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Bürgerkrieg in SyrienRebellen kämpfen um Aleppo

Nach eigenen Angaben halten die Rebellen in Aleppo einer Großoffensive der Armee stand. Zwei weitere syrische Diplomaten haben indes die Seiten gewechselt.

Spuren des Bürgerkriegs in Azaz, nördlich von Aleppo. Bild: dapd

BEIRUT/AMMAN/NEW YORK dpa/dapd/rtr | Die Rebellen in der nordsyrischen Geschäftsmetropole Aleppo halten nach eigenen Angaben einer Großoffensive der Regierungstruppen vorerst stand. Zwei weitere Spitzendiplomaten des Regimes haben die Seiten gewechselt. In der UN-Vollversammlung wollen die arabischen Staaten auf eine Resolution drängen.

„Unsere revolutionären Kämpfer haben mindestens zwei massive Angriffe der Regimestreitkräfte abgewehrt“, erklärte der Aufständischen-Kommandeur Abu Omar al-Halebi am Donnerstag am Telefon. „Sie kontrollieren jetzt 50 Prozent der Stadt.“

Von unabhängiger Seite ließen sich die Angaben nicht überprüfen, weil Medien in Syrien nur äußerst eingeschränkt arbeiten können. Al-Halebi zufolge griffen auf der Seite der Truppen von Machthaber Baschar al-Assad auch Kampfjets ein. In den Außenbezirken Salaheddin und Maschaad sollen sie Nachschubkonvois der Rebellen bombardiert haben. Die Kämpfe in Aleppo dauern seit dem letzten Wochenende an. Das Regime hatte am Vortag damit begonnen, tausende Soldaten an den Kampfschauplatz zu verlegen.

Zwei weitere Spitzendiplomaten haben sich von Assad losgesagt. Die Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Zypern hätten sich nach Katar abgesetzt, sagte ein Sprecher des oppositionellen Nationalrates am Mittwoch. Sie sind die hochrangigsten Diplomaten, die dem Staatschef den Rücken kehren, seit sich vor rund zwei Wochen angeblich der Botschafter im Irak absetzte.

Die bisherige Botschafterin in Zypern, Lamia al-Hariri, stammt aus der südlichen Provinz Deraa, die als Geburtsstätte der Revolte gegen Assad gilt. Sie ist eine Nichte von Vize-Präsident Faruk al-Scharaa.

Arabische Staaten wollen in UN-Vollversammlung

Die arabischen Staaten wollen sich in der UN-Vollversammlung um eine Syrien-Resolution bemühen. Darin soll der Aufbau einer demokratischen Regierung in dem Land gefordert werden, wie der saudiarabische UN-Botschafter Abdallah al Muallimi und der katarische Diplomat Abdulrahman Al Hamadi während einer Sitzung des Weltsicherheitsrats am Mittwoch (Ortszeit) in New York erklärten. In der Vollversammlung gibt es keine Veto-Möglichkeit.

„Die arabischen Staaten haben beschlossen, wegen der Lage in Syrien vor die UN-Vollversammlung zu gehen“, erklärte Al Muallimi vor dem Rat. Die syrische Drohung, chemische Waffen einzusetzen, „lässt uns noch mehr bedauern, dass der Sicherheitsrat nicht in der Lage ist, effektiv mit der syrischen Krise umzugehen“.

Der syrische UN-Botschafter Baschar Dschaafari warf Saudi-Arabien und Katar vor, sich militärisch, finanziell und politisch in die Angelegenheiten Syriens einzumischen. Sie wollten sich außerdem gegen den Friedensplan des Sondergesandten Kofi Annan verschwören.

Unterstützung für Annan-Plan

Aus diplomatischen Kreisen verlautete, in dem Resolutionsentwurf werde der Annan-Plan unterstützt. Zudem enthalte der Text Richtlinien für den Übergang zur Demokratie, eine Forderung nach freiem Zugang für Hilfsorganisationen und möglicherweise einen Aufruf, sich den Sanktionen der Arabischen Liga gegen Syrien anzuschließen.

Russland und China hatten in der vergangenen Woche mit ihrem Veto eine Syrien-Resolution im Weltsicherheitsrat verhindert.

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6 Kommentare

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  • A
    Ant-iPod

    @Toyak:

     

    ich bin ein wenig in Zeitnot, deshalb liefere ich die Links nach.

    Im Übrigen verurteile ich die von Ihnen beschriebenen Aufrufe genauso wie sie - das geht gar nicht!!!!

    Ich sage zwar, dass die nicht repräsentativ für die syrische Opposition sind, aber ich verschweige dies auch nicht und klage dies mit aller Vehemenz an.

     

    Wenn das bisher nicht deutlich genug rüber gekommen ist - wobei ich ja sogar auf Lasterüberfälle und Fake-Checkpoints eingegangen bin - dann Asche auf mein Haupt und mea culpa.

     

    Sie haben absolut Recht, es geht um alle Syrer und das gibt es viele Ethnien und Religionsgemeinschaften.

    Die Syrer haben seit Jahrhunderten friedlich miteinander gelebt und ich traue ihnen zu, dies auch in einer Nach-Assad-Ära zu tun.

     

    Geben Sie mir mit den Links bitte Zeit - da mein Wochenende ab jetzt komplett verplant ist.

    Zur Eigenrecherche kann ich nur auf Facebook und die syrischen Revolutionsseiten verweisen, wo diese Videos gepostet werden.

  • T
    toyak

    An: Ant-iPod

     

    Können Sie mir bitte Quellen nennen, wo ich das Verbrechen von Schabiha sehen könnte. Videos würde ich gern sehen. Die "Oppositionellen" stellen so viel Material von "Verbrechen" der regulären Armee ins Netz, aber von Schabiha sehen wir nicht viel. Bei youtube sehen wir zwei Videos von muskelbepackten Männern, die Assad`s Fotos auf Ihren T-Shirts. Weitere Videos habe ich nicht gefunden. Können Sie mir dabei behilflich sein.

     

    Wenn ich arabisch nicht verstehen würde, würde ich Ihnen glauben. In youtube sind jedoch so viel Videos, wo man mit der Vernichtung der Alawiten in Syrien droht, wo die Alawiten beschimpft werden. Die Übergriffe auf alawitischen Dörfern, auf Christen und weitere Minderheiten werden von Ihnen nicht erwähnt.

    Wenn wir Demokratie haben wollen, müssen wir den Last der Demokratie tragen. Wir können nicht nur unsere eigene Freiheit einfordern und gleichzeitig die Freiheit von anderen abschneiden. Wenn ein Sunnit seine Moschee haben will, soll er sie bekommen, dasselbe gilt für Synagogen, Kirchen und andere Gotteshäuser. Wenn ich mir aber die Videos angucke und die Gespräche höre, kann ich sowas nicht feststellen. In Syrien werden die Brüder einander gehetzt und leider merken sie das nicht.

    Ein demokratisches System kann nicht von heute auf morgen aufgebaut werden, die Gesellschaft muss die Demokratie als etwas wertvolleres ansehen. Das sind wir - Muslimen - weit davon entfernt. Wir müssen akzeptieren und respektieren, dass andere Menschen anders sein können. Das muss doch selbstverständlich sein. Ob die anderen Juden, Christen, Alawiten, Schiiten, Sunniten oder auch Nichtgläubige sind, sollte als Bereicherung angesehen werden.

    Dass die "Oppositionellen" und vor allem "F"SA diese Ansicht teilen, erscheint höchst unwahrscheinlich.

     

    Ich unterstütze die Syrer/Syrerinnen, die Freiheit für alle fordern und nicht für sich selbst. Das ist Revolution.

  • UB
    Ulrich Bruhn

    "Darin soll der Aufbau einer demokratischen Regierung in dem Land gefordert werden, wie der saudiarabische UN-Botschafter Abdallah al Muallimi und der katarische Diplomat Abdulrahman Al Hamadi während einer Sitzung des Weltsicherheitsrats am Mittwoch (Ortszeit) in New York erklärten."

     

    Saudi-Arabien und Katar fordern die Einführung der Demokratie in Syrien ? Es lächerlicher Vorwand, um in Syrien irakische Verhältnisse zu produzieren. Um durch die Schwächung des iranischen Verbündeten die eigene Position zu stärken. Und die USA sehen es mit Wohlgefallen, natürlich.

    "Sicherheitsfirmen" trainieren lokale Kämpfer für ihren Einsatz in Syrien- und wenn das Land unregierbar geworden ist und internationale Organisationen und westliche Berater dort "nach dem Rechten" sehen wollen, werden auch sie auf die Dienste dieser "Sicherheitsfirmen" zurück greifen, man will ja sicher sein vor all der Gewalt.

     

    Aber ein Großteil der deutschen Medien spielt mit bei der Farce "Demokratie gegen Diktatur".

  • J
    Jupp

    Die saudischen Despoten und ihre Freunde aus Katar, Bahrein ... kämpfen für demokratische Umgestaltung.

    Wunderbar!

    Aber nicht etwa in den eigenen Ländern!

    Nein in Syrien!!!

    Für die eigenen Demokraten kaufen sie Leopard 2 Panzer, zum Niederwalzen von Demonstranten Spezialanfertigungen aus deutscher Waffenschmiede!

  • H
    Harald

    Interessant in dem Zusammenhang ist die Reuters Meldung von heute:

     

    'Muslim Brothers plotting overthrow of Gulf states'

     

    Dubai police chief Khalfan warns of "international plot" against Gulf states: "This is preplanned to take over our fortunes"; says Iran, Syria and Muslim Brotherhood gov't's in N. Africa must know Gulf is a red line.

     

    Unsere hiesigen Medien versuchen tapfer uns einzureden, es handele sich bei den syrischen "Rebellen" um so was wie Freiheitskämpfer im Kampf gegen die Despotie.

     

    In Wirklichkeit hat sich diese Revolution, wie zuvor, längst von ihrer Ausgangsbasis verabschiedet, ist von Extremfaschisten übernommen worden, das einigermaßen weltlich-normale Syrien in einen 'Gottesstaat' zu verwandeln.

     

    Die Mehrheit der Syrer möchte dies nicht, auch das sickert immer mehr durch die ideologischen Firewalls unserer Medien durch.

     

    Insofern wächst die Skepsis über die stets unbestätigten Berichte von Assads verübten Gräuel an der Zivilbevölkerung. Das könnte auch ganz anders gewesen sein. Wir wissen es definitiv nicht.

  • A
    Ant-iPod

    Ich bin verwundert, dass man immer noch über den Annan-Plan redet.

     

    Hatte Baschar nicht an jedem einzelnen Tag seit Beginn der Unruhen die Gelegenheit, kraft seiner verfassungsrechtlichen Weisungskompetenz, kraft seines Initiativrechts für Gesetze im syrischen "Parlament" etc.etc.etc. - die Diktatur in Syrien abzuschaffen, Gewaltenteilung einzuführen, Korruption und Misswirtschaft einzudämmen, die Geheimdienste zu reformieren etc.etc.etc. - kurz:

    Politisch zu gestalten und die Probleme des Landes anzugehen?

     

    Zeigen folglich nicht die letzten 18 Monate und die ca. 20.000 Toten, unzählige Folteropfer, volle Gefängnisse, Willkür der Schabiha etc.etc.etc. - das Baschar nicht das geringste Interesse an den Inhalten des Annan-Plans hat?

     

    Er hat es in der Hand, schnell und effizient Änderungen herbeizuführen - das er dies verweigert, könnte einem zu denken geben.

    Die Syrer haben nachgedacht und nun handeln sie, egal, was in New York geschieht.

     

    Wir sollten bei der Unterschiedlichkeit unserer Opposition auch keine Einheitsmeinung bei den Syrern erwarten - die soll ja gerade überwunden werden.

    Darin besteht seit Monaten Einigkeit.

     

    Wir sollten auch nicht jegliche Fehlentwicklung zum Anlass nehmen, die Verbrechen des Assad-Regimes zu relativieren und eine düstere Zukunft zu prognostizieren.

    Und wenn religiöse Parteien in Syrien an die Macht kommen - na und? So lange dies in demokratischen Bahnen geschieht - und genau dies werden alle Beteiligten nicht müde zu bekunden - können die nach einer Legislatur wieder abgewählt werden.

    Wenn wir für Demokratie sind, sollten wir die Syrer auch selbst entscheiden lassen. Demokratie heisst nicht, dass die Syrer das machen, was andere wollen.

     

    Was spricht eigentlich dagegen?

    Also abgesehen von abstursen Angstphantasien?

     

    Ich verstehe gar nicht, wie man überhaupt den Anspruch erheben kann, eine Opposition muss eine weisse Weste haben, oder andernfalls unterstützen wir den Despoten.

    Haben die kein Recht auf pluralistische Meinungsbildung, Fehlentwicklung und Korrektur? Sind wir so Fehlerfrei, dass wir uns eine solche Arroganz erlauben können?

     

    Um es deutlich zu sagen:

    Ich rechtfertige und relativiere kein Massaker, kein Verbrechen, keinen "Check-Point" zum Zwecke des Diebstahls und all die anderen Verbrechen, die auch von Oppositionellen oder Leuten, die sich dafür ausgeben, ausgehen.

    Ich halte dies für grundfalsch - aber ich halte es nicht für Repräsentativ für die Opposition und ich traue den Syrern die Fähigkeit zu, diese Elemente mit der Zeit in den Griff zu kriegen, aufzuarbeiten und juristisch zu ahnden.

    Diese Verbrechen sind schrecklich - aber sie sind nur ein Bruchteil gemessen an den Verbrechen des Regimes.