Bündnis-Sprecher über Nazi-Aufmarsch: "Wir blockieren!"
Paul Tschirmer, Sprecher von "Dresden Nazifrei", über Gewaltfreiheit, die Legitimität von Blockaden, CDU-Mann Tillich und den Stand der Mobilisierung.
taz: Herr Tschirmer, die Einstellung zu den Naziaufmärschen im Februar beachtlich gewandelt. Nach den "NSU"-Enthüllungen stellt sich Ministerpräsident Stanislaw Tillich verbal an Ihre Seite. Freuen Sie sich?
Paul Tschirmer: Prinzipiell begrüßen wir es natürlich, wenn Politiker aller Couleur zum Kampf gegen Rechts aufrufen. Aber eigentlich hat jemand wie Tillich nach dem CDU-Verhalten in der Vergangenheit nicht die Legitimation, dazu Stellung zu nehmen.
Von städtischen Arbeitsgruppen ist das Bündnis nicht eingeladen worden. Ärgerlich?
ist einer der Sprecher des Bündnisses "Dresden Nazifrei", das zur Blockade des alljährlichen Nazi-Aufmarschs am 13. Februar in Dresden aufruft.
Grundsätzlich macht uns das Nebeneinander erst einmal nichts aus. In der "AG 13. Februar" sitzen nun einmal Kräfte, die die Funkzellenabfrage befürwortet haben und die bei der Aufarbeitung dieser Datenaffäre eine Salamitaktik zeigen. Wir erwarten nicht, dass nun die städtische AG zu Blockaden aufruft, aber wir sind froh, dass sie sich engagierter zeigt und beispielsweise eine Kundgebung in Hör- und Sichtweite der Nazis befürwortet.
Sie unterscheiden sich von anderen Nazigegnern durch die konsequenten Aufrufe zu Blockaden. Materiell ein Rechtsverstoß.
Es ist ein formaler Regelverstoß, aber es gibt unterschiedliche Betrachtungsweisen. Wir sehen uns gestärkt durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts, dass diese Form von Blockaden unter den Schutz des Versammlungsrechts gestellt hat. Wir blockieren und zeigen, dass Nazis keinen Platz in dieser Gesellschaft haben. Außerdem wollen wir alle damit stärken, die Zivilcourage gezeigt haben, ihrem Gewissen gefolgt sind und deshalb von Politikern und Ermittlungsbehörden diffamiert und kriminalisiert werden.
Auch von Nazigegnern wurden Gewalttaten verübt - distanzieren Sie sich davon?
Wir haben unsere Aktionsformen und unseren Aktionskonsens und können keine Verantwortung für Leute übernehmen, die von außerhalb anreisen und selbstständig agieren. Wir hatten im Vorjahr ein Problem mit dem veränderten Konzept der räumlichen Trennung von Naziaufzügen und Gegendemonstranten. Das frühe Einschreiten der Polizei hat auch Aggressionen bei friedfertigen Bürgern freigesetzt. Wir kontrollieren niemanden, jeder ist für sich selbst verantwortlich. Wir können nur an die Einhaltung unseres eskalationsfreien Konzepts appellieren.
Schreckt die bekannte gewordene massenhafte Abfrage von Handydaten Demonstranten in diesem Jahr ab?
Der Mobilisierungsstand ist gut. Viele sprechen mit uns, bei Facebook gibt es mittlerweile rund 16.500 Unterstützer. Wir rechnen damit, dass mit mehr als 15.000 Bürgern etwa die gleiche Anzahl wie im Vorjahr nach Dresden kommen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Bombenattentat in Moskau
Anschlag mit Sprengkraft
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf