil sitzt Assad ja noch immer im Amt. Wenn wirklich jemand aus dem Ausland so etwas geplant hätte, wären dies wirklich solche Stümper so ein Ergebnis zu produzieren?

    Können nicht sowohl Saudi-Arabien, als auch Qatar, oder gar andere Spieler wie Israel oder die USA, die Türkei oder wen auch immer Assad hinter dem "Komplott" vermutet, allesamt mit ihrem Geld und ihren Waffen die Opposition weitaus schlagkräftiger ausstatten, wenn es diesen Staaten um einen gewaltsamen Umbruch in Syrien ginge?

    Welchen Vorteil sollten sie daraus ziehen, einen möglichst langen Bürgerkrieg mit möglichst vielen Toten zu orchestrieren, wonach ein syrisches Volk nach Einkehr des Friedens sich sehr wohl der Verantwortlichen erinnern - und folglich nicht in deren Sinne politisch auftreten wird?

     

    Ich sehe es als Verschwendung an, sich irgendwelche angeblichen Ungereimtheiten von einzelnen Reportern auszumalen. Die schiere Masse an Videos auf YouTube, Facebook etc. und der Vergleich der Nachrichten auf verschiedenen Kanälen ergeben doch ein eindeutiges Bild:

    Assad schlägt jedweden Widerstand gegen ihn - also sowohl zivilen, als auch militärischen - mit unmenschlicher Gewalt nieder. Je mehr er zuschlägt, desto mehr erheben sich gegen ihn.

    Zudem lügen die syrischen Medien - bsw. erzählen sie Wochenlang, in Homs wäre alles ruhig und man jage nur einzelne bewaffnete Banden. Dann zeigen sie das verheerende Ausmaß der vernichtung in Baba-Amr und erzählen, die "Banden" hätten dies angerichtet. Das wäre ziemlich Eindrucksvoll, ganze Straßenzüge nur mit ein paar "Banden" in Schutt und Asche zu legen.

     

    Das Töten muss ein Ende haben - den Schlüssel dazu hat Assad. Er muss abtreten und den Weg für eine echte Demokratie ebnen.

    So lange er die Armee einsetzt, kann man mit ihm nicht verhandeln.

     

    Es gibt immer wieder diejenigen, die sagen, in anderen Ländern würde man auch gegen bewaffnete Regierungsgegner vorgehen, auch in den USA (stichwort: Waco), oder in Europa. Dem halte ich folgendes entgegen:

    1. Bei uns kann man die Regierung frei wählen und es gibt eine echte Opposition, die bsw. anteilig auch in den Parlamentsausschüssen vertreten ist. Somit sind wir eine ganz gute repräsentative Demokratie - gilt m.K. nach für zumindest die EU-Staaten.

    Es gibt folglich keinen Anlass für bewaffneten Widerstand - wäre es in Syrien ebenso, gäbe es den wohl auch dort nicht, weil er keinen Sinn ergibt.

    2. Zunächst einmal setzen wir im Inneren die Polizei ein und nicht das Militär - aus gutem Grund.

    3. Unsere internen Sicherheitskräfte verfolgen stets das Prinzip der Deeskalation - dies konnte ich in Syrien zu keinem Zeitpunkt erkennen.

    4. Wenn wir feststellen, dass die verschiedenen Meinungen sich verfestigen, anstatt zu einem Kompromiss zu gelangen, dann machen wir bsw. Runde Tische (wie zu Ende der DDR), oder bestellen einen Obmann, bzw. Vermittler (wie bsw. Herr Geissler bei Stuttgart 21). Wir beginnen nicht damit zu schießen und selbst wenn wir beschossen werden, schießen unsere Sicherheitskräfte fast ausschließlich in Notwehr zurück - der Schutz von Menschenleben ist oberstes Prinzip.

    Dies gilt in Syrien nicht und selbst wenn man der Opposition unterstellt, sie wäre nur bewaffnet und bestünde aus "Verbrechern" - so kann keiner behaupten, Assads Armee würde nicht brutal Antworten. Spätestens nach den Bildern der Zerstörung aus Baba-Amr kann dies keiner mehr sagen, ohne zu lügen.

  • G
    GWalter

    Noch immer verbieten das geltende Völkerrecht und die UNO-Charta den Krieg als Mittel der Politik – auch als letztes Mittel.

     

    Daran ändern weder Kriegsdrohungen noch EU-Erklärungen etwas, die sich auf die derzeit üblich gewordenen Drohungen mit Gewalt einlassen. Ein Verstoß auch gegen die OSZE-Ordnung (KSZE Grundwerte) und gegen die europäische Menschen-rechtskonvention.

     

    Ein Grund mehr, sich mit dem NATO-Problem zu befassen, einem verbleibenden US-Kontrollorgan, um von Washington aus den Willen der europäischen Länder zu steuern.

  • HS
    Hari Seldon

    @hallell:

     

    Gestern abend gab es eine Diskussionsrunde bei CNN. Auch die "geflüchtete" Journalistin war dabei. Sie wurde zwei Tage vor ihrem Flucht aus Homs in einem Interview gezeigt: Liegend, bis zum Hals bedeckt, und sie hat gesagt, dass sie komplizierte Knochenbrüche hätte, und braucht dringend ärztliche Hilfe. Nun zwei Tage später---mit den "komplizierten Brüchen"---konnte die Dame teils mit Motorrad fliehen, und war sie gestern im Interview auch sehr beweglich. Augenscheinlich kennt die Dame Wunderheiler, welche "komplizierte Brüche" innerhalb Tagen heilen können, oder? Volksverdummung pur. Übrigens, die Dame hat gestern auch eigene Frontaufnahmen gezeigt. Sie war ständig mit in Uniform gekleideten, und Maschinengewehren (250 Schuss Magazin!) ausgestatteten "unbewaffneten und friedlichen Zivilisten, Aktivisten, usw." zusammen unterwegs. Bin gespannt, wie lange würde US oder England, Frankreich, usw. Banditen mit solcher Aufrüstung auf der Strasse dulden.

  • H
    hallell

    Wenn irgendein Aktivist (neuer allumfassender Begriff, der der lästigen Unterscheidung zwischen bewaffnet, bezahlt, Zivilist oder Rebell endlich ein Ende setzt), dann wird das wohl so sein. Sind ja keine Journalisten vor Ort! Und wenn doch, werden sie verletzt, posten ein Video auf Youtube,wie Bouvier oder Conroy, kommen irgendwie wieder frei und schildern uns dann ihre Sicht der Dinge. Aber natürlich ohne Aufnahmen. Dort ist ja Drehverbot, und daran mussten sie sich trotz illegaler Einreise halten.Außerdem waren sie ja von der Außenwelt abgeschnitten, wie ja im Youtube-Video gesagt wird. Noch Fragen?