: Brusthaarlose Beachboliden
Die deutschen Beachvolleyballer, die beim letzten Turnier der Mastersserie am Timmendorfer Strand ihre Meister ermittelten, kämpfen weiter um dringend benötigte Fernsehzeit und Sponsorengelder
aus Timmendorf OKE GÖTTLICH
Rrumms – immer wieder krachen die beiden Bottroper Beachboliden zum allseitigen Jubel mit großer Wucht aufeinander. Nicht nur im Finale um die deutsche Beachvolleyballmeisterschaft am Timmendorfer Strand feiern Thomas Hikel und Marvin Polte jeden erspielten Punkt laut- und einsatzstark. „Wir sind aufgrund der körperlichen Voraussetzungen keine Musterbeachvolleyballer, deshalb müssen wir das über die Psyche regeln“, erklärt der 1,87 Meter große Polte. Doch einige der insgesamt 55.000 Zuschauer an den drei Tagen äußerten sich besorgt über den Brusthaarbestand der beiden neuen deutschen Meister angesichts ihrer oberkörperbetonten Jubelkollisionen.
Die beiden Außenseiter durften beim letzten der neun Turniere der Mastersserie auf jede Menge Punkte anstoßen. Jemand, der ihnen vorher gesagt hätte, dass sie im Finale stehen würden, „weiß nicht, was Beachvolleyball ist“, sagte Marvin Polte noch nach dem Halbfinalsieg gegen Deutschlands derzeit stärkstes Team Markus Dieckmann und Jonas Reckermann. Das statt Markus dessen Bruder Christoph Dieckmann neben Falk Zimmermann im Finale stand, war die zweite Überraschung, die bei diesem Turnier nochmals belegte, dass nicht immer die professionellste Vorbereitung zu Erfolgen führen muss. 16 Monate hatte Christoph Dieckmann mit einem Bandscheibenvorfall zu kämpfen, bevor er diese Saison nach der 1:2 (21:13, 17:21, 11:15) Finalniederlage gegen Hikel/Polte als Vizemeister beenden durfte.
Eine Platzierung, die auch den Medienstars der Beachvolleyballszene, Jörg Ahmann und Axel Hager, gefallen hätte. Doch die Bronzemedaillengewinner der Olympischen Spiele in Sydney schieden früh aus. „Flasche leer“, lautete der knappe Kommentar von Ahmann nach einem „enttäuschenden Turnierverlauf“. Sowohl Hagers Schulteroperation als auch der dichte Terminkalender machten sich bei den beiden Oldies bemerkbar. „Es ist der natürliche Lauf der Dinge“, erkennt Hager, will künftig aber auch, „dass sich die Turnierorganisatoren mit den Spielern an einen Tisch setzen, um Terminüberschneidungen zu verhindern“. So mussten die beiden nach einem Turnier in Marseille ein paar Stunden später auf dem Hamburger Rathausmarkt aufschlagen. „Uns wurde gesagt, es sei ein Pflichttermin, und ich möchte nicht wissen, welche finanziellen Folgen es gehabt hätte, wenn wir bei dem Turnier nicht angetreten wären.“
Angesichts der Preisgelder, die in dieser Saison um 25.000 Euro auf 290.000 Euro für die neun Turniere der Serie aufgestockt wurden, treffen Organisator Frank Mackerodt solche Vorwürfe wenig. „Trotz rückläufiger Sponsorentrends haben wir unser Produkt auch für die Spieler immer weiter verbessert“, kontert er. Da die Spielerinnen und Spieler in den seltensten Fällen als Vollprofis im Sand wühlen, sind sie auf die Preisgelder und die von Mackerodts Agentur MNP durchgeführten Turniere angewiesen. „Die Teams leben von unserer Serie“, brüstet sich Mackerodt. So entstehen Abhängigkeiten für die ungefähr sechs Profiteams, die sie zwingen, den dichten Terminkalender zu akzeptieren. Immerhin scheint sich ein Sponsor für die Nationalteams für die vorolympische Saison gefunden zu haben.
Eigene Förderer haben nur wenige Teams. Nicht zuletzt, weil das Fernsehen keine Liveminute von Titelentscheidungen gezeigt hat. „Ich muss keine Liveübertragungen haben“, sagt Mackerodt. „Jetzt haben wir ein viel breiteres TV-Bouquet.“ Zahlreiche Stationen zeigten zumindest Kurzberichte über die Meisterschaften. Vielen Spielern ist das wegen des geringen persönlichen Vermarktungspotenzials nicht genug. „Man sollte die Interessen für mehr TV-Zeit bündeln“, schlägt Axel Hager vor. „Vielleicht sollten sich Spieler und Vermarkter mit den Sendern zusammensetzen, um eine qualitativ hochwertigere und damit für die Zuschauer interessantere Berichterstattung zu gewährleisten.“
Das deutsche Nationalteam und die Titelträgerinnen bei den Frauen, Okka Rau und Stephanie Pohl, machen in dieser Woche bereits einen Anfang. Vor den am Wochenende beginnenden Europameisterschaften in Basel ist ein Auftritt der beiden in der qualitativ hochwertigen Sendung „TV total“ geplant.
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