Bruch in Berlusconis Partei: Aus mit Fini
Der Rauswurf von Gianfranco Fini aus der Berlusconi-Partei "Popolo della libertà" führt zu einer Krise der italienischen Regierung, die damit ihre Mehrheit verlieren dürfte.
ROM taz | Silvio Berlusconis Regierungspartei "Popolo della libertà" (PdL, Volk der Freiheit) hat sich nach monatelangen Konflikten zwischen ihm und Abgeordnetenhauspräsident Gianfranco Fini gespalten. Damit steht Italien wohl nach der Sommerpause eine Regierungskrise ins Haus, die vorgezogene Neuwahlen bedeuten könnte. Am Donnerstagabend beschloss der 36-köpfige PdL-Vorstand, Fini und seine Getreuen aus der Partei zu werfen.
Fini galt seit Berlusconis Eintritt in die Politik 1994 als dessen zuverlässigster Partner und führte seine postfaschistische Partei Alleanza Nazionale an die Seite von Berlusconis Forza Italia - 2008 in die Listenverbindung und im März 2009 mit dem Gründungsparteitag in die gemeinsame Partei PdL.
Nach 16 Jahren sind die politischen Gemeinsamkeiten zwischen Berlusconi und Fini verbraucht und die beiden sich persönlich in Hass verbunden. Berlusconi hatte 1994 den damals noch der erklärt faschistischen Partei vorstehenden Fini ganz selbstverständlich als Alliierten in sein neues Rechtsbündnis aufgenommen und damit Finis Karriere wie der zahlreicher anderer schnell zu "Postfaschisten" gewendeter Politiker den Weg geebnet.
Doch während Berlusconi sich immer stärker zum demagogischen Rechtspopulisten entwickelte, ging Fini einen völlig anderen Weg. Ob Wahlrecht für Ausländer, ob eingetragene Lebensgemeinschaften für Schwule - immer wieder profilierte er sich als aufgeklärt-liberaler Politiker, der für eine saubere, auf populistische und polarisierende Töne verzichtende Rechte des 21. Jahrhunderts focht. Große Teile der rechten Wählerschaft und seine alten Kollegen aus der Alleanza Nazionale irritierte das. Als dann 2008/2009 Berlusconi die Gründung der rechten Sammelpartei PdL durchsetzte, schwenkten die meisten Spitzenpolitiker aus Finis Reihen zu Berlusconi um, der sie nach dem Wahlsieg 2008 reichlich mit Posten versorgt hatte.
Der 2008 zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses gewählte Fini akzentuierte fortan seine Kritik an Berlusconi. So sorgten Finis Anhänger in der Koalition zuletzt dafür, dass die Regierung ihr geplantes Abhörgesetz radikal entschärfen musste. Zudem kritisierten Finis Leute jene Politiker aus dem Berlusconi-Lager, gegen die wegen Korruption ermittelt wird, und forderten gar den Rücktritt von Ministern und Staatssekretären aus den eigenen Reihen. Berlusconi verstand dieses Signal richtig: als offene Kriegserklärung. Schließlich ist er selbst derjenige Politiker, der traditionell den meisten Ärger mit der Justiz hat. Deshalb reagiert er allergisch auf Politiker, die wie Fini in letzter Zeit täglich das Wort "Legalität" in den Mund nehmen. Der Ausschluss Finis und seiner Getreuen wurde damit unausweichlich. Doch der kann auf 33 Abgeordnete zählen. Berlusconi hätte damit die Mehrheit eingebüßt. Die Regierungskrise scheint unausweichlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren