Büchnerpreis für Sibylle Lewitscharoff: Ein literarisches „Krönchen“
Sie ist wohl die sprachmächtigste Autorin Deutschlands, ihre Romane sind von großem Sprachwitz. Nun hat Sibylle Lewitscharoff den Büchnerpreis erhalten.
Sie ist Deutschlands sprachmächtigste Schriftstellerin und die Favoritin derjenigen Leserinnen und Leser, die unter Literatur nichts Geringeres als hoch orchestrierte Sprachkunstwerke erwarten. Sibylle Lewitscharoff wurde 1954 geboren, sie lebt in Berlin und ist gerade um 50.000 Euro sowie eine bedeutende Literaturauszeichnung reicher geworden: Am Wochenende wurde ihr von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt der Büchnerpreis verliehen, Deutschlands bedeutendster Literaturpreis.
„Haben wir nicht alle gerne das Krönchen auf dem Haupt?“, hat sie gerade noch in einem Interview in der Zeit rhetorisch gefragt. Nun trägt sie die literarische Krone.
Von großem Sprachwitz sind ihre Romane „Pong“, „Apostoloff“ und zuletzt „Blumenberg“ getragen. Sie werden aber auch grundiert von einem immens großen Glauben an die Literatur, der geradezu religiöse Züge trägt. Am deutlichsten hat die Autorin das bisher in ihren Poetikvorlesungen formuliert, die unter dem bewusst klassischen Titel „Vom Guten, Wahren und Schönen“ erschienen sind: „Erlösung heißt das Zauberwort. Der Stil muss den Gnadenschatz bergen, der Erlösung vom Bann des Alltäglichen verspricht, Erlösung von Schmutz und Schuld.“
Solche pathetischen Sätze meint Lewitscharoff, in Stuttgart aufgewachsene Tochter eines bulgarischen, nach Deutschland emigrierten Vaters und einer deutschen Mutter, unbedingt ernst. Während ihr zur Gegenwart Vokabeln wie „Geschwätz“ und „Vulgarität“ einfallen, sucht sie in den Vorlesungen die Zwiesprache mit toten Genies, mit Kafka etwa.
Mit Büchner, dem Namenspatron des Preises, kann sie, wie sie in der Zeit noch meinte, dagegen nicht so viel anfangen. Immerhin sagte sie nun in ihrer Dankesrede, dass die geistige Zerrüttung der Hauptfigur aus Büchners berühmter Erzählung „Lenz“ ihr „Hausthema“ sei: „Im wirklichen Leben mache ich einen Riesenbogen um die massiv Gestörten, aber in der Literatur hege und pflege ich sie.“
Wenn sie nicht gerade Literaturpreise entgegennimmt, sitzt sie derzeit in Rom in der Villa Massimo und arbeitet an ihrem ersten Krimi. Im Frühjahr wird er erscheinen. „Killmousky“ soll er heißen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch