Briten beim Theatertreffen: Die Magie der alltäglichen Sprache
Das Theaterkollektiv Forced Entertainment, seit über zwanzig Jahren in Deutschland präsent, ist erstmals zum Theatertreffen eingeladen.
Dass diese englischsprachige Gruppe unter den „10 bemerkenswerten Inszenierungen des deutschsprachigen Theaters“, die eine Kritikerjury jedes Jahr auswählen darf, ihren Platz gefunden hat, ist an sich schon bemerkenswert.
Forced Entertainment zeigen am HAU in Berlin: "Dirty Work (The Late Shift)", 4. + 6. Mai; Meg Stuart & Tim Etchells, "Shown and Told", 6. + 7. Mai; "Real Magic" im Rahmen des Theatertreffens, 9., 10. + 11. Mai. Mehr unter www.hebbel-am-ufer.de.
Mein Englisch ist mittelprächtig, aber die Performances von „Forced Entertainment“, gegründet 1984 in Sheffield, liebe ich nicht zuletzt, weil ihre Sprache mir suggeriert, doch ziemlich gut Englisch zu verstehen. Ob diese Einfachheit der Sprache dem Umstand geschuldet ist, dass sie seit 30 Jahren so viel in Europa unterwegs sind, auf Bühnen in Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Österreich?
„I'm not dead“
Das frage ich Tim Etchells, Regisseur und einer der Autoren im sechsköpfigen Kollektiv. Vielleicht auch deswegen, sagt er, aber vor allem, weil sie in ihren Erzählungen von Anfang an nach einer alltäglichen Sprache suchten, die direkten Kontakt zum Zuschauer herstellt und Bilder in ihm wachruft. Und das gelang ihnen von Anfang an.
Ich gebe zu, ich habe in einem ihrer Stücke, „From the Dark“ (2016) auch schon ein wenig geschlafen, ein Bändchen um das Handgelenk mit der Aufschrift „I’m not dead“. Von der Dämmerung spielten sie bis zum Morgengrauen durch, Geschichten vom Wegzaubern, von Tod und Auferstehung und von persönlichen Ängsten. Später fühlte es sich an, als hätte man das geträumt, wie da als Skelette angemalte Performer auf der Bühne ungeschickt mit einem Tuch hantieren, um den Tod wegzuzaubern, aber der Tod lässt sich nicht wegzaubern. Das war großartig, clownesk, grotesk, tiefsinnig.
Auch in „Real Magic“, dem Stück, mit dem sie zum Theatertreffen eingeladen sind, geht es um das Scheitern, die Wiederholung, die Vergeblichkeit. Viel davon hat Forced Entertainment in das deutsche Theater hineingetragen und mit ihrer Erzählweise die Entwicklung des postdramatischen Theaters angestoßen. Und ein ganz spezieller Punkt war für sie von Anfang an, den Einfluss der Massenmedien auf die persönliche Befindlichkeit zu fassen zu bekommen, die Veränderung des Erwartungshorizonts durch das Spektakel.
„Wie sich das durchdringt, das nimmt ja noch zu“, sagt Tim Etchells. Schon deshalb nehmen sie oft ihre alten Performances und erzählen sie neu. Jung und innovativ waren sie vor langer Zeit. Jetzt stärkt sie das Wissen, ein Werk und ein Instrumentarium entwickelt zu haben, das weiterhin zur Beschreibung der Gegenwart taugt.
Kollektiv seit 1984
Ihre Basis ist in Sheffield, doch präsent sind sie an vielen Bühnen in Europa. „Wir hatten immer das Gefühl, von einem Ort zu kommen, der sich vom Kontinent unterscheidet“, sagt Etchells. Sie haben in einer sehr konservativen Zeit, der Thatcher-Ära, in Großbritannien begonnen, die Arbeit in Europa machte sie freier. Hier war das Publikum bereit, mit ihnen über die Bedingungen von Theater nachzudenken, individuellen Stimmen der Erzähler zu folgen.
Ihr Erfolg als britische Performer ist durch ein Netzwerk vieler europäischer Partner entstanden. Das weiß das HAU in Berlin zu feiern und zeigt aus Anlass des Theatertreffens gleich noch weitere Arbeiten von ihnen.
Die taz hat, so zeigt das Archiv, seit 20 Jahren oft über dieses Kollektiv geschrieben. Sicher nicht zuletzt auch deshalb, weil es so viele erfolgreiche Kollektive ja nicht zu bewundern gibt.
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