Brüssel plant neue Mautberechnung: Laster sollen für Umweltschäden zahlen
Ein 40-Tonner kostet die Gesellschaft pro Kilometer 63 Cent für Umwelt- und Gesundheitsschäden. Wenigstens einen Teil davon will die EU-Kommission von den Spediteuren haben.
Die Spediteure sind empört: Was die EU-Kommission vorschlägt, sei "Ökosozialismus". Seit Dienstag liegt eine Richtlinie auf dem Tisch, die dem Lkw-Verkehr erstmals auch die durch Luftverschmutzung, Lärm und Stau verursachten Kosten anlasten will. Bisher erlaubt die EU nur Mautgebühren, bei denen die Bau- und Reparaturkosten für die entsprechenden Straßen angerechnet werden.
Das Europaparlament drängt schon länger darauf, den Güterverkehr für seine volkswirtschaftlichen Kosten aufkommen zu lassen. Schließlich sind Lkw zu einem Großteil für Herzinfarkte und andere lärmbedingte Krankheiten verantwortlich. Dieselruß aus ihren Auspuffrohren verursacht immense Gesundheits- und Gebäudeschäden, und auch die Kosten für Unfalltote und Verletzte trägt die Allgemeinheit. Außerdem ist der Straßenverkehr für einen immer größeren Teil des Klimaproblems verantwortlich.
Bei der Verabschiedung der letzten EU-Wegekostenrichtlinie verpflichteten die Abgeordneten die EU-Kommission deshalb, eine Methodik auszuarbeiten, mit der die sogenannten externen Kosten des Güterverkehrs berechnet werden können. Anfang des Jahres legte die EU-Kommission eine umfängliche Literaturstudie vor. Einige zentrale Expertisen stammen vom Schweizer Institut Infras. Das hat ausgerechnet, dass die Schäden durch den Lkw-Verkehr allein auf deutschen Straßen mit etwa 11,6 Milliarden Euro im Jahr zu bewerten sind. Ein beladener 40-Tonner verursacht der Gesellschaft durch Lärm 20 Cent Kosten pro Kilometer, und die Luftbelastung schlägt mit 17 Cent zu Buche. Klima und Unfälle machen noch einmal 26 Cent aus.
Solche Summen aber gingen der EU-Kommission dann doch zu weit. Sie will für Lärm maximal zwei Cent Belastung pro Lkw zulassen, und die Luftverschmutzung soll je nach Abgasklasse und Region zwischen zwei und 16 Cent kosten dürfen.
Umweltschützer kritisieren, die Vorschläge gingen nicht weit genug. Zum einen ist kein Land verpflichtet, die Spediteure zur Kasse zu bitten. Zum Zweiten decken die von der EU-Kommission vorgelegten Maximalwerte bei weitem nicht die Kosten. Außerdem hat die Versicherungslobby dafür gesorgt, dass kein Land den Schaden, der durch Unfälle entsteht, über Mautgebühren in Rechnung stellen darf. Für eine Einbeziehung der Klimakosten hatte sich zwar Umweltkommissar Stavros Dimas stark gemacht - aber er konnte sich nicht durchsetzen. Keine Rücksicht will die EU-Kommission auf besonders sensible Regionen nehmen. Obwohl ein von ihr herausgegebenes Handbuch für die Alpen besonders hohe Belastungswerte nachweist und die externen Kosten hier entsprechend doppelt so hoch sind wie im Flachland, findet sich im Richtlinienentwurf fast nichts dazu.
Das "Bündnis LSVA für Europa", das sich für Lkw-Gebühren in ganz Europa einsetzt, verweist auf das Vorbild Schweiz. Dort gibt es die "leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe", die auf allen Straßen gilt und einen Großteil der Kosten deckt. "So etwas muss es europaweit geben, dann hat auch die umweltfreundlichere Bahn als Alternative eine Chance", fordert Geschäftsführerin Heike Aghte.
Die Lkw-Lobby bringt derweil ihre Geschütze in Stellung. Zehntausende von Arbeitsplätzen seien in Gefahr, wenn die EU-Richtlinie umgesetzt würde, drohte der Bundesverband Güterkraftverkehr. Außerdem müssten die Verbraucher Milliarden mehr für ihre täglichen Einkäufe ausgeben; schließlich werden 90 Prozent der Waren per Lkw transportiert. Nun sind Ministerrat und EU-Parlament am Zug.
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