■ Bücher.klein: „Auschwitz-Lüge“
„Auschwitz und die ,Auschwitz-Lüge‘“ ist Titel des Buches, und der interessierte Leser darf davon ausgehen, daß die Versuche, den Holocaust zu leugnen, im Mittelpunkt der Abhandlung stehen. Tun sie aber nicht. Auf gerade einmal 25 Seiten befaßt sich Till Bastian mit der „revisionistischen“ Literatur und versucht, deren Argumentation zu widerlegen. Der Rest ist gefüllt mit einem äußerst knappen Überblick zum Thema Judenverfolgung und -vernichtung unter dem Nationalsozialismus. Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Darstellung nicht erschöpfend sein kann. Tatsächlich finden sich in diesem Abriß kaum wirkliche Fehler – doch um sich in diese Thematik einzuarbeiten, sind schon Legionen besserer Werke erschienen.
Was die Veröffentlichung ärgerlich werden läßt, ist die ungenügende Auseinandersetzung mit den Auschwitz- Leugnern. Mit der Oberflächlichkeit, mit der Bastian die „revisionistische“ Literatur behandelt, ist den Holocaust-Leugnern nicht beizukommen. Tatsächlich werden gerade die Quellen, die der Autor gegen die Darstellung von Alt- und Neonazis aufführt, von diesen selbst genüßlich behandelt. Die Augenzeugenberichte, die Bastian anführt, sind auch den „Revisionisten“ bekannt – nur finden sie immer wieder Gründe, diese als falsch oder widersprüchlich abzulehnen. Eine Entlarvung der Argumentation von Auschwitz- Leugnern ist aber nur dann möglich, wenn man sich mit den schmutzigen Tricks dieser sog. Wissenschaftler auseinandersetzt. Da geht es oft um Kleinigkeiten, einseitig interpretierte Akten, unzulässige Ausschnittvergrößerungen.
Der Leser von Bastians Buch wird einer Auseinandersetzung mit dem intellektuellen Neonazi nicht gewachsen sein. „Es ist nicht nötig, auch noch auf all die anderen Absurditäten in Leuchters Gutachten einzugehen“, schreibt Bastian zu dem Lieblingswerk der Holocaust-Leugner. Doch, es ist!
Hinzu kommt, daß Bastian ein böser Fehler unterläuft: „Die Wannseekonferenz (...) beschließt die ,Endlösung der Judenfrage‘“. Gerade diese Behauptung wird von den Neonazis immer wieder als Beleg dafür aufgeführt, daß es den Holocaust gar nicht gegeben hätte. Denn die Protokolle der Wannseekonferenz enthalten keinen Beschluß zum Massenmord. Es war die Organisation der Deportation, die am 20. Januar 1942 diskutiert wurde.
Auch dem Lehrer, der sich mit rechtsradikal eingestellten Schülern herumschlagen muß, hilft Bastians Buch im pädagogischen Alltag nur wenig weiter. Doch die Argumente gegen die „Revisionisten“ bleiben zu stark auf der moralischen Ebene. Mit Moral aber lassen sich die Auschwitz-Leugner nicht beeindrucken. klh
Till Bastian: Auschwitz und die „Auschwitz-Lüge“, Verlag C.H. Beck, München 1994, 102 Seiten, 12,80 DM
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