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Bücher auf Rezept

Deutsche Kinder sollen frühzeitig ans Lesen herangeführt werden. Im Projekt „Lesestart“ helfen KinderärztInnen mit

MAINZ taz ■ KinderärztInnen tragen heute eine große Last. In Zeiten der vernachlässigten Kevins und Jessicas wird ihnen neben medizinischer Versorgung auch die Rolle der Feuerwehr zugeschustert. Bei blauen Flecken oder psychischen Verhaltenstörungen sollen sie das Jugendamt einschalten. Die Stiftung Lesen will ihnen jetzt einen dankbareren Job übertragen: Sie sollen bei ihren Patienten und Patientinnen die Leselust fördern.

In Sachsen läuft bereits seit November 2006 das dreijährige Modellprojekt „Lesestart“, unterstützt vom Sozialministerium des Landes und der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU). Vorbild ist das englische Projekt „Bookstart“, mit dem die Briten seit ein paar Jahren Bücher an den Nachwuchs bringen. Bei der ärztlichen Vorsorgeuntersuchung von Einjährigen erhalten alle Eltern kostenlos ein Bilderbuch, Vorlesetipps und ein sogenanntes Mitmach-Tagebuch. Da 95 Prozent der Eltern mit ihren Kindern zu dieser Untersuchung gehen, ist die Streuung groß. Zum zweiten Geburtstag gibt es vom Kinderarzt ein weiteres Set, an die Dreijährigen verteilt dann die Stadtbibliothek neuen (Vor-)Lesestoff.

Dass die Kinder in dem Alter selbst noch keine Buchstaben entziffern können, ist nicht wichtig. „Bücher sollen so früh wie möglich Teil ihres Alltags werden“, sagt Projektleiterin Sabine Bonewitz. Und das gilt auch für ihre Eltern. Viele haben selbst keine Bücher. Studien haben gezeigt, dass in zwei Dritteln aller Familien mit Kindern von null bis zehn Jahren Vorlesen keine Rolle mehr spielt.

„Wir wollen, dass Kinder zuerst mit Büchern vertraut sind und nicht mit der Fernbedienung“, so Bonewitz. Und damit nicht nur die Kinder in Sachsen profitieren, sucht sie nach Verbündeten aus Politik und Wirtschaft, die das Projekt ab 2008 bundesweit möglich machen. Der Bertelsmann-Verlag sowie die Papier- und Druckindustrie sind schon dabei: Alle wollen verhindern, dass Bücher und Zeitungen mangels Nachfrage aussterben. Mit der bisherigen finanziellen Unterstützung kann jedoch nur jedeR zweite oder dritte Einjährige zum Lesen angestiftet werden. „Wir hoffen, dass sich auch die Ministerien noch engagieren“, so Bonewitz. Dann könnten nämlich alle versorgt werden. Die Stadt Heidelberg will nicht mehr so lange warten: Mütter bekommen dort ab Februar von der Kommune schon nach der Entbindung ein Leseset. NATALIE WIESMANN

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