Bündnis kritisiert Kita-Notbetreuung: „Alle Eltern brauchen Perspektive“
Die Ausweitung der Kitanotbetreuung in Berlin läuft an den Bedürfnissen der Eltern vorbei, kritisiert Corinna Balkow vom Landeselternauschuss Kita.
taz: Frau Balkow, das Bündnis Kitakrise Berlin und andere Elternbündnisse organisieren am heutigen Montag eine Kundgebung vor dem Roten Rathaus – aus Unzufriedenheit mit der politischen Unterstützung für Eltern in der Coronakrise. Was genau kritisieren Sie?
Corinna Balkow: Im Moment ist es ja so geregelt in Berlin: Entweder du hast den richtigen Beruf und bist drin, hast also Anspruch auf Notbetreuung, oder eben nicht. Natürlich war es anfangs sehr wichtig, dass Menschen, die im medizinischen Bereich arbeiten, ihre Kinder sicher betreut wissen. Aber jetzt sind wir langsam in der Situation, dass auch die anderen Eltern eine Perspektive brauchen. Auch die Eltern, die vielleicht Risikogruppe sind. Die wissen gerade überhaupt nicht, wann es irgendwie mal für sie weitergehen könnte. Von den Berufen alleine her zu denken, die Notbetreuung so schrittweise immer weiter auszudehnen, wie es bisher passiert ist, das ist falsch.
Warum denn?
ist Vorsitzende des Landeselternausschuss Kita in Berlin, Mutter eines Kita- und eines Schulkindes und derzeit im Home Office.
Es berücksichtigt nicht die sehr unterschiedlichen Bedarfe, die die Eltern haben. Und, wie gesagt: Die Krise, das sehen wir jetzt, wird uns voraussichtlich noch sehr lange beschäftigen. Da brauchen jetzt nicht nur einige Eltern eine Perspektive, sondern alle. Es sollte nicht so sehr um Anspruch gehen, es geht um Entlastung.
Wie soll das gehen, wenn die Kitas gleichzeitig die Hygieneregeln einhalten sollen und nur begrenzt Personal zur Verfügung haben, weil das teilweise selbst Risikogruppe ist?
Es brauchen ja nicht alle das Gleiche. Nicht jeder braucht fünf, sechs Stunden Betreuung am Tag. Wir haben eine Umfrage unter über 1.000 Berliner Eltern gemacht, viele sagen: Ein- oder zweimal die Woche eine Entlastung zu haben, würde mir schon reichen. Oder: Wenn ich weiß, ich kann an drei Tagen die Woche vormittags im Homeoffice etwas schaffen, wäre das toll. Oder: Mir reicht es, wenn der Kitagarten nachmittags von 16 bis 18 Uhr geöffnet ist und die Kinder könnten beaufsichtigt an der frischen Luft spielen.
Am Montag planen die Bündnisse Kitakrise Berlin und Eltern Initiativ – Eltern in der Krise eine Protestaktion vor dem Roten Rathaus für eine bessere, flexiblere Notbetreuung und mehr Hilfen für Familien in der Corona-Krise. Wegen der Corona-Beschränkungen rufen sie nicht öffentlich zum Protest auf – es wird aber getwittert, u.a. unter @KitakriseBerlin, und die Bündnisse rufen dazu auf, den Protest über Tweets weiter zu tragen.
Am Donnerstag soll die nächste Stufe der Kita-Öffnung erfolgen. Dann sollen alle Kinder wieder Anspruch auf eine Notbetreuung haben, die im kommenden Jahr in die Schule kommen sowie deren Geschwisterkinder. (taz)
Das wäre also eine Art Schichtbetrieb in den Kitas. Die Kitas sollen also kreativer werden – und die Senatsverwaltung muss das ermöglichen?
Ja, genau. Es braucht gesicherte Angebote. Das ist einfach fairer, als wenn einige Glück haben – und die anderen eben nicht.
Bleibt weiter die Frage: Woher kommt das Personal?
Die Senatsverwaltung könnte auf die Erzieherinnen zugehen, die jetzt zu Hause sind, weil sie Risikogruppe sind. Wir wissen, dass es viele gibt, die bereit wären, zum Beispiel an drei Tagen in der Woche eine kleine Spielgruppe für fünf bis acht Kinder anzubieten. Da ist das Risiko ja ein ganz anderes als in den jetzt immer voller werdenden Kitas.
Die Eltern-Bündnisse fordern auch ein „Corona-Elterngeld“ von 1.000 Euro monatlich. Wäre das nicht eher ein Anreiz, so ein bisschen wie bei der Herdprämie damals, dass ein Elternteil dann eben auf die Kinder aufpasst – im Zweifel die oft schlechter verdienende Frau – und der Mann hat seine Ruhe im Homeoffice?
Es geht uns um eine bessere finanzielle Absicherung. Ein erhöhtes Kindergeld ist eine Idee. Es geht aber zum Beispiel auch um einen Lohnausgleich, wenn ich meine Stunden wegen Kinderbetreuung reduzieren muss. Oder darum, dass die Kosten für eine Kinderbetreuung übernommen werden. Im Moment ist es so, dass die Eltern sich selbst über private Netzwerke etwas organisieren müssen. Dass kann aber nicht sein. Das geht vielleicht zwei oder vier Wochen lang. Aber die Politik muss da jetzt etwas anbieten.
Wie läuft's denn eigentlich bei Ihnen zu Hause?
Mein Mann und ich sind mit zwei Kindern, ein Kita- und ein Schulkind, im Homeoffice. In der Notbetreuung sind die Kinder nicht. Wir sind ein Informatiker-Haushalt, von daher sind wir mit Tablets, PCs etc. ganz gut ausgestattet, und wir haben auch extra noch ein neues Lan-Kabel verlegt, damit jetzt an allen Schreibtischen Internet ist. Das klappt also, aber ganz ehrlich: Wenn ich eine zweistündige Videokonferenz habe, muss mein Mann die Kinder betreuen. Das macht man nicht nebenbei alleine.
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