Briten erforschen Erderwärmung: Klimawandel als Gesundheitsrisiko
Der Klimawandel wird die Ausbreitung neuer Krankheiten begünstigen - das prognostizieren britische Forscher. Tropenkrankheiten könnten sich in gemäßigtere Regionen ausdehnen.
BERLIN taz | Hungersnöte, Wasserknappheit, Epidemien - die Erderwärmung ist die größte Gesundheitsbedrohung dieses Jahrhunderts. Zu diesem Ergebnis kommt ein interdisziplinäres Forscherteam, das seine Arbeit in der am Donnerstag erschienen Medizinzeitschrift The Lancet veröffentlichte. Demnach werde der Klimawandel die Ausbreitung neuer Krankheiten begünstigen und Tropenkrankheiten wie Malaria oder Denguefieber sich auch in bislang gemäßigte Regionen ausdehnen.
Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche der College University London legten ihrer Untersuchung den jüngsten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC zugrunde. Dabei gingen die Forscher einerseits von einem gemäßigten Szenario aus, bei dem die Erderwärmung auf 2 bis 3 Grad bis Ende des Jahrhunderts ansteigt, untersuchen aber auch ein Extremszenario mit einem Anstieg der Globaltemperatur um sechs Grad. Ergebnis: "Der Klimawandel konfrontiert uns mit einer globalen Gesundheitskrise."
Am stärksten betroffen sind die Ärmsten. Zehn Millionen Kinder sterben derzeit jährlich, 800 Millionen Menschen gehen jede Nacht hungrig zu Bett, 1.500 Millionen Menschen haben bereits heute keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Während in den Industrieländern ein Mädchen, das heute geboren wird, eine Lebenserwartung von 80 Jahren besitzt, hat es in einem Entwicklungsland nur durchschnittlich 45 Jahre zu leben. Die Klimakrise wird diese Erwartung weiter minimieren: Wegen veränderter Niederschlagsniveaus werden sauberes Trinkwasser und Essen in Entwicklungsländern noch knapper - und Menschen damit anfälliger für Unterernährung und Durchfallerkrankungen. Eine um ein Grad gestiegene Globaltemperatur entspricht laut den Forschern einem Ernteertragseinbruch von bis zu 17 Prozent, was die Lebensmittelpreise weltweit nach oben treiben wird.
Aber auch die reichen Länder kommen nicht ungeschoren davon: Tropenkrankheiten wie Malaria oder Denguefieber werden sich in Regionen ausbreiten, deren Klima bislang gemäßigt einzustufen ist, die Individuen dort sind nicht darauf vorbereitet. Wie sehr allein schon die hohen Temperaturen Menschen zu schaffen machen, zeigte die Hitzewelle 2003, die in Europa bis zu 70.000 Todesopfer forderte. Anthony Costello vom Londoner University College: "Ich denke, Gesundheitsverbände beteiligen sich erst spät an dieser Diskussion und hätten sich schon früher stärker äußern sollen."
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