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Bürger protestieren gegen SchröderNicht mit dieser Familienministerin

Frauenaktivistinnen wollen einen offenen Protestbrief an Familienministerin Schröder übergeben. Die lässt sich nicht blicken. Der Brief kommt trotzdem an.

Suchen eine überzeugendere Frauenministerin: Protestierende vor dem Ministerium. Bild: dapd

BERLIN taz | Schließlich war es die Empfangsdame, die den schweren Papierstapel entgegennahm. Eigentlich wollten die InitiatorInnen der Webseite nichtmeineministerin.de Familienministerin Kristina Schröder (CDU) persönlich einen offenen Brief mit 24.176 Unterschriften übergeben. Aber die Ministerin ließ sich nicht blicken.

In dem Schreiben kritisieren die UnterzeichnerInnen Schröders Frauen- und Familienpolitik und fordern sie auf, sich für eine „bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ einzusetzen. Die InitiatorInnen waren über Schröders Fernbleiben nicht überrascht. Sie hätten schon vorher gewusst, dass es keinen Termin geben würde, sagten sie.

Im Foyer des Bundesfamilienministeriums versammelten sich am Vormittag VertreterInnen der Berliner Grünen, der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, der Piratenpartei und der Frauenorganisation Terre des Femmes. Sie hatten den offenen Brief verbreitet. Den Aufruf hatten über die eigens eingerichtete Webseite seit Mitte April zahlreiche Privatpersonen sowie viele Frauenzentren, -vereine und Beratungsstellen aus ganz Deutschland unterzeichnet. Auch Bundes- und Landtagsabgeordnete sind dabei.

Anlass für das Schreiben war ein Buch, das Schröder im April veröffentlicht hatte. Unter dem Titel „Danke, emanzipiert sind wir selber“ spricht sich Schröder darin gegen feministische Ideen aus und fordert weniger politische Eingriffe in Frauen- und Familienangelegenheiten. Damit kehrt sie eine etablierte feministische These um: Das Private solle nicht länger politisch sein. Schröder erntete für ihr Werk harsche Kritik aus Medien und Politik. „Sie provoziert eine gesellschaftliche Debatte und ist nun nicht in der Lage, sie zu führen“, sagte Bettina Jarasch, Landeschefin der Berliner Grünen.

Der „Kegelclub“ ist auch da

Gegen Schröders Forderungen, Frauen politisch wieder mehr sich selbst zu überlassen, wendete sich auch Sibylle Schreiber von Terre des Femmes: „Es gibt strukturelle Benachteiligungen“, sagte sie: „Wir brauchen eine starke Frauenministerin, die sich für Fraueninteressen einsetzt.“

Vor den Türen des Ministeriums hatte sich auch eine Gruppe junger Piratinnen eingefunden. Als „Kegelclub“ beschäftigen sie sich innerhalb der Piratenpartei mit Geschlechterfragen. Ihr loser Verbund organisiere sich über das Internet, sagte Lotte Steenbrink, die seit zwei Jahren in der Partei aktiv ist.

Auch Familienministerin Schröder scheint die Netzkommunikation mittlerweile ernst zu nehmen. Über einen Sprecher begründete sie ihr Fernbleiben mit einem Missverständnis. Per Mail teilte der Sprecher mit: „Wir hätten erwartet, dass man uns um Punkt 11 den Link zumailt. Und nicht, dass SPD und Grüne das Internet ausdrucken. Oder um es im Twittersprech zu sagen: #fail.“ Was Schröder von dem offenen Brief hält, hat sie nicht gepostet.

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8 Kommentare

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  • C
    Celsus

    Weder die CDU noch ihre Ministerin haben im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei "NormalbürgerInnen" Wissen oder Erfahrung. Die ganze Weisheit erschöpft sich in zeitweiese geäußerten rühseligen Appellen an freiwillige Leistungen der Wirtschaft, die es daraufhin noch nie gab. Das ist Volksverarschung.

     

    Kein Wunder, dass diese Partei gegen direkte Demokratie ist. Die glauben doch, sie könnten alle naslang das Volk verarschen. Und dem Volk die Politik "überlassen"?

  • I
    Irene

    "Bürger protestieren gegen Schröder" las ich, und als ich gespannt den offenen Brief aufrief, wer stand da bei den ErstunterzeichnerInnen? Keine normalen BürgerInnen sondern Claudia Roth und Renate Künast. Beiden nehme ich nicht ab, dass es ihnen um die Frauen geht, denn beide hätten während der rot-grünen Regierung durch ihre Politik durchaus zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie beitragen können. Kita-Ausbau, Arbeitszeitverkürzung, Löhne von denen man leben kann, es hätte viele Möglichkeiten gegeben. Schon in der Regierungserklärung 04/02 wurde schließlich von Bundeskanzler Gerhard Schröder eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu einem zentralen Reformvorhaben gemacht.

    Der offene Brief war wohl eher eine Gelegenheit, Frau Schröder oder der Regierung Merkel eine auszuwischen.

  • N
    Normalo

    Komisch. Da beschweren sich Teile des politischen Spektrums fortlaufend über den angeblich ausufernden Lobbyismus in Berlin. Aber wenn es um die Wünsche und Bedürnisse von Frauen geht, muss es mindestens eine Cheflobbyistin mit Ministerrang sein, damit die Interessenvertretung hinreichend gewährleistet ist...

     

    Zum Einen: Selbst Gerd Schröder hat in seiner abschätzigen Kurzbezeichnung des Ministeriums nicht unterschlagen, dass es neben Frauen auch noch für "Gedöns" zuständig ist. Die Begriffsreduzierung auf "Frauenministerin" ist schon eine Vereinnahmung, die den egalitären Anstrich der Frauenbewegung als Fassade entlarvt.

     

    Zum Zweiten: Frauenpolitik heißt nicht, Alles sofort zu tun, was ein Teil der Frauen gerne hätte. Es heißt, politisch die Rolle der Frauen in der Gesellschaft zu begleiten. Dabei KANN man der Ansicht sein, dass Frauen nach wie vor wehrlose Opfer der Männerwelt sind und ohne staatliche Hilfe das Joch nicht abschütteln können, das sie zur jämmerlichen Existenz als Gebärmaschine, Hausmütterchen und willenloses Lustobjekt zwingt. Man kann das aber auch anders sehen - wie zum Beispiel Frau Schröder.

     

    Zum Dritten: Dass eine Ministerin eines schwarz-gelben Kabinetts nicht die Ministerin der grünen, roten oder Piraten-Agenda ist, sollte keine weltbewegende Erkenntnis sein, für deren Übermittlung Frau Schröder sich extra Zeit nehmen müsste. Auch 24.000 Unterschriften sind bei einer Zielgruppe von zig Millionen nicht wirklich markerschütternd.

  • G
    Gina54

    Die gleiche Empörung hätte ich mir gewünscht, als die rot-grüne Regierung Zuhälterei legalisiert hat und den Steuerfreibetrag für Alleinerziehende abgeschafft hat.

    Oder als die Unterhaltsansprüche von Frauen, die jahrzehntelang Kinder erzogen haben, gestrichen wurden.

    Wenn so Frauen- und Familienpolitik aussieht, hat die Vorstellung, dass die Politik sich weniger um Frauen und Familien kümmert durchaus ihre Reize und eine Familienministerin, die sich aus Allem heraushält, wird zumindest die Situation der Frauen nicht noch weiter verschlechtern, so wie es einige ihrer Vorgängerinnen getan haben.

  • H
    Horsti

    Die "strukturellen Benachteiligungen" von denen die Terre-de-Femmes-Dame redet, erschöpfen sich leider in üblichen Phrasen: Lohnlüge, Gläserne Decke etc.

    Da ist Frau Schröder schon viel weiter.

  • E
    emil

    jupps, mehr bleibt zu dieser personalie wohl wirklich nicht zu sagen: #fail auf ganzer linie

  • P
    Pirat

    Schrder hin, Schröder her. Das hier ist doch albern. Es wird sich immer jemand finden, der sagt "nicht meine Ministerin". Solche Dinge sollten demokratisch entschieden werden. Die "Aktivistinnen" haben nur so viel zu sagen wie sie Stimmen haben und nicht wieviel Bedeutung ihnen Journalisten geben. Es sollte nicht die Straffheit der Organisation entscheiden. Im Übrigen geht mir der Grad der Ablehnung Schröders in der taz langsam auf den Keks. Das ist schon langsam Hass. Man versucht die Person plattzumachen weil sie die falsche Meinung hat. Nicht zuletzt ihr berechtigtes Eintreten gegen Linksextremisten ist doch eher das rote Tuch. Über die Themen Schröders an sich wird und wurde nirgens ernsthaft geredet. Es ist immer mehr so, daß absolut jeder mit anderen als 70er-Jahre-Ansichten bis ins Private gejagt wird. Das sind Nazi- oder Sozialismusmethoden. Dieser Artikel ist nur ein Baustein dessen. Ich würde meiner Kinder auch in den Kindergarten schicken. Wenn es aber eine Frau aus perönlichen oder organisatorischen(z.B auf dem flachen Land) Gründen nicht will, dann soll sie nicht bestraft werden. Das Betreuungsgeld ist an sich generell unsinnig und nur zum ideologischen Kampf geeignet. Es sollte erst einmal genug Kindergartenplätze geben und dann sollten Kindergärten besser ausgestattet und am besten kostenlos sein. Dazu wäre all die Kohle besser ausgegeben. Die meisten "Aktivistinnen" mit denen ich sprach haben übrigens gar keine Kinder. Das ist dann wie wenn der Pabst das große Ficken organisiert.

  • G
    gast

    der staat darf sich auch nicht in das privatleben der leute einmischen.

    es ist aber die aufgabe des staates infrastrukturen zu schaffen die verschiedene lebensmodelle ermöglichen. die wirtschaft ist familienfeindlich. wir brauchen strukturen die eine wahlfreiheit ermöglichen.

    indem der staat nichts macht bleibt die strukturelle benachteiligung erhalten und mischt sich somit indirekt in das privatleben ein.