Britische Rechtspopulisten: Wenn „Altparteien“ alt aussehen
Unverwüstlich: Nigel Farage gewinnt die Regionalwahlen. Ob seine Partei mehr bieten kann als reaktionären Unsinn, muss sich noch zeigen.
D as Zweiparteienystem aus Konservativen (Tories) und Labour, das Großbritanniens Politik seit hundert Jahren dominiert, ist schon oft totgesagt worden. Aber noch nie erschien diese Prophezeiung so realistisch wie seit der Serie von Wahlen in England am vergangenen Donnerstag, aus denen die Partei „Reform UK“ des schier unverwüstlichen Nigel Farage als klarer Sieger hervorgegangen ist.
Aus dem Stand wird Reform die stärkste Kraft auf der Ebene von Englands historischen „counties“, den Grafschaften, und überschreitet die 30-Prozent-Marke, ab der das britische Mehrheitswahlrecht hohe Wahlsiege möglich macht, sobald man mit einigem Abstand vorne liegt. Zur Erinnerung: Keir Starmers Labour-Partei holte 2024 nahezu eine Zweidrittelmehrheit im Unterhaus auf der Grundlage von knapp 34 Prozent der Stimmen.
Nigel Farage, nächster Premierminister? Man muss sich auf diese Eventualität einstellen. Die Labour-Regierung hat in ihren zehn Monaten nicht überzeugt. Starmer hat unterschiedlichen Wählermilieus lauter unterschiedliche Dinge versprochen, macht am Ende von allem das Gegenteil und hat anders als Olaf Scholz keine Ampelpartner, denen er dafür die Schuld geben kann.

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Die oppositionellen Konservativen wiederum sind ausgezehrt; wer mit Labour unzufrieden ist, weil der versprochene Neustart nach 14 Tory-Jahren ausbleibt, wird sich kaum den Tories zuwenden. Ein spitzbübischer Nigel Farage, der beide großen Parteien für die britische Misere verantwortlich macht, trifft da den Nerv der Zeit.
Das heißt nicht, dass alles gelaufen ist. Die nächsten britischen Wahlen sind weit weg. Historisch ist Farage immer an sich selbst gescheitert: Sobald eine seiner Parteien Erfolge feierte und groß wurde, fürchtete der Oberpopulist den Kontrollverlust und überwarf sich mit seinen Kollegen. Und ob Reform jetzt mehr anbietet als reaktionären Blödsinn, muss sich erst noch zeigen. Aber für die beiden großen „Altparteien“ ist die Luft an den Gipfeln der britischen Politik äußerst dünn geworden.
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