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Brückenbau über die MittelmoselAlbtraum fürs Himmelreich

Winzer und Weinexperten wehren sich gemeinsam gegen eine gigantische Brücke über die Mittelmosel. Jetzt soll eine Petition den Riesling in letzter Sekunde retten.

Zu den Hauptkritikern gehören die Winzer an der betroffenen Moselschleife. Bild: dpa

Für die einen ist der geplante Hochmoselübergang der im Bau befindlichen B50 im Landkreis Bernkastel-Wittlich ein "Projekt der Superlative". Dazu gehören beispielsweise der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck und seinen Wirtschaftsminister Hendrik Hering (beide SPD). Schon in einigen Jahren, so Hering euphorisch, könne die Menschheit an der Mittelmosel ein gigantisches, rund 160 Meter hohes und 1,7 Kilometer langes Brückenbauwerk bestaunen, das die Wirtschaftszentren und Seehäfen Belgiens mit dem Ballungsraum Rhein-Main verbinde. Davon werde auch der Regionalflughafen Hahn im Hunsrück profitieren.

Für viele andere ist diese Brücke dagegen ein Albtraum in Beton. Sie werde "den Charakter des Moseltals mit den typischen kleinen Weinorten verändern", heißt es im Erörterungsbericht. Der britische Weinpapst Hugh Johnson, der den Moselriesling in seinem jährlichen Welt-Wein-Atlas regelmäßig preist, erklärte schon nach dem umkämpften symbolischen Spatenstich im vergangenen Jahr, das Projekt sei "nicht nur eine Dummheit, sondern ein Verbrechen".

Zu den Hauptkritikern gehören denn auch die Winzer an der betroffenen Moselschleife. Sie befürchten Veränderungen des Mikroklimas und Störungen im Wasserhaushalt der für die Weinqualität des Rieslings so wichtigen Schieferböden (Steillagen) durch den riesigen Wanderschatten, den die Brücke werfen wird.

Qualität und Renommee weltbekannter Spitzenlagen wie "Ürziger Würzgarten" oder "Zeltinger Himmelreich" stünden auf dem Spiel, erklärt die Bürgerinitiative AG Eifel-Mosel-Hunsrück, in der neben den Weinbauern auch Tourismusexperten und Gastronomen aus der Region organisiert sind. Sie alle befürchten zudem einen drastischen Rückgang der Besucherzahlen an der Mittelmosel: Unter einer Brücke mit permanentem Lastwagenverkehr werde doch kein vernünftiger Mensch mehr seinen Urlaub verbringen wollen, argumentieren sie. Schon heute müssten Hoteliers in ihren Prospekten auf die Großbaustelle hinweisen.

Aktivisten der Initiative Pro Mosel haben anhand aktueller Routenplaner ausgerechnet, dass der Hochmoselübergang bei einer Reisegeschwindigkeit von 90 Stundenkilometern beispielsweise für die Strecken von Rotterdam nach Frankfurt oder von Trier nach Mainz keinerlei Zeitgewinn bringe. Im Gegenteil: "Im Vergleich mit den bislang genutzten Reisewegen schlagen sogar Zeitverluste zu Buche."

Juristisch ist der Brückenbau jedoch nicht mehr zu verhindern. Das Bundesverwaltungsgericht hat 2007 eine letzte Klage des Umweltverbandes BUND Naturschutz dagegen zurückgewiesen. Weil sich keine privaten Investoren finden lassen, müssen die Kosten für das Gesamtprojekt von bislang geschätzten 330 Millionen Euro jetzt von Bund und Land alleine aufgebracht werden. "Hier wird Steuergeld für ein unverantwortliches Projekt hinausgeworfen, das schädlich für die ganze Region ist", kritisiert die Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Verkehr der Grünen in Rheinland-Pfalz, Jutta Blatzheim-Roegler.

Rettung in letzter Sekunde soll eine Petition bringen, die Mitte März eingereicht wurde. Der entsprechende Bundestagsausschuss hat sie bereits zur Entscheidung angenommen, die vermutlich im Mai fallen soll. "Wir fordern einen sofortigen Baustopp zur Verhinderung materieller Einbußen in der Wein- und Ferienregion Mittelmosel", heißt es darin. Und dass "aufgrund neuerer Erkenntnisse" die Wirtschaftlichkeit des Projekts neu geprüft und ein Alternativkonzept erstellt werden müsse. Unterzeichner der Petition sind willkommen.

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7 Kommentare

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  • B
    Barbara

    Herr Beck, wie fühlt man sich, wenn man dafür sorgt Landschaft, Leben, eine ganze Region und deren Zukunft zu zerstören ? Können Sie noch gut schlafen?

    Aber danke Herr Beck, mit der Befürwortung dieses sinnlosen gigantischen Projektes Moselbrückenbau, weiß ich jetzt schon, welche Partei ich in Zukunft nicht mehr wählen werde, ganz sicher nie wieder, nämlich IHRE.

  • JT
    jupp trauth

    auch mir gehts als brückengegner viel mehr um den stopp jeglichen straßen- und brückenbaus, weil uns jeder meter zusätzliche straße rasanter in die sackgasse und gegen die wand bringt.

    mir ist ein rätsel, warum bislang alle politiker so unbeirrt für jedes großprojekt waren und sind, obs akws, sind, autobahnen, freizeitparks auf unsere kosten etc.

     

    daß wir fast alle vom daraus folgenden falschen fortschritt profitieren und mitnehmen, was mitzunehmen geht (schneller und öfter fliegen, schneller und weiter autofahrn, sommerobst im winter etc.) ist ein nebeneffekt, aber ein gewollter: so lassen wir uns korrumpieren und sind in der menge nicht mehr auszumachen.

    daß sich konzerne im kapitalismus kapitalistisch = gewinnmaximierend und damit weltzerstörend gebärden müssen, ist ja geschenkt (es gilt daher: nicht sie, sondern der kapitalismus ist abzuschaffen). daß aber die politiker den staat meinen führen zu müssen wie einen konzern (rationalisieren, einsparen an "unproduktiven stellen, mit gewalt verteidigen etc.), das ist einer der großen fehler unserer gewählten.

    aber wer merkt es?

    jedenfalls: schön wärs, wenn der beknackte hochmoselübergang stürbe, wie so manches kohlekraftwerk in letzter zeit. leider sind wir beim mirv (=motorisierter individualverkehr) noch nicht so weit. (hinterher wills natürlich wieder keiner gewesen sein, der das ganze benzin verfahren und das klima verhunzt hat. aber das kennen wir ja auch.)

  • L
    Leidkultur

    Im Westen (und inzwischen in weiten Teilen des Ostens) ist landschaftlich doch sowieso schon alles verschissen. Ich lebe seit einiger Zeit in NDS und bin nur am Reihern ob der Zersiedelung, der vielen Straßen und des enormen Verkehrsaufkommens dadurch. Aber liebe Brückengegner: Seid ihr Vorbilder ? Lasst ihr eure Kiste auch mal stehen? Benutzt ihr die Öffis? Nö, nicht? Also nu nich rumjammern, sondern schlucken. Andere mussten sich an den Umweltdreck auch gewöhnen, nun seid ihr dran. (Ich darf übrigens so schreiben...war nie im Besitz eines PKW gewesen.. ich quatsche nämlich nicht nur über Ökologie, sondern lebe sie!!) Literaturtipp: Alptraum Auto, erschienen (glaube ich) 1986 echtes Horrorwerk!!

  • H
    hartus

    Der Riesling wird mit und ohne Brücke gleich gut.

     

    Es handelt sich hier wohl eher um eine Werbeaktion für die betroffenen "whinemaker".

  • J
    Jochen

    Inzwischen wurde eine Petition beim Bundestag eingereicht.

    Hier könnt ihr mitzeichnen:

    https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=10681

  • K
    Karl

    Moselwein - Solange die Klimaerwärmung nicht wirklich in Deutschland wärmere Sommer hervorbringt solange müssen Moselweine mit Zucker "veredelt" werden. Das vom britische Weinpapst Hugh Johnson wundert mich auch nicht, wo sonst als in England kann man Moselweine für teures Geld kaufen welche man sonst nur als Essig für den Salat benutzen kann.

     

    Ich glaube auch kaum, dass eine Brücke das "Klima" mehr verändert als die Öl- und Gasheizungen welche die Ortschaften an der Mosel benutzen. Oder gibt es dafür wissenschaftliche Studien die dies belegen.

     

    Scheint mir mehr der Versuch zu sein schlechten Moselwein per Marketing zu verbessern

  • KL
    Konstatin Lebedur

    Warum nur? Was soll das? Ich bin ein von Hause aus eher konservativer Mensch und genau deshalb kann ich den völlig unangebrachten Gigantomanismus nicht verstehen. Es hätte Alternativen gegeben, die die Umwelt und auch das Gesicht der Moselregion bei weitem nicht so schädigen würden, wie die nun geplante "Hering-Gedächtnisbrücke". Warum müssen Menschen in politischer Verantwortung eigentlich rücksichtslos gegenüber denen werden, die gemäß unserer Verfassung, sowohl der des Landes als auch der des Bundes, der Souverän sind, nämlich dem Bürger. Außer der Politik will keiner die Brücke, ist das so schwer zu verstehen. Ein nutzloses Prestigeobjekt, dass die Politikverdrossen vieler nur noch anheizen wird. Danke liebe Landesregierung, so bereitet man den Weg für Extremisten jeglicher politischer Rechtung Weiter so!