Bürger*innenrat in Freiburg: Klappt die Mitbestimmung?
Vor einem Jahr gab ein Klimabürger:innenrat um Freiburg Empfehlungen ab. Ein Ortsbesuch ein Jahr später zeigt, was er erreicht hat.
„Neulich ist jemand vorbeigekommen und hat gemessen, wie viel Strom meine Geräte verbrauchen“, sagt Quappe. Sein alter Kühlschrank sei durch einen neuen ausgetauscht worden, der nur ein Drittel des Stroms verbrauche. Bezahlt durch ein Programm der Stadt Freiburg.
Ein Jahr ist es her, dass Heiko Quappe und die anderen Mitglieder des Klimabürger:innenrats ihre Vorschläge vorgestellt haben. Es war ein Experiment. Zum ersten Mal in Deutschland schlossen sich 16 Städte und Gemeinden der Gegend zu einem interkommunalen Rat zusammen.
Die Aufgabe: Wie kann die Region möglichst schnell zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt werden? Drei Mitglieder des Klimarates hatte die taz 2022 begleitet. Die Schülerin Tabea Trost, den Systemadministrator Stefan Falk und eben Heiko Quappe. Sie sichteten Dokumente und hörten Vorträge über Photovoltaik und Stromtrassen. Anschließend diskutierten sie in Gruppen, was jetzt zu tun sei. Sie entwickelten 48 Empfehlungen.
Geld in der Schublade
Was ist ein Jahr später daraus geworden? Die taz hat nochmals nachgefragt. Die Abschlussdokumente aus Bürgerräten sind nicht bindend. Verschwinden sie einfach in der Schublade? „Das wäre eine Katastrophe für die Demokratie“, sagte Mitinitiatorin Gabriele Michel vor einem Jahr.
Zum Thema Windkraft empfahl der Rat, „dass alle ausgewiesenen Flächen im Windatlas sofort genutzt werden.“ Das heißt, an allen geeigneten Stadtorten soll gebaut werden. Außerdem sollten alle bisherigen Standorte repowered werden, also ältere Windräder durch leistungsfähigere ersetzt werden.
Wenn die 16 Städte und Gemeinden das umsetzen würden, müssten nun Dutzende Windräder im Entstehen sein. Das ist nicht passiert. Pläne für einzelne Windräder existieren zwar, aber der große Windkraft-Boom hat die Region Freiburg nicht erfasst. Das klingt erstmal ernüchternd.
„Man muss schon genau hinschauen, um die Fortschritte zu sehen“, sagt Stefan Falk. Der Systemadministrator war Teil der Windkraftgruppe im Klimabürger:innenrat. Da sei zum Beispiel dieses eine Projekt, das nun endlich verwirklicht werde.
Mit neuer Brille sehen
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Fünf Windräder sollen nahe einer Burg gebaut werden, jahrelang hatte die Betreiberfirma mit dem Denkmalamt, einer Bürgerinitiative und dem Regierungspräsidium darum gestritten. Nun gab es grünes Licht. Für Falk zeigt der Fall, dass die Behörden nicht mehr anders könnten, als die Projekte zu genehmigen. Auch Dank des gesellschaftlichen Druckes, der durch den Klimabürger:innenrat verstärkt wurde.
Auch Christian Ante, Mit-Initiator und Bürgermeister der Gemeinde Merzhausen, beobachtet das. Die Ergebnisse des Klimabürger:innenrats hätten dazu beigetragen, dass viel klarer sei, was sich die Bewohnerinnen und Bewohner der Region in Bezug auf den Klimaschutz vorstellten, sagte er der Badischen Zeitung. Im Klartext: Windräder.
Die Kommunalpolitiker:innen seiner Gemeinde fällten daraufhin einen Grundsatzentscheid: Fortan werde man alle Windkraftprojekte in dem Verwaltungsbereich unterstützen. In einem Streitfall, aus dem sich die Gemeinde früher herausgehalten hätte, wirbt sie gerade für den Bau eines Windrades.
Stefan Falk läuft seit vergangenem Jahr mit einer neuen Brille durch die Welt. „Ich sehe meine Gegend seitdem mit anderen Augen.“ Er sieht Potenziale: Hier könnte man ein Windrad bauen, dort nach Erdwärme bohren. Falk ist jetzt so etwas wie ein ehrenamtlicher Botschafter der Energiewende geworden.
Ständig spreche er Menschen aus seinem Umfeld an. Zwei Bekannte hätten sich daraufhin ein Elektroauto gekauft, in seinem Elternhaus werde eine Wärmepumpe installiert. Außerdem will Falk ein Solarprojekt anstoßen, bei dem sich Menschen zusammentun, um günstiger an eine Photovoltaik-Anlage zu kommen. Ähnlich wie der Windkraftausbau brauche das aber noch Zeit.
Klimaschutz konkret
Die Abiturientin Tabea Trost hat zuletzt im Sommer auf einer Veranstaltung von ihren Erfahrungen im Bürger:innenrat erzählt. Was genau aus den einzelnen Vorschlägen geworden ist, verfolgt sie nicht.
Ging es nicht genau darum: um konkrete Schritte? Kann man schon von einem Erfolg sprechen, wenn die Teilnehmenden selbst positiv zurückblicken?
Für sie persönlich sei das Problem Klimaschutz konkreter und lösbarer geworden, sagt Trost. „Ich weiß nun, was wir bei uns in der Region tun können.“ Vor allem sei ihr klar geworden, dass es gar nicht so schwer sei, etwas zu verändern. „Das hat mir Hoffnung gegeben“, sagt die Schülerin.
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