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Bürgerkrieg in SyrienEine bittere Entscheidung

Kommentar von Beate Seel

Die Rebellen haben die „Hauptstadt der Revolution“ verlassen. Sie wurden ausgehungert - noch ein Grund, die Kriegsverbrechen Assads zu ahnden.

Zivilisten verlassen die zerstörte Stadt. Jetzt auch die Rebellen. Bild: ap

B ERLIN taz Nach fast zwei Jahren Beschuss, Blockade und Hunger verlassen die letzten Rebellen und Zivilisten die Altstadt von Homs. Es war eine umstrittene und bittere Entscheidung, die ehemalige „Hauptstadt der Revolution“ aufzugeben. Die Übereinkunft mit der syrischen Regierung ist ein Ergebnis der Strategie des Regimes unter Präsident Baschar al-Assad, die von Armeeangehörigen „Ergebt euch oder verhungert“ genannt wird.

In militärischer Hinsicht hat der Abzug wenig Bedeutung. Er markiert zwar das Ende der Rebellion im Zentrum von Homs, nicht aber in der gleichnamigen mehrheitlich sunnitischen Provinz, wo die Opposition nach wie vor stark ist.

Negative Auswirkungen könnte die Diskussion über die „Kapitulation“ zwischen den verschiedenen Gruppen von Aufständischen haben, indem sie bestehende Friktionen vertieft. Auf symbolischer Ebene ist das Abkommen mit dem Namen Homs verbunden.

Die Stadt gehörte zu den ersten, in denen die Armee 2011 friedliche Demonstranten massiv angriff – ein Einschnitt auf dem Weg in den bewaffneten Kampf. Für das Regime ist der Abzug der Rebellen ein weiterer Beweis dafür, dass die Strategie des Aushungerns erfolgreich ist und ein symbolischer Sieg vor der Präsidentschaftswahl am 3. Juni.

Die Strategie des Aushungerns von Gegnern ist allerdings keine Erfindung von Assad, sondern geht bis in die Frühgeschichte zurück. Aber heute schreiben wir das 21. Jahrhundert, es gibt die UNO und die Genfer Konventionen, die Regeln für den Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten festlegen, sowie den Internationalen Strafgerichtshof, der Kriegsverbrechen ahnden kann. Für Letzteres wird es im Fall Syriens höchste Zeit.

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4 Kommentare

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  • Wenn der Westen mit Unterstuetzung der Rebellen stoppt,solange diese Rebellen sich in Gebieten verstecken wo Buerger leben,wird viele Leben ersparen

     

    Merkel+Westerwelle haben nie bekannt gegeben welche Rebellengruppen mit deutschem Steuergeld unterstuetzt wurden und wahrscheinlich aus gutem Grund. Weil jetzt koennen die deutschen Waehler nicht feststellen welche Blutrunstigkeiten mit ihrem Steuergeld passieren.Aber egal welche Rebellengruppen man unterstuetzt hat,und in welcher Weise, es ist eine Verletzung von internationalem Recht,naemlich gegen das Gewaltverbot der UN Charta Art. 2 Ziffer 4. Siehe internet “Deutsche Unterstuetzung fuer Aufstaendische in Syrien – Abloesung internationaler Normen durch die Macht des Staerkeren“

  • Die Kapitulation der Rebellen in Homs ist weiterer Schritt auf dem Weg in den Dauerkrieg in Syrien. Wie sollen die Millionen Flüchtlinge zurückkehren? Wie soll der Wiederaufbau vonstatten gehen, ohne eine Lösung der politischen Probleme, die den Konflikt ausgelöst haben? Die totalitäre Diktatur ist ja dieselbe wie vorher, mit einem Unterschied: Das Land ist jetzt faktisch eine Kolonie des Irans, sekundiert von Russland, dem schiitischen Regime in Bagdad, der libanesischen Hisbollah.

    Jener Teil von Homs, der sich gegen das grauenhafte Assad-Regime erhob, ist ausgehungert und komplett zerstört worden. Die letzten Kämpfer ziehen ab. Doch Frieden wird deshalb in Syrien nicht einziehen. Solange das Assad-Regime in Damaskus an der Macht ist, wird es in der gesamten Region keinen Frieden geben. Hunderttausende sind in den Kerkern dieses Regimes gefoltert und ermordet worden, noch immer tötet die Assad-Junta täglich hunderte Zivilisten. Das Assad-Regime hat wesentlich mehr Verbrechen begangen als die bewaffnete Opposition. Mir ist ein Rätsel, wie man ernsthaft glauben kann, dass mit diesem Regime eine friedliche Zukunft möglich sein soll. Ich frage mich auch, warum hier in der taz bei jedem Assad-kritischen Artikel immer derart systematisch Pro-Assad-Stimmen laut werden. Man gewinnt den Eindruck, als steckte der Propaganda-Apparat des Assad-Regimes dahinter.

  • Ich sehe das positiv. Die syrische Regierung hat sich durchgerungen 1.000 Straftätern samt ihren Waffen freies Geleit zu gewähren, die dieses freie Geleit in keinem einzigen westlichen Land bekommen hätten. Die USA hätte diese Leute auf Lebenszeit nach Guantanamo verbracht. Dieses Beispiel, auf Rache zu verzichten, obwohl man Rache hätte nehmen können, gibt Hoffnung.

  • Sehr geehrte Frau Seel,

    Ihre einseitige Berichterstattung hat in den drei Jahren keine Früchte getragen, sondern vielmehr dazu beigetragen, dass Menschen sich radikalisiert haben und nun den Ruf zum Heiligen Krieg aus Syrien zu hören geglaubt haben.

    Wo ist Ihre Verurteilung der Ermordung von Zivilisten durch die al Nusra-Front in der vergangenen Wochen?

    Ist es legitim, durch Autobomben Vierteln anzugreifen, in denen Minderheiten leben?

     

    Ein Blick bei youtube aber auch ein Spaziergang, bei dem man davor seine westliche Brille absetzt, kann bei der Wahrheitssuche helfen.

    Wofür hat die Regierung in Damaskus diese Vereinbarung geschlossen, verraten Sie uns auch nicht. Ich zitiere:

    "Vor einigen Tagen hatte sich die syrische Regierung mit den Rebellen auf ein Abkommen zum Abzug der etwa 1.500 oppositionellen Kämpfer aus der Stadt geeinigt. Demnach werden im Gegenzug 70 Libanesen und Iraner freigelassen, die in Aleppo von islamistischen Rebellen gefangen gehalten werden. Zudem sagen die Rebellen in dem Abkommen zu, humanitäre Hilfe für zwei regierungstreue schiitische Dörfer bei Aleppo zuzulassen."

    Also Dörfer werden nun auch abgeriegelt, ist ja verwunderlich, nicht wahr Frau Seel.