Bürgerkrieg in Somalia: US-Luftangriffe gegen "Terror"
Bei der Bombardierung von Dhobley an der Grenze zu Kenia sind auch Zivilisten zu Tode gekommen. Islamisten und Rebellen in Somalia werden stärker.
BERLIN taz Zum ersten Mal seit über einem Jahr hat das US-Militär im Süden Somalias Luftangriffe auf mutmaßliche Islamisten geflogen. "Wir haben einen gezielten Angriff auf einen mutmaßlichen Unterschlupf bekannter Terroristen durchgeführt", sagte ein US-Offizieller in Washington. Die Verwaltung des betroffenen Ortes Dhobley nahe der kenianischen Grenze sprach gestern von vier bis sechs toten Zivilisten als Folge des Angriffes in der Nacht zum Montag.
Dhobley ist ein wichtiger Transitpunkt für fliehende Somalis auf dem Weg nach Kenia und war in den letzten Tagen Schauplatz von Kämpfen zwischen islamistischen Milizen und Truppen der somalischen Regierung gewesen. Islamistische Führer aus der Hauptstadt Mogadischu hätten sich in der Region mit lokalen religiösen Führern getroffen, sagte Distriktkommissar Ali Hussein Nur.
In Mogadischu hatte Äthiopiens Armee Ende 2006 mit US-Unterstützung die zuvor regierenden Islamisten vertrieben. Die zogen sich daraufhin in den äußersten Süden des Landes zurück und sind bis heute dort aktiv. Im Laufe des Jahres 2007 haben sich in Mogadischu und weiten Teilen Südsomalias neue bewaffnete Rebellionen aus Islamisten und lokalen Clanmilizen gebildet, die die äthiopisch unterstützte Regierung zunehmend unter Druck setzen. Vor einer Woche meldeten die Behörden die Eroberung der Stadt Dinsey im Distrikt Bay westlich von Mogadischu durch die Rebellen.
Am 8. Januar 2007 hatten die USA bereits einmal mutmaßliche Islamisten im Süden Somalias bombadiert, am 21. Juni beschoss ein US-Kriegsschiff angebliche ausländische Islamisten in einem Bergmassiv im Norden des Landes. Neben den lokalen Islamisten sind nach US-Überzeugung auch ausländische "Dhischadisten" im rechtsfreien Raum Somalia aktiv.
Nach UN-Angaben sind im Laufe des Jahres 2007 rund 700.000 der zwei Millionen Einwohner Mogadischus vor den ständigen schweren Kämpfen in der Stadt geflohen, in alle Landesteile. Ihre Ankunft in ohnehin instabilen und unterversorgten Gebieten verschärft lokale Konflikte. Im Januar und Februar hätten 57.000 weitere Menschen aus Mogadischu die Flucht ergriffen, so der jüngste UN-Lagebericht.
Insgesamt sind in Somalia eine Million Menschen auf der Flucht, rund ein Zehntel der Bevölkerung; vor einem Jahr waren es erst 400.000. In Mogadischu haben sich die Kämpfe in den letzten zwei Wochen erneut intensiviert. Erst am Wochenende starben erneut mindestens elf Menschen bei einem Vorfall, wie er sich in Mogadischu ständig wiederholt: Guerillakämpfer legen einen Hinterhalt gegen Regierungstruppen, Äthiopiens Armee greift in Unterstützung der bedrängten Regierungssoldaten ein, die Rebellen gehen ihrerseits zum Angriff über und es entwickeln sich Kämpfe mit schwerer Artillerie ohne Rücksicht auf die Anwohner.
Unabhängige Stimmen haben es in diesem Klima schwer. Regierungssoldaten schlossen am Sonntag drei unabhängige Radiosender in Mogadischu und verwüsteten ihre Studios. Die Regierung machte dafür gestern "in Regierungsuniformen gekleidete Aufständische" verantwortlich.
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