Buch über Möbeldesigner: Form follows humour
Endlich gibt es eine Monografie über Susi und Ueli Berger. Sie entwerfen Möbelklassiker, die keine falsche Ehrfurcht auslösen.
Wohnen mit Designermöbeln ist vermutlich nicht so einfach. Einige wecken solch eine Ehrfurcht, dass man nur noch wenig Lust hat, sie überhaupt zu verwenden oder ihnen gar, Gott bewahre, persönlich gefärbte Scheußlichkeiten an die Seite zu stellen. Andere sind einfach ziemlich hübsch, wieder andere entwickeln aus der Ödnis heraus eine Strenge, die einen ganzen Raum erfüllen kann (die US-Popgruppe Sparks erzählte davon sehr schön in „Scandinavian Design“). Die Möbel von Susi und Ueli Berger scheinen dagegen eher freundlich anzufragen: Na? Ist da vielleicht noch ein Plätzchen bei dir frei?
Der Name des Schweizer Duos dürfte außer bei eingefleischten Anhängern des Postmoderne-Designs oder Kennern der eidgenössischen Möbelklassiker weitestgehend unbekannt sein. Auch wenn man ihre Entwürfe finden kann, sofern man danach sucht, zum Beispiel in der Designsammlung des Züricher Museums für Gestaltung.
Erstmalig widmet sich nun eine Monografie den Möbeln der Bergers – und bietet damit die Gelegenheit, einige ihrer im besten Sinne einzigartigen Entwürfe zu entdecken. Wie das „Kung-Fu-Regal“ mit seinen konvex und konkav geformten Regalböden in Blau, Rot und Weiß, das die durchhängenden Bretter jahrzehntealter Bücherschränke schon einmal vorwegnehmen sollte.
Oder die „Wolkenlampe“, die genau das darstellt, was ihr Name verrät: eine riesengroße Wolke aus mattem, beinahe flauschig erscheinendem Kunststoff. Immerhin dieser Entwurf ist so dann später doch wieder bei anderen Designern aufgetaucht, beispielsweise bei Frank Gehrys „Cloud“-Leuchte. Charmanter aber schaut doch das 1970 in der Schweiz entworfene Modell aus.
Mirjam Fischer, Anna Niederhäuser (Hg.): „Susi + Ueli Berger: Möbel im Dialog“. Scheidegger & Spiess, Zürich 2018, 344 Seiten, 58 Euro
„Susi + Ueli Berger: Möbel im Dialog“ zeichnet die Geschichte des Künstler- und Gestalterpaars nach, das in der Schweiz später ähnliche Entwicklungen anstieß wie die Memphis-Gruppe andernorts: die Befreiung vom gerade eben erst etablierten Dogma des Funktionalismus, der Zweckform und des rechten Winkels, die Hinterfragung des vermeintlich Objektiven in der Gestaltung.
Dabei waren sie immer wieder in Gruppenausstellungen vertreten, wie 1986 bei der wohl recht eklektisch-chaotischen Schau „Gefühlscollagen – Wohnen von Sinnen“ im Kunstmuseum Düsseldorf, bei denen Objekte wie das beschriebene Kung-Fu-Regal oder der „Schubladenstapel“, eine Kommode aus übereinandergestapelten Laden unterschiedlicher Dimension, unter allen Ausstellungsstücken die größte Resonanz entfachten.
Ernstzunehmendes Design
Richtig gemein gemacht haben sich beide aber nie mit einer Bewegung oder Gruppe – was vermutlich auch an ihrem grundsätzlichen Anarcho-Naturell gelegen haben dürfte, mit dem sie Kunst und Design, Praxis und Forschung sehr eigenwillig vermengten. So war denn auch längst nicht jeder Entwurf von praktischem Nutzen: Auf dem Fünf-Minuten-Stuhl aus gerolltem Kaninchendraht beispielsweise mochte man vermutlich ungern länger als im Namen angedeutet Platz nehmen. „Ob man auf einem Stuhl bequem (oder überhaupt) sitzen kann“, wurde so auch im Rahmen der Schau zu Protokoll gegeben, „ist für uns von sekundärer Bedeutung.“
Stattdessen propagierten Susi und Ueli Berger die Erforschung anderer Gestaltungsoptionen – emotionale Aspekte, Provokation, auch blanker Unsinn waren erst einmal gleichberechtigt neben allem anderen. Einige Erfindungen und Objekte, wie die „Keep Smiling“-Vorrichtung mit Widerhaken zum Hochziehen missmutiger Mundwinkel, erinnern nicht zufällig an die One Minute Sculptures des Bildhauers Erwin Wurm.
Und trotzdem konnte daraus eben auch ganz, nun, ernstzunehmendes Design entstehen. Möbel, um die sich heute Sammler reißen, die zum Teil wieder aufgelegt werden (wie die Wolkenlampe). Aber der Gestaltungsprozess war eben ein völlig umgekehrter: Die Form folgte nicht der Funktion, sondern die Form bestimmte, welche Funktion später dann noch möglich war. „Verschmitzte Funktionalität“, nennt das Claude Lichtenstein im Buch treffend.
An der Kunstgewerbeschule kennengelernt
In der Praxis war selbstredend nicht alles immer so wie in der kess formulierten Theorie. Susi und Ueli Berger, die sich an der Kunstgewerbeschule kennenlernten, verstanden sich als Künstler wie auch als Gestalter, ihre Möbel gern als skulpturale Objekte, mit denen man auch wohnen kann. Gleichwohl hat Ueli Berger viele Jahre für große Schweizer Hersteller Produkte und Möbel entworfen, Susi Berger war als Grafikerin erfolgreich.
Die gemeinsame Arbeit als Duo war vielleicht auch nötiges Ventil für alle Ideen, die anderweitig keinen Platz fanden – wobei auch hier fantastische, manchmal schön bescheuerte Dinge entstanden. Wie der „Fächermann“ für den Hersteller Röthlisberger, der heute jeden Bad-Taste-Preis gewinnen würde und den Susi Berger für die Zeitschrift Annabelle 1979 ironisch neben einer Paar-im-Kornfeld-Idylle inszeniert hat.
Knapp die Hälfte der Entwürfe von Susi und Ueli Berger ging in Serie; einiges war aber ja auch nie dazu gedacht. Nur eine neue Idee, so das Credo des Duos, rechtfertige einen neuen Entwurf. Neben Skizzen und ausführlichen Anekdoten zu jedem einzelnen Objekt zeigt das Buch auch einige Ansichten aus dem Berger’schen Zuhause. Darin: Mehr schlecht als recht gestapelte Schriften im „Kung-Fu“, der voll befüllte Fächermann, ein giftgrüner „Soft Chair“ steht mitten im Zimmer zwischen Krimskrams. Obwohl sie nicht unbedingt durchweg praktisch sind, kann man offenbar sehr gut mit ihnen wohnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!