Brüssel will Zinsrichtlinie verschärfen: Steuerflucht nicht im Sinne der EU
Konsequenzen aus der Liechtenstein-Affäre: Europäische Minister beraten über die Verschärfung der Zinsrichtlinie, die auch für alle Steueroasen gelten soll.
Gilt für Österreich, Belgien und Luxemburg:
Das Recht auf Anonymität von ausländischen Anlegern verhindert eine Nennung der Namen bei der Überweisung der Zinserträge an das Heimatland. Zur Zeit liegt der Quellensteuersatzes bei 15 Prozent, soll jedoch bis 2011 auf 35 Prozent steigen.
Ausnahmeregelung Schweiz, Liechtenstein, Monaco, San Marino und Andorra:
Sie profitieren von den gleichen Schlupflöcher wie Österreich und Co. Zwar gehören die fünf Kleinstaaten nicht zur EU, haben sich aber vertraglich mit Brüssel geeinigt.
Einnahmen aus der Quellensteuer:
2006 flossen so 144,5 Millionen Euro Steuereinnahmen nach Deutschland zurück. 63 Millionen Euro kamen dabei aus der Schweiz, 50 Millionen Euro aus Luxemburg, 23 Millionen Euro aus Österreich und vier Millionen Euro aus Liechtenstein.
Zinserträge im Ausland:
1,5 Milliarden Euro wurden 2006 im europäischen Ausland an Zinszahlungenausgeschüttet. An der Spitze lag Luxemburg mit 684 Millionen Euro, gefolgt von Großbritannien mit 461 Millionen Euro.
BERLIN taz Als Reaktion auf die Affäre um Steuerhinterziehung in Liechtenstein drängt Bundesfinanzminister Peer Steinbrück auf strengere europäische Regeln. Bei der Sitzung der Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin) am Dienstag in Brüssel geht es unter anderem darum, die EU-Zinsrichtlinie auszuweiten. Bislang nicht erfasste Einkunftsarten, wie etwa Dividenden, könnten einbezogen werden. Dies gehöre zu den "denkbaren Szenarien", sagte eine Sprecherin Steinbrücks - wenngleich ihr Minister noch keine Details vorschlagen wolle.
Seit knapp zwei Wochen ermitteln deutsche Staatsanwaltschaften gegen mehrere hundert Verdächtige, die Steuern in Millionenhöhe mit Hilfe Liechtensteiner Stiftungen hinterzogen haben sollen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene findet deshalb eine Debatte darüber statt, wie Steuerflucht erschwert werden könnte.
Derzeit ist das wichtigste Instrument die Zinsrichtlinie der Europäischen Union. In Kraft seit 2005, regelt sie, dass sich die EU-Länder gegenseitig über Zinseinkünfte informieren, die Staatsbürger im Ausland erwirtschaften. Für Belgien, Österreich und Luxemburg gelten ähnliche Ausnahmen wie für die Nicht-EU-Staaten Schweiz und Liechtenstein. Als Ersatz für die automatische Information der Finanzämter erheben diese Länder eine pauschale Steuer auf Zinseinkünfte.
Steinbrücks Mitarbeiter überlegen nun, wie man die diversen Löcher in der Zinsrichtlinie stopfen könnte. Erstens sollen künftig neben den Zinsen auch andere Kapitaleinkünfte erfasst werden, die bislang nicht Gegenstand der Richtlinie sind. Dazu gehören Dividendenerträge von Aktiendepots. Eine zweite Möglichkeit bestünde darin, nicht nur die Vermögen natürlicher, sondern auch die juristischer Personen einzubeziehen. Könnte man darüber Einigkeit erzielen, müssten auch Unternehmen und Stiftungen ihre Kapitalerträge erklären. Und drittens geht es darum, auch die Staaten, die bislang Ausnahmeregelungen genießen, in den automatischen Informationsaustausch einzubeziehen. Das würde das Bankgeheimnis in Liechtenstein oder der Schweiz schwächen.
Im Zuge der aktuellen Affäre um die Steuerhinterziehung herrscht zumindest auf der rhetorischen Ebene zunehmendes Einverständnis, dass etwas passieren muss. Luxemburgs Regierungschef und Finanzminister Jean-Claude Juncker sagte unlängst, dass sich der Ecofin-Rat dafür einsetzen solle, auch Liechtenstein und die Schweiz in die EU-Regelung zur Zinsbesteuerung aufzunehmen. "Man darf sich nicht auf Kosten der Nachbarn bereichern", so Juncker.
Der Streit zwischen Deutschland und Liechtenstein wegen Steuerhinterziehungen kann auch nach Ansicht der EU-Kommission die Verschärfung der EU-Regeln über die Zinsbesteuerung vorantreiben. "Das liegt in der Hand der Mitgliedsländer, aber ich werde mich bestimmt dafür aussprechen, den Prozess zu beschleunigen", so EU-Steuerkommissar László Kovács. Die Regelung hat nach den Worten von Kovács Schlupflöcher, da sie die in Liechtenstein verbreiteten Stiftungen ebenso wenig erfasst wie spezielle Zinsanlageprodukte.
Nicht nur Liechtenstein und die Schweiz machen sich inzwischen Sorgen um ihren Ruf. Auch der Pyrenäenkleinstaat Andorra will von der schwarzen Liste der Steuerparadiese verschwinden. Das Fürstentum hat Verhandlungen mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aufgenommen, die diese Liste erstellt. In Europa stehen Liechtenstein, Monaco und Andorra auf der schwarzen Liste der OECD. HANNES KOCH
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