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Buchvorstellung "Über das Trinken"Rettet den Rausch

Peter Richter stellt im Grill Royal in Berlin sein Buch "Über das Trinken" vor. Die Hölle auf Erden, das sei eine Gesellschaft nur mit Nüchternen, so der "FAS"-Autor.

Eine Gesellschaft von lauter Berauschten kann anstrengend sein – noch schlimmer findet es der Autor allerdings, wenn alle nüchtern sind. Bild: marshi / photocase.com

BERLIN taz | Fürs Foto lässt Ulrich Wickert das Bierglas dann doch lieber unter dem Tisch verschwinden. Irgendwie ist das hier ja doch Arbeit, und bei der Arbeit trinkt man nicht - zumindest nicht in Deutschland. Nicht mehr.

Früher, hach früher, gehörte ein Gläschen in Ehren (oder auch zwei) zum Journalistenberuf dazu wie überquellende Aschenbecher und sexistische Sprüche. "Der internationale Frühschoppen", der so gesellig war, wie er hieß, begann eine Stunde vor der Sendung mit einem Vorglühen der Gäste, erinnert sich der Ex-"Tagesthemen"-Moderator, 68. Es gibt also viel zu erinnern - und Wickert erinnert sich gern, etwa an die Empfehlung eines Zahnarztes, mit Whiskey zu gurgeln ("Sie müssen es auch nicht ausspucken") und die Kooperativität der Bonner Polizei, wenn der junge Wickert sein Auto mal wieder stehen lassen musste.

Peter Richter könnte von ganz anderen Erfahrungen mit der Berliner Polizei berichten - wenn er wollte und Wickert ihn ließe. Eigentlich ist das hier in einem schummrigen Hinterzimmer des Mitte-Steakhauses Grill Royal sein Abend, die Vorstellung seines neuen Buchs "Über das Trinken", doch der Rote aus Richters sächsischer Heimat, zu dem Wickert nach einem Pils gegen den Durst übergegangen ist, hat ihm die Zunge gelockert, und Richter, FAS-Feuilletonredakteur, macht keine Anstalten, ihn zu stoppen. Von Richter erfährt man also wenig - außer dass es ihm ganz recht zu sein scheint, dass man wenig von ihm erfährt.

In all den süffigen Anekdoten aus Wickerts Journalistenleben wäre die Botschaft des Buchs fast untergegangen wie bei harten Trinkern der Schnaps im Bierglas - wenn Richter nicht noch aus dem letzten Kapitel gelesen hätte: "Rettet den Rausch!" - und genau darum geht es Richter, um einen Kontrapunkt zur um sich greifenden Verbotskultur: "Eine Gesellschaft von lauter lauten Berauschten kann anstrengend sein. Aber eine Gesellschaft (…) nur mit Nüchternen und zur Nüchternheit Entschlossenen: Das wäre die Hölle auf Erden."

Heftiger Applaus. Und schon sieht man sogar Wickert in milderem Licht. Kann aber auch der Wein sein.

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2 Kommentare

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  • B
    Bohné

    Nüchtern betrachtet ist einzelnd kein richtiges Wort und der einfache Weg zumindest verlockend; wenn nicht mehr.

  • N
    Nico

    Vielleicht sollte man sich mal überlegen ob man nicht etwas ändern will, wenn man nüchtern (einzelnd oder als kollektiv) nicht zu ertragen ist. Aber da is' Trinken ja viel einfacher.