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Bürgerkrieg im Norden MosambiksTödliche Flucht im Indischen Ozean

Zehntausende Menschen flüchten über das Meer in die Küstenstadt Pemba. Manche überleben die Reise nicht. Doch zu Hause bleiben ist keine Option.

Pemba in Mosambik: Zehntausende flüchten über den Indischen Ozean in die Küstenstadt Foto: Eric Nathan/imago

Berlin taz | Zu Hunderttausenden versuchen verzweifelte Mosambikaner, die zwischen Regierungstruppen und islamistischen Rebellen umkämpften Gebiete im äußersten Norden des Landes zu verlassen – und weil die Straßen oft zu gefährlich sind und manche Küstenstädte von der Armee oder von den Aufständischen abgeriegelt worden sind, entdecken immer mehr Fliehende das Meer als Alternative.

Mit tödlichen Konsequenzen, wie sich am 29. Oktober erwies, als ein Boot mit über 70 Menschen im Indischen Ozean auf dem Weg in die Provinzhauptstadt Pemba sank. Die Zahl der bestätigten Toten stieg bis zum Wochenende auf 38. Erst am 2. November erreichten Überlebende Pemba und konnten von der Havarie berichten; mittlerweile werden auch Leichen an den Stränden angespült.

„Als das Boot sank, konnte ich mich an einem Wasserkanister festhalten und bis zur nächsten Insel gelangen“, berichtete Uyaca Mpate, die mit ihrem Mann auf der Flucht war, gegenüber der UN-Migrationsorganisation IOM. „Manche hielten sich an Kissen fest oder an Seilen, aber die anderen sind ertrunken. Auch mein Mann ist ertrunken. Die meisten Toten sind Kinder. Nur zwei Kinder haben überlebt“.

Seit Mitte Oktober sind laut IOM 274 Boote mit über 13.000 Menschen in Pemba gelandet. Immer noch kommen jeden Tag mehrere Hundert Neuankömmlinge, so der jüngste Lagebericht der humanitären UN-Koordinierungsstelle OCHA – unter ihnen unbegleitete Kinder, Schwangere, Schwerkranke und Behinderte. Sie sind aus Gebieten geflohen, in denen zuletzt heftige Kämpfe gemeldet wurden.

Immer wieder wird von Racheaktionen berichtet

Mosambiks Armee hat lokale Milizen gebildet, um die mutmaßlich aus Tansania eingedrungenen islamistischen Shabaab-Milizen zu bekämpfen; immer wieder wird berichtet, dass eine Seite sich an der anderen dadurch rächt, dass sie Dörfer anzündet und die Bewohner in die Flucht treibt. Der Regierungsarmee werden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, weil sie oft die nicht geflohene Zivilbevölkerung für Sympathisanten der Aufständischen hält. Sie erhält Unterstützung aus der Luft durch Hubschrauber der ursprünglich in der Wildereibekämpfung tätigen privaten Sicherheitsfirma Dyck Advisory Group.

Über 400.000 Menschen im Norden Mosambiks sind auf der Flucht. 100.000 leben in Übergangsunterkünften in der Stadt Pemba. Es mangelt an Nahrung, Trinkwasser und Gesundheitsversorgung; das Hilfswerk Ärzte ohne Grenzen warnte vor Kurzem vor einer Ausdehnung von Malaria angesichts der nahenden Regenzeit. Doch in den ländlichen Gebieten ist die Situation noch prekärer, zumal aus vielen Regionen auch das Gesundheitspersonal nach Pemba geflohen ist.

Eine Beruhigung des Konflikts ist nicht in Sicht. Am 2. November wurden in einem Wald des Distrikts Muidumbe die verstümmelten Leichen von 5 Erwachsenen und 15 Kindern gefunden – sie seien von Islamisten geköpft worden, erklärten die Behörden.

Immer wieder hat auch der „Islamische Staat“ (IS) die Aktivitäten der islamistischen Rebellen für sich beansprucht, ohne dass jedoch eine nachgewiesene direkte Verbindung besteht. Mehrfach sind zuletzt auch Angriffe der Rebellen im Süden des benachbarten Tansania gemeldet worden – dort rufen sie zum Sturz des Präsidenten John Magufuli auf, der Ende Oktober unter sehr umstrittenen Umständen wiedergewählt wurde und die Opposition massiv unterdrückt. Tansanias Armee hat bei Gegenschlägen mosambikanische Dörfer beschossen.

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