Britische Energiepolitik: Erstes neues AKW schon 2017
Die Labour-Regierung macht Ernst: Sie plant zehn AKW-Neubauten und ein Endlager auf der Insel. An einem Standort soll dafür sogar eine Windkraftanlage demontiert werden.
BERLIN tazDie britische Regierung lässt zehn neue Atomkraftwerke bauen. Ed Miliband, Minister für Energie und Klimawandel, sagte am Montagabend, Atomkraft sei "unabdingbar, um den Klimawandel zu bekämpfen und die britische Energiesicherheit in den kommenden Jahrzehnten zu gewährleisten".
Die zehn Standorte sind von privaten Stromanbietern vorgeschlagen worden, denn die sollen die Atomkraftwerke bauen. Acht davon liegen neben bereits bestehenden Atomkraftwerken, zwei neue kommen hinzu: Braystones und Kirksanton, beide in der Grafschaft Cumbria an der britischen "Atomküste", wo auch die Plutoniumschleuder Sellafield steht. In Kirksanton soll eine der ältesten und effizientesten Windkraftanlagen demontiert werden, um Platz für das Atomkraftwerk zu schaffen.
Miliband gab außerdem die Zustimmung für ein Endlager, das rund 200 Tonnen hochradioaktiven Müll pro Jahr aufnehmen soll. Mindestens 18 Milliarden Pfund (umgerechnet 20 Milliarden Euro) wird das Lager kosten. Einen Interessenten gibt es dafür bisher nicht - im Gegensatz zu den Atomkraftwerken, um die sich die britischen Gemeinden laut Miliband wegen der Arbeitsplätze geradezu reißen. Die schottische Regierung der separatistischen Scottish National Party hat der Atomkraft hingegen eine Absage erteilt. Die beiden schottischen Atomanlagen Hunterston und Torness sollen durch saubere Kohlekraftwerke ersetzt werden.
Auch die Labour-Regierung hatte noch 2003 Atomkraft als "unattraktive Option" bezeichnet. Diese Meinung revidierte sie zwei Jahre später. Doch im Februar 2007 machte der Londoner High Court den Atomkraftplänen zunächst einen Strich durch die Rechnung. Die Richter entschieden damals, dass der Planungsprozess "äußerst mangelhaft und verfahrensrechtlich unfair" gewesen sei. Die Regierung habe eine "umfassende öffentliche Anhörung" versprochen, die nie stattgefunden habe.
Das wird sie auch diesmal nicht. Das erste der neuen Atomkraftwerke soll schon 2017 ans Netz gehen. Bis 2025 soll ein Viertel des Strombedarfs durch Atomkraftwerke abgedeckt werden. Derzeit sind es knapp 20 Prozent, doch die meisten der 16 Anlagen sind veraltet und müssen bis 2023 abgeschaltet werden. Lediglich Sizewell B in Suffolk hat eine längere Laufzeit. Es ist das jüngste Atomkraftwerk, wurde aber auch schon vor mehr als 20 Jahren gebaut. Das Verfahren zog sich über sechs Jahre hin.
Um solche Verzögerungen auszuschließen, wird der bisherige Planungsprozess abgeschafft. Stattdessen richtet die Regierung eine Infrastruktur-Planungskommission ein, die Projekte mit mehr als 50 Megawatt ohne viel Federlesen genehmigen kann. Zwar soll mit den betroffenen Gemeinden beraten werden, ein Einspruchsrecht für Bürger gibt es aber nicht mehr.
Umweltschützer sind entsetzt über die Regierungspläne und kündigten an, gerichtlich dagegen vorzugehen. Andy Atkins von Friends of the Earth sagte am Dienstag: "Neue Atomreaktoren sind keine Antwort auf den Klimawandel und die Energiesicherheit. Dadurch werden Mittel für die Entwicklung sicherer und erneuerbarer Quellen umgeleitet, und bei der dringend notwendigen Reduzierung der Emissionen wird sich im kommenden Jahrzehnt wenig tun."
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