Brüssel contra Mitgliedstaaten: EU will Ceta allein durchboxen
Kritiker wollen das EU-Kanada-Abkommen im Bundesrat stoppen. Doch ob der überhaupt gefragt wird, ist offen.
Dieses Abkommen zwischen der EU und Kanada gilt als Vorbild für TTIP und ist im Gegensatz zu diesem bereits fertig ausgehandelt. Die FreihandelskritikerInnen wollen nun verhindern, dass es ratifiziert wird. „Am 16. Juli wird in Bayern ein Volksbegehren gegen Ceta gestartet“, sagte Strasser. Ziel ist, Bayern zu einer Ablehnung von Ceta im Bundesrat zu bewegen. Außerdem werden am 17. September in sieben deutschen Großstädten Demonstrationen gegen Ceta stattfinden – unmittelbar bevor die SPD bei einem Konvent entscheidet, ob die Partei Ceta ablehnt oder nicht.
Möglicherweise sind diese Proteste aber falsch adressiert. Denn die EU-Kommission will das Abkommen offenbar als reines EU-Abkommen („EU-Only“) definieren. Dann müssten die nationalen Parlamente nicht zustimmen. Die Handelspolitik sei vergemeinschaftet und Ceta greife kaum in nationales Recht ein, heißt es in der Kommission. Allerdings werde das Europäische Parlament gefragt.
Die meisten Mitgliedstaaten gehen bisher hingegen davon aus, dass Ceta ein „gemischtes Abkommen“ wird, weil es neben der Handelspolitik, für die die EU allein zuständig ist, auch Themen enthält, die den Nationalstaaten unterstehen, etwa den Investitionsschutz. Eigentlich sollte die Entscheidung über das Verfahren in dieser Woche fallen. Am Montag teilte die Kommission mit, dass ein Vorschlag erst am 5. Juli vorgelegt werden soll.
Komplizierter Poker
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will hart bleiben: „Ceta ist ein gemischtes Abkommen“, teilte er am Montag mit. Ohne Zustimmung von Bundestag und Bundesrat könne es „kein Ja aus Deutschland geben“. Auch im „unwahrscheinlichen Fall“, dass die EU-Kommission das anders sehe, drohe keine Gefahr, sagte eine Ministeriumssprecherin: „Die EU-Kommission kann Ceta nicht als EU-Only-Abkommen gegen die Mehrheit der Mitgliedstaaten durchsetzen.“
Das stimmt – und es ist auch nur die halbe Wahrheit. Wenn die Kommission Ceta tatsächlich als reines EU-Abkommen einbringt, droht ein komplizierter Poker. Um die Vorlage zu ändern und Ceta als gemischtes Abkommen zu definieren, braucht es nämlich ein einstimmiges Votum der Mitgliedstaaten. Das dürfte schwierig werden: Italien hat nach Spiegel-Informationen bereits intern angekündigt, ein reines EU-Abkommen mitzutragen.
Umgekehrt kann Ceta nur verabschiedet werden, wenn es im Rat eine qualifizierte Mehrheit dafür gibt, das heißt 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Wenn es weder eine qualifizierte Mehrheit für Ceta als reines EU-Abkommen gäbe noch eine einstimmige Mehrheit für ein gemischtes Abkommen, könnte Ceta gar nicht verabschiedet werden – was die Kommission und die meisten nationalen Regierungen auch nicht wollen. Wer in diesem Machtkampf nachgibt, ist derzeit schwer abzusehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?