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Britischer Alltag in der FotografieProletarische Tauben im Hyde Park

Isabelle Graeffs Fotoserie „Exit“ in der Galerie Sexauer ist eine melancholische Studie über den britischen Alltag. Noch vor dem Brexit.

Ausstellungsansicht Isabelle Graeff, Exit, Galerie Sexauer, mit den erwähnten Fotografien Foto: Marcus Schneider, Courtesy Sexauer Galler

„Exit“, Ausgang, heißt die Ausstellung von Isabelle Graeff in der Galerie Sexauer. Das ist nahe dran am Begriff Exitus (letalis), wie der Tod in der Medizinersprache heißt. Der Tod bildet tatsächlich den Ausgang zu der Bilderserie, die die Künstlerin zeigt. Sie sind in England entstanden, wohin sich Isabelle Graeff nach dem überraschenden Tod ihres Vaters flüchtete. Es war ein folgerichtiger Schritt, sie hatte dort während ihres Studiums an der Central Saint Martins School of Art & Design in London schon einmal gelebt.

Der Galerieraum bei Sexauer ist ein großartiger Raum, um Fotografien zu hängen, die kleinen, die mittleren und die großen Formate so, dass sich kleine Erzählungen ergeben, Strukturen, aussagekräftige Muster. Gleich links, wenn man reinkommt, gibt es das Bild mit dem Titel „Bradford“, das eine vernagelte Tür und darüber den demolierten Leuchtkasten für die Neonlichtreklame zeigt, aus dem noch ein Kabel bis auf den Boden runter hängt.

Daneben steht ein Geschäftsmann im blauen Nadelstreifenanzug mittags im „Hyde Park“ mit seltsamerweise drei grünen exotischen Papageien auf den Händen, in denen sie Futter finden. Wie ein ironisches Echo picken am Boden drei proletarische Tauben auf der Suche nach Futter.

Die bunte Fassade, die sich im Wasser spiegelt

Das darauf folgende große Format „Blackpool“ eines gelben Fliesenbodens, in dessen Vertiefungen, weil gerade gewischt, Wasser steht, verweist in seiner abstrakten Geometrie auf „Bradford“. Freilich wird sie durch die bunten Versatzstücke einer knallig poppigen Fassadenkonstruktion, die sich in den Wasserlachen spiegeln, auf Schönste irritiert.

Im gleichen großen Format folgt eine englische Landschaft der weniger lieblichen Art, mit Gestrüpp und Felsen, auf einem steht ein Pferd, genauso weißgrau wie der Fels, und daher mehr Skulptur als lebendiges Tier, über das ein großer Vogel hinwegfliegt.

Ihre Fotografien sind so gehängt, dass sich Erzählungen und Muster ergeben

Und dann stößt auf dem Jahrmarkt in „Torquay“ ein riesiger grüner Hulk auf einem Fahrgeschäft die Faust wütend in die Luft, bevor es wieder kleinteilig wird, mit „Cambridge“, dem koketten bunten Staubwedel an der Garderobe mit den vier nackten Kleiderbügeln, und „Deal“, dem Blick auf ein gerade angefangenes Queen-Elizabeth-II.-Puzzle.

Bilder von Verfall und Eigensinn

Isabelle Graeff ging noch in unschuldigen Zeiten nach England. Also noch vor dem Referendum, die EU zu verlassen, dem sogenannten Brexit. Im Nachhinein ist man natürlich geneigt, in ihren Bildern von Verfall und Eigensinn schon die Vorzeichen der abstrusen Idee zu erkennen, das Vereinigte Königreich werde aufgrund seines Rückzugs aus der Europäischen Union wieder vergangene Größe erlangen.

Die Ausstellung

„Exit“ läuft bis 9. Juni in der Galerie Sexauer, Streustraße 90, Berlin. Der im Hatje Cantz Verlag erschienene Katalog kostet 45 Euro.

Vielleicht sucht man deshalb das besondere Britische in ihren Aufnahmen zu benennen. Doch das führt zu Assoziationen, deren Raum dann ausgerechnet doch wieder europäisch ist. Der Hulk könnte auch auf einer französischen Kirmes seiner Wut Ausdruck geben. Das Britische findet sich in Isabelle Graeffs Stil, den sie fotografisch her-, aber eben nicht ausstellt; in ihrer Unerschrockenheit, mit der sie den Alltag zu seinen Bedingungen in ihren Aufnahmen Gestalt annehmen lässt, in all seiner bedauerlichen Gewöhnlichkeit und all seiner überraschenden Poesie.

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