Bürgerbegehren in Hamburg ausgehebelt: Trickserei um Eimsbüttler Stadtpark
Bürgerinitiative wollte per Bürgerbegehren Wohnungsbau im „Stadtpark Eimsbüttel“ stoppen. Doch der Senat war schneller.
Hamburg taz | Hartmut Obends findet das Vorgehen des Senats „bürgerfeindlich“: Unbequeme Initiativen von Eimsbütteler BürgerInnen würden einfach „abgebügelt“, sagt der Chef der Linksfraktion in der Eimsbütteler Bezirksversammlung. Obens möchte das Grün in seinem Stadtteil retten, genauer den „Stadtpark Eimsbüttel“. Denn dort will der Senat Wohnungen bauen lassen. „Ständig quasseln die im Rathaus von Bürgerbeteiligung und dann hebeln sie elementare Bürgerrechte aus“, ärgert er sich.
Am 1. September reichte die Eimsbütteler Bürgerinitiative Mühlenkoppel ein Bürgerbegehren gegen die Umsetzung des Bebauungsplans Lokstedt 65/Stellingen 68 ein. Der sieht vor, dass ein Teil des Stadtparks Eimsbüttel, dem aus Kleingärten und Parks bestehenden Grüngürtel zwischen dem Eimsbütteler Kerngebiet und Niendorf, mit 150 bis 200 Wohneinheiten bebaut werden soll. Viele Schrebergärten müssten dafür weichen oder verlegt werden: „Wir wollten diese grüne Lunge erhalten“, sagt Initiativensprecher Jörg Dembeck.
Eine Woche später bekam die Initiative Post vom Bezirksamt. Das Bürgerbegehren sei „unzulässig“ teilte der zuständige Fachreferent den Mitgliedern der Initiative mit. Der Grund: Nur fünf Tage, nachdem das Bürgerbegehren eingereicht worden war, hob der Senat den umstrittenen Bebauungsplan auf die Tagesordnung und wies den Bezirk an, ihn „zügig und mit Priorität“ umzusetzen.
Durch diesen Beschluss der Stadtregierung wurde das Planverfahren der bezirklichen Ebene entzogen, mit der Folge, dass lokale Bürgerbegehren nun rechtlich nicht mehr greifen. Nur drei Tage später wäre ein wortgleicher Beschluss des Senats ins Leere gelaufen, weil das Bezirksamt nach einer Woche die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens hätte feststellen müssen.
„Das ist ein Stil, der mit der sonst immer beschworenen Bürgerbeteiligung nicht das Geringste zu tun hat“, kritisiert Obens. „Es wäre genug Zeit vorhanden gewesen, auf das Anliegen der Initiative einzugehen und das Gespräch zu suchen, statt diese formaljuristisch auszutricksen.“
Die Stadtentwicklungsbehörde betont hingegen, dass die „Anweisung an den Bezirk, das Bebauungsplanverfahren zügig durchzuführen“ gemacht worden sei, „damit unsere wohnungsbaupolitischen Ziele schnell realisiert werden“. Der Bebauungsplan sei „ein bedeutender Beitrag zum Wohnungsbau in Eimsbüttel“, sagt Behördensprecher Magnus Kutz. Der Bezirk habe ihn „einstimmig beschlossen“. Für die Kleingärten würde an anderer Stelle „Ersatz geschaffen“.
1.050 Wohnungen muss der Bezirk Eimsbüttel jährlich bauen – sein Beitrag zur Wohnungsbauoffensive der Stadt. Da diese Zahl allein mit Nachverdichtungen nicht zu erreichen ist, kommen auch Frei- und Grünflächen auf den Prüfstand. Der Hamburger BUND-Chef Manfred Braasch warnt deshalb: „Der Wohnungsbau in Hamburg geht planlos auf Kosten der Natur.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen
Nahost-Konflikt vor US-Wahl
„Netanjahu wartet ab“
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Anschläge auf „Programm-Schänke“
Unter Druck
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Grundsatzpapier des FInanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik