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Buch „Über Ehe und Trennung“Wenn es vorbei ist

Wer ist man in der Ehe, wer danach? Rachel Cusk wirft einen schonungslosen Blick auf die Lügen und Schwächen in den modernen Rollenbildern.

Rachel Cusk, fotografiert von ihrem neuen Mann Siemon Scamell-Katz Foto: Siemon Scamell-Katz

Dass man betroffen ist, wenn eine völlig fremde, persönlich nicht bekannte Person das Ende ihrer Beziehung öffentlich macht, das kommt selten vor. Umso bemerkenswerter also, dass Rachel Cusks „Danach“ in der Rezensentin so etwas wie „Betroffenheit“ auslöste.

Der literarische Essay beschreibt das Auseinanderdriften eines Paares und das, was danach übrig bleibt. Kinder beispielsweise. Zum Ausgangspunkt des Textes wird eine Krise in der Krise: Cusk besteht nach der Trennung darauf, dass die Kinder bei ihr bleiben, obwohl der Vater seine Karriere aufgab, um für sie zu sorgen. Damit hintergeht sie ihre feministischen Vorstellungen von Gleichberechtigung und Mutterschaft.

Diesem Thema widmete die in Kanada geborene, seit Jahrzehnten in England lebende Autorin bereits ein eigenes Buch, „Lebenswerk“. Darin beschreibt sie das von ihr und ihrem Mann gewählte Familienmodell: Sie verdient das Geld, er sorgt für die Kinder. Eine eindeutige Rollenverteilung, mit vertauschten Vorzeichen. „Lebenswerk“ traf mit seiner Schonungslosigkeit einen Nerv, auch über „Danach“ muss man das sagen.

Karriere und Kinder

Das Buch

Rachel Cusk: „Danach. Über Ehe und Trennung“. Aus dem Englischen übersetzt von Eva Bonné. Suhrkamp, Berlin 2020, 187 Seiten, 22 Euro

Aber während „Lebenswerk“ die Ambivalenz der Mutterrolle reflektierte, spitzt „Danach“ jede Mehrdeutigkeit auf eine schmerzhafte Eindeutigkeit zu: Was bleibt Cusk nach der Trennung, wenn sie nicht die Rolle der Mutter ausfüllen kann? Sie erlebt sich nicht mehr als Frau, die alles haben kann – Karriere und Kinder. Sie empfindet sich vielmehr als moderne „unterteilte“ Frau.

Sie beschreibt den Rollentausch als eine Art Travestie, die eine „Unterteilung“ der Rollen aufrechterhält. „Und so wirkten die Spannungen der alten Orthodoxie unter der Oberfläche der umgestalteten Oberfläche der Dinge weiter.“ Cusk wirft – man spürt hier Bitterkeit – die Frage auf: „Warum musste er [ihr Mann] sich nicht unterteilen?“ Der Rollentausch erscheint aus ihrer Perspektive als Zugewinn für den Mann, während für die Frau, sie, nur der Verlust bleibt. Vor allem der Prestigeverlust. „Jenes Prestige, mit dem die Mutter dafür belohnt wird, dass sie ihren Nachwuchs erträgt.“

„Danach“ darf als die traurige Einsicht gelesen werden, dass es Gleichberechtigung für eine Mutter nicht geben kann. Weil ihr, sobald sie die Rolle der Mutter teilt, nicht das halbe Prestige bleibt, sondern gar keines? Weil eine Frau nicht ganz Mutter werden und ganz Subjekt bleiben kann, weil sie einen Teil von sich abgeben muss? Cusk ist nicht die Frau, die alles hat. Sie starrt in ein klaffendes Nichts.

Im Text überblendet sie die eigenen ambivalenten Gefühle mit Figuren aus der griechischen Mythologie. In Figuren wie der männermordenden Klytaimnestra findet sie die gnadenlose Eindeutigkeit, an der es ihr mangelt.

Emotionale Gratwanderung

Cusks Text ist eine Gratwanderung, psychologisch und emotional. Manche Szenen wirken pathetisch. Ist das Geschehen emotional zu frisch, um es beschreiben zu können? Handelt es sich überhaupt um einen Essay? Muss man von einem erzählenden Ich sprechen, trotz der autobiografischen Dimension des Textes?

Im letzten Teil wechselt Cusk die Perspektive vom Ich zur auktorialen Erzählerin, die über eine junge Frau namens Sonia spricht. Sie ist das Au-pair-Mädchen eines Paares mit zwei Töchtern und wird zur Zeugin der Trennung der beiden. In diesem Prozess wird das Mädchen, das depressiv und tablettenabhängig ist, zur tätigen Hilfe im Haushalt. Während die Frau des Hauses zusehends abmagert, als vollziehe der Körper den Rollenverlust nach, entwickelt Sonia Resilienz in der Krise.

Diese erzählerische Distanz in der Schilderung der Trennung bekommt dem Text gut. Zugleich deutet die Form an, dass jede Geschichte so oder auch ganz anders erzählt werden kann. In der Figur des Au-pairs Sonia werden eine Reihe unerwähnter Voraussetzungen der Frau, „die alles haben kann“, deutlich: beispielsweise unterbezahlte Angestellte, die Care-Arbeit übernehmen.

„Danach“, so ahnt man, wird wütenden Protest ernten. Vor allem von Müttern, die den verzerrenden Schleier lieber nicht von ihrer Wirklichkeit nehmen lassen wollen.

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2 Kommentare

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  • Ich würde eher sagen, dass Cusks Frauenbild anscheinend vom Feminismus der 70er Jahre geprägt war, wo Frauen gedacht haben, sie müssten handeln wie Männer mitsamt den Fehlern (also die Karriere ist alles und einer ist der/ die Blöde, der/die zu Hause bei den Kindern bleibt). Modern erscheint mir das nicht auch keine Beleuchtung geschweige denn Kritik eines modernen Frauen- und Männerbildes. Denn dort ist ja niemand absolut auf die vermeintliche Karriere und absolut auf den Haushalt fixiert, vielmehr wäre es ja gerade so, dass beide sich beides teilen (was natürlich immer noch nicht funktioniert, aber dass ist eine andere Geschichte als die von Fr. Cusk. Letztlich hat sich sich patriarchal verhalten (Karriere ist das einzig wichtige) und bekommt jetzt genauso die Rechnung wie ein Mann, der sich so verhalten würde. Was daran unterteilt sein soll begreife ich nicht, denn gerade die Unterteilung hat nicht stattgefunden, sondern stattdessen die Verabsolutierung einer Rolle, nämlich die der Person, die Karriere macht. Wenn sie sich jetzt beschwert, dass ihre Kinder lieber beim Ex-Mann bleiben, dann ist das eben die Rechnung, die traditionellerweise die Männer präsentiert bekommen, nur ohne sich darüber so aufzuregen.

  • Interessanter Text, aber insgesamt fehlen mir generell - auch - in der linken Presse ähnliche Artikel, in denen es um Männer geht, die mit sich und den Rollenerwartungen an sie nicht einverstanden sind, hadern oder gewisse Erfahrungen gemacht haben, die sie mitteilen möchten.



    Und wenn Männer sich evtl. wenig mitteilen möchten, dann sollte das auch mal thematisiert werden (lonely-wolf-syndrome etc.)

    Mir geht es in den ganzen Debatten gerade auch hier in der taz um die Bedeutung von Sex/ Gender in der Gesellschaft zu sehr um die Problematisierung von Frau-Sein (ob cis, lesbisch, trans, non-binary), ohne dass versucht wird, die entsprechenden Perspektiven von Mannsein auszuleuchten, und zwar gerne auch mal jenseits der metoo-Debatte.