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Buch über EinsamkeitGesichter der Einsamkeit

Ob Verschwörungstheoretiker, Katholik oder Sängerin: Janosch Schobin zeigt, wie vielfältig Menschen vereinsamen.

Ein zu Recht negativ gesehenes Gefühl: Einsamkeit Foto: Wolfgang Weinhäupl/imago

Einsamkeit als eine der zunehmenden Gegenwartskrisen – diese These dient Janosch Schobin in seinem neuen Buch mehr als Aufhänger statt als klare Leitfrage. Besser als „Zeiten der Einsamkeit“ würde „Geschichten der Einsamkeit“ als Titel passen. Empathisch und wissenschaftlich-distanziert zugleich gewährt der Soziologe Einblicke in siebeneinhalb Schicksale vereinsamter Menschen in Deutschland, Chile und den USA, an denen er verschiedene Facetten von Einsamkeit aufzeigt.

Pete, ein Verschwörungsanhänger aus New York, lässt Schobin nach dem Verhältnis zwischen Einsamkeit und Politikmisstrauen fragen. John, ein frommer Katholik aus Brooklyn, lässt ihn Einsamkeit mit chronischem Schmerz vergleichen. Das Kaleidoskop reicht von der in Trauerritualen feststeckenden Witwe bis hin zum von seinen Mitmenschen unbemerkt Verstorbenen, den er als halbfiktive Persona nachkonstruiert (daher siebeneinhalb Schicksale). Der öffentliche Umgang mit solchen „Fällen für die Ämter“, die in Deutschland zunehmen, ist persönlichkeitsrechtlich heikel.

Bei der afroamerikanischen Sängerin Dolores, die trotz beruflichen Abstiegs, Krebs und Verlassenwerdens resilient bleibt, lauert kurz die Gefahr des existenziellen Appells ans Individuum: „Tu was gegen deine Einsamkeit!“ Dafür ist Schobin aber doch zu sehr Soziologe, um den Blick für die strukturelle Ebene zu verlieren. Er verneint das Narrativ, dass Einsamkeit vor allem in postmodernen, individualistischen, „westlichen“ Gesellschaften zunehme. Selbst gewählte Bindungen mögen instabiler sein als feste familiäre Netze, doch überwiegen für ihn die positiven Effekte der Modernisierung wie Diskriminierungs- und Armutsabbau. An der Geschichte von Marta, die im Chile des späten 20. Jahrhunderts aufgewachsen ist und deren Biografie von familiärer und ehelicher Gewalt bestimmt ist, wird die Korrelation zwischen Einsamkeit, Klassen- und Geschlechtszugehörigkeit in diskriminierenden Systemen grausam deutlich.

Die taz bei der Leipziger Buchmesse

Die taz ist bei der Leipziger Buchmesse vom 27. bis 30. März mit einem eigenen Stand vor Ort in Halle 5, Stand G500. Dort werden auch wieder in zahlreichen Talks taz-Autor:innen lesen und diskutieren. Die taz Talks werden auf dem youtube-Kanal der taz live gestreamt. Zur Buchmesse erscheint am 27. März auch wieder die literataz, eine taz mit 12 Extraseiten. Die vergangenen Ausgaben können Sie hier downloaden.

Unser Programm

🐾 Donnerstag 27.03.25

11:00 Uhr: „Post-“ – Nachruf auf eine Vorsilbe – Dieter Thomä

11:45 Uhr: Lauf, Mama, Lauf! – Mareike Barmeyer

12:30 Uhr: Als wäre es vorbei – Katja Petrowskaja

13:15 Uhr: Macht im Umbruch – Herfried Münkler

14:00 Uhr: Zuhause ist das Wetter unzuverlässig – Carolin Würfel

14:45 Uhr: Das Deutsche Demokratische Reich – Volker Weiß

15:30 Uhr: Ginsterburg – Arno Frank

16:15 Uhr: Klapper – Kurt Prödel

19:00 Uhr @Galerie KUB: Was wäre, wenn wir mutig sind – Luisa Neubauer

🐾 Freitag 28.03.25

11:00 Uhr: Trotteln – Robert Seethaler, Rattelschneck

11:45 Uhr: Fischtage – Charlotte Brandi

12:30 Uhr: Russische Spezialitäten – Dmitrij Kapitelman

13:15 Uhr: Schwebende Lasten – Annett Gröschner

14:00 Uhr: Oh! Dalmatien – Doris Akrap

14:45 Uhr: Reise in die Mediengesellschaft USA – Julia Belzig

15:30 Uhr: Meine Sonnenallee – Jan Feddersen

16:15 Uhr: Digitale Diagnosen – Laura Wiesböck

17:00 Uhr: Traumaland – Asal Dardan

🐾 Samstag, 29.03.2025

10:15 Uhr: Edition Le Monde diplomatique: Indien – Modi und die Farbe der Macht – Sven Hansen, Jakob Farah

11:00 Uhr: Pazifismus, ein Irrweg? – Pascal Beucker

11:45 Uhr: Kipppunkte – Georg Diez

12:30 Uhr: Zuhören – Bernhard Pörksen

13:15 Uhr: Die dunkle Seite der Sprache – Tim Henning, Nikola Kompa, Christian Nimtz

14:00 Uhr: Norwegen, wir kommen auf Umwegen! – Wahrheitsklub mit Harriet Wolff, Andreas Rüttenauer, Rattelschneck aka Marcus Weimer, LAMINATOR

14:45 Uhr: Die Spree – Uwe Rada

15:30 Uhr: Der 7. Oktober und der Krieg in Gaza – Muriel Asseburg

16:15 Uhr: Autoritäre Rebellion – Andreas Speit

17:00 Uhr: Frau Zilius legt ihr erstes Ei an einem Donnerstag –Friederike Gräff

🐾 Sonntag, 30.03.2025

10:00 – 13:00 Uhr: Hilfe in Sachen ePaper und Abo – taz Seitenwende

14:00 Uhr: Wruuum! Crash! Boom! – Comicworkshop mit Michel Esselbrügge

Schobin verbindet einen nahbaren Erzählton mit zahlreichen Exkursen in Politik, Psychologie, Philosophie und Geschichte. Der dünne rote Faden des Buchs und die Scheu vor endgültigen Antworten sind zugleich Stärke und Schwäche. Manchmal wünscht man sich mehr Vertiefung, über interessante Querverweise auf Arendt, ­Goethe oder Freud hinaus. Liest man „Zeiten der Einsamkeit“ als „Erkundung eines universellen Gefühls“, bleibt die Erkenntnis, dass das zu Recht negativ gesehene Gefühl jeden treffen kann.

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1 Kommentar

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  • Einsamkeit ist ein sehr exklusiver Zustand. Es ist natürlich nicht gut, wenn Menschen eine Offerte erhalten, die dafür nicht geschaffen sind. Ich weiß nur nicht, inwieweit Aquagymnastik, Tinder oder ein Ehrenamt eine Lösung vorhalten.