Buch über private Uni-Finanzierung: Überall Stiftergehorsam
Ein Professor rechnet mit der privat finanzierten Forschung ab. Sein Urteil: Die Probleme sind systemimmanent.
Lenkt die Industrie die universitäre Forschung? In seinem neuen Buch „Gekaufte Wissenschaft“ kritisiert Christian Kreiß die Abhängigkeit staatlicher Hochschulen von privaten Geldern und zeigt ihre Folgen auf: Gutachten, die Gesundheitsrisiken verschweigen, Professoren, die bei kritischen Veröffentlichungen um ihre Stelle bangen, Hochschulen, die den Geldgebern vertraglich Einflussnahme zusichern.
Seine Anschuldigungen belegt Kreiß mit haarsträubenden Beispielen aus Tabak-, Agrar- oder Pharmaindustrie. Internationale Großkonzerne wie Monsanto, BASF oder GVK Bio fälschten skrupellos Studien, um ihre Produkte zu vermarkten. Der Leser soll verstehen: Die Einflussnahme von Wirtschaftsinteressen auf Lehre und Forschung ist kein Einzelfall, sondern ein systemimmanentes Problem.
Und dem liegt, folgt man Kreiß, ein doppelter Irrglaube zugrunde: erstens die Annahme, dass industriegesponserte Forschung per se gut für die Wissenschaft sei und oft gar als Beweis ihrer Exzellenz gewertet werde. 7,1 Milliarden Euro an Drittmitteln, rund ein Viertel des gesamten Hochschuletats, warben deutsche Hochschulen 2013 bei Unternehmen und öffentlichen Forschungsprogrammen ein. 2001 waren es noch gerade mal 3 Milliarden Euro. Der Trend zeige, wie sehr sich Hochschulen um private Gelder bemühten.
Der zweite Irrglaube: Die Industrie könne gar keinen Einfluss auf Lehre und Forschung nehmen, wenn man nur die Verträge entsprechend gestalte. Dafür führt der Autor, der eine Professur für Finanzierung an der FH Aalen innehat, eine persönliche Erfahrung an: Vor ein paar Jahren zog Kreiß seine Bewerbung für einen Stiftungslehrstuhl für Corporate Finance an der Hochschule München zurück.
Christian Kreiß: „Gekaufte Wissenschaft. Wissenschaft im Dienst der Konzerne“. Europaverlag Berlin 2015, 240 Seiten, 19 Euro.
„Schere im Kopf“
Nicht weil der Unternehmensberater, der den Lehrstuhl auf begrenzte Zeit finanzierte, irgendwelche Vorgaben gemacht oder bei der Berufung des Professors reingeredet hätte, sondern weil Kreiß die „Schere im Kopf“ fürchtete. Äußere er sich kritisch über Unternehmensfinanzierung, habe dies möglicherweise Einfluss auf seine Position.
Dass es an Hochschulen Selbstzensur gibt, davon ist Kreiß überzeugt: Finanzielle Abhängigkeit führe zu Wirtschaftshörigkeit. Selbst wenn es keine expliziten Vorgaben gebe, finde eine Einflussnahme in den Köpfen der Wissenschaftler statt. Mit solch pauschalen Grundannahmen macht sich Kreiß angreifbar. Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz und Befürworter privater Hochschulfinanzierung, weist Kreiß’ Ausführungen als Generalverdacht zurück. Den Beweis für seine These muss Kreiß zwangsläufig schuldig bleiben.
Und wie glaubwürdig ist Kreiß selbst? Sein Buch, das im Schlussteil das Verbot von Industriegeldern an Hochschulen fordert, ist selbst privat finanziert. Von wem, will Kreiß nicht verraten. Damit widerspricht er seinen eigenen Transparenzforderungen, belegt aber ungewollt seine These: Auch unabhängigen Wissenschaftlern eilt der Stiftergehorsam voraus.
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