piwik no script img

Bürgerkrieg in MaliDas Ende einer Musterdemokratie

Wegen des Konfliktes im Norden steht das politische System in Mali nach zwei Jahrzehnten wieder zur Disposition. Mehrere hundert-tausend Menschen sind auf der Flucht.

Hat Anfang der 90er Jahre seinem Land den friedlichen Übergang in ein demokratisches System ermöglicht: Malis Staatschef Amadou Toumani Touré. Bild: dpa

BERLIN taz | Mali galt jahrzehntelang als die Musterdemokratie Afrikas – und Amadou Toumani Touré (ATT) als afrikanischer Musterdemokrat. 1991 hatte er mitten in einem blutigen Volksaufstand die damalige Militärdiktatur gestürzt und einen friedlichen Übergang zur Demokratie organisiert.

Dabei wurde nicht Touré selbst Staatschef, sondern er übertrug die Macht an eine gewählte Zivilregierung – eine große Ausnahme in der Geschichte afrikanischer Demokratisierungen und ein Vorbild für andere Länder des Kontinents. Erst 2002, als ATT eigentlich schon als Elder Statesman galt, trat er selbst zu Wahlen an. Prompt wurde er gewählt und 2007 im Amt bestätigt.

Seine zweite fünfjährige Amtszeit soll demnächst enden, Ende April sollen in Mali Präsidentschaftswahlen stattfinden, bei denen ATT laut Verfassung kein weiteres Mal antreten durfte – was er, anders als beispielsweise sein Amtskollege Abdoulaye Wade im benachbarten Senegal, auch gar nicht versuchte.

In den letzten Monaten aber brachten bewaffnete Rebellen der aus Angehörigen des Nomadenvolks der Tuareg bestehenden Nationalbewegung zur Befreiung von Azawad (MNLA) sowie islamistische Kämpfer der al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI) und ihrer Ableger fast die ganze Nordhälfte Malis unter Kontrolle. Dabei benutzen sie aus Libyen stammende Waffen des gestürzten Gaddafi-Regimes.

Die Armee Malis musste eine Garnison nach der anderen aufgeben. In der Nordhälfte des Landes, die die Tuareg „Azawad“ nennen, leben zwar nur 2 Prozent der Bevölkerung – aber der Prestigeverlust für den Staat ist enorm und das Unverständnis vieler Menschen im Süden Malis groß. Mehrere hunderttausend Menschen sind inner- und außerhalb des Landes auf der Flucht. Beide Kriegsparteien werfen sich gegenseitig Massaker am Gegner vor.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • JB
    Jochen Braun

    @von fisch189: Es geht eben mittlerweile nicht mehr nur um den Bereich der Sahara im Norden, sondern der Konflikt erreicht auch dichter besiedelte Gebiete in der Region um Gao und Tombouctou. Da leben einige Millionen Menschen und es gibt immer mehr Flüchtlinge, auch nach Burkina Faso, obwohl dieses Land eher die südöstliche Grenze Malis bildet.

     

    Ingesamt erinnert die Situation fatal an die Tuaregrevolte der 90er, da gab es etliche Massaker an Menschen aus dem Süden, insbesondere an Malinke und Fulani, dann wieder Massaker der Armee gegen Tuareg und so weiter. Schon damals hiess es, dass Lybien bzw. Ghaddafi seine Finger im Spiel hätte, das hat er wohl, wenn auch indirekt, immer noch.

  • IN
    Ihr Namearia

    "Mali galt jahrzehntelang als die Musterdemokratie Afrikas – und Amadou Toumani Touré (ATT) als afrikanischer Musterdemokrat. "

     

    Seit wann denn das? bei wem denn? Auf keinen Fall in der akademischen Forschung. Schon ein Blick auf die gescheiterte Dezentralisierungsreform sollte eine solche Aussage verhindern.

  • S
    Seksan

    Leider erwähnt die TAZ, warum auch immer, nicht die Sachlage, dass die Eskalation in Mali mit unglaublichem Elend für die Bevölkerung maßgeblich durch die Vorgänge in Libyen bedingt wurde? Es ist bedauerlich, dass unsere Medien, einschließlich der TAZ, diesen bereits vorher von Kritikern angekündigten Sachverhalt ignorieren. Ebenso wie es bedauerlich ist, dass die massenhaften schwersten Menschenrechtsverletzungen im neuen Libyen, die denen unter Gaddafi nciht das geringste nachstehen, nicht die notwendige Aufmerksamkeit finden. Indem wir aber Menschenrechte nur noch rhetorisch zur Durchsetzung unserer eigenen politischen Interessen verwenden, sind wir am Ende keinen Deut besser als unsere Gegner.

  • F
    fisch189

    Mali hat ca. 14 Mio. Einwohner. Wenn im Norden 2% der Bevölkerung leben, sind das 280 000. Wie können dort dann "mehrere Hunderttausend" auf der Flucht sein?